Alchen. Der Vorsitzende des Heimatvereins Alchen, Martin Lucke, warnt vor dem Hintergrund der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft vor Vorverurteilungen

Die jüngsten juristischen Entwicklungen – und die damit verbundene Berichterstattung – reißen alte Wunden wieder auf, sagen Martin Lucke und Oliver Günther. Sie wünschen sich eine schnelle Aufarbeitung der Katastrophe beim Backesfest in Alchen, möglichst ohne eine Anklage.

Zwei Menschen sterben bei Unglück in Alchen

Seit 17 Jahren ist Martin Lucke Vorsitzender des Heimat- und Verschönerungsvereins Alchen, zuvor war er einige Jahre Stellvertreter. „Der Heimatverein ist wichtig für Alchen“, sagt er. Er verbessere die Lebensqualität der Menschen vor Ort. Durch das Unglück sei der Verein jedoch ins Trudeln geraten.

Bei der Explosion einer gasbetriebenen Gaspfanne kamen zwei Menschen ums Leben, eine 67-jährige Frau und ihre 31-jährige Tochter, 14 weitere wurden teils lebensgefährlich verletzt. Die beiden Verstorbenen und vier Schwerverletzte waren Mitarbeiter des Vereins, die an dem Tag des Festes ehrenamtlich halfen. „Gerade der Heimatverein wurde tief ins Mark getroffen“, sagt Martin Lucke.

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Von Steffen Schwab, Nicolas Stange, Rolf Hansmann

Dorfgemeinschaft in Alchen tief erschüttert

Die gesamte Dorfgemeinschaft sei tief erschüttert worden, erzählt Martin Lucke. „Die Menschen in Alchen haben Wochen und Monate damit zugebracht, die Ereignisse zu verarbeiten“. Bei der Bewältigung halfen zum einen Kirche, externe Psychologen und Berater. Zum anderen aber auch die starke Gemeinschaft und die Menschen in Alchen selbst.

Ich glaube es gibt niemanden in Alchen, der das was am 8. September passiert ist, jemals vergessen wird“, sagt Pfarrer Oliver Günther, der sich seelsorgerisch um die Christen in Alchen kümmert.

Schnell Hilfe suchen

Das Kreisklinikum Siegen habe ihn nach den jüngsten Berichten kontaktiert, sagt Martin Lucke. Die Traumastation stehe allen offen, die Hilfe bei der Bewältigung des Unglücks brauchen.

So gut es geht habe man versucht, nach einigen Monaten wieder zur Normalität zurückzukehren, sagt Martin Lucke. Auch der Verein nahm seine Arbeit wieder auf. Dabei habe aber stets die Ereignisse im Hinterkopf gehabt – und zusätzlich die Unsicherheit, was die Untersuchungen der Staatsanwaltschaft ergeben würden. Die Ermittlungen richteten sich dabei zunächst jedoch gegen Unbekannt. Dass nun gegen ein einzelnes Vorstandsmitglied ermittelt wird, habe den Verein „erschreckt und erschüttert“.

Staatsanwaltschaft Siegen ermittelt wegen fahrlässiger Tötung

„Für Alchen ist es ein Unglück ohne Schuldigen gewesen“, sagt Martin Lucke. „Es bringt keinem was, wenn jetzt ein Schuldiger gesucht wird“. Die Dorfgemeinschaft habe stets eng zusammengestanden, aus der Bevölkerung habe es keine Vorwürfe gegeben. Auch nach den neusten Entwicklungen nicht. Ganz im Gegenteil habe es viel Trost und Zuspruch gegeben. Trotzdem fürchtet Lucke, dass es nun zu Vorverurteilungen kommen könnte. „Man weiß ja, wie die Menschen ticken“. Außerdem würden „alte Wunden aufgerissen“, durch die „Bilder, die keiner mehr sehen möchte“. Besonders um die Hinterbliebenen macht sich Martin Lucke Sorgen, da auch für sie nun alles wieder hochgespült werde.

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Das Vorstandsmitglied, gegen das die Staatsanwaltschaft Siegen den Vorwurf wegen fahrlässiger Tötung erhebt, habe mit den Verstorbenen eng zusammengearbeitet bei vielen Projekten. Deshalb treffe der Vorwurf, verantwortlich zu sein, die Person schwer.

Rechtsstaat soll Gefühle der Menschen in Alchen berücksichtigen

Auch um den Heimatverein und andere auf ehrenamtliche Helfer angewiesene Institutionen sorgt sich Martin Lucke. Ehrenamtliche zu finden, sei ohnehin schon problematisch geworden. Die Bereitschaft, sich ehrenamtlich zu engagieren, ohne persönliche Vorteile, könne nun weiter leiden.

Das fürchtet auch Oliver Günther. „Unsere Gesellschaft und unsere Dörfer werden ärmer dadurch, wenn die die Verantwortung, die man trägt, zu groß wird“, sagt der Pfarrer.

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Dass das tragische Unglück nach den Gesetzen des Rechtsstaates untersucht und aufgearbeitet wird, findet Martin Lucke richtig. Doch er hätte sich von der Justiz insofern ein anderes Vorgehen gewünscht, dass sich die Dinge nicht so lange hinziehen. Auch der Rechtsstaat müsse die Gefühle der Menschen insgesamt berücksichtigen. Zum jetzigen Zeitpunkt sei es schwer nachzuvollziehen, dass eine einzelne Person für eine Kette unglücklicher Ereignisse haftbar gemacht werden soll, sagt Oliver Günther.

Bewältigung der Krise schweißt Alchen zusammen

Martin Lucke hofft, dass es nicht zu einer Anklage kommt. Doch schon die Ermittlungen stellen den Ort vor eine weitere Belastungsprobe. Doch Hoffnung, auch diese zu überstehen, schöpft Martin Lucke gerade auch aus den Erfahrungen nach dem Unglück. „Es hätte Alchen auseinander bringen können“, sagt er, doch „das gemeinsame Bewältigen der Krise hat Alchen zusammengeschweißt“.

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