Kreuztal. „Freitags grillen, samstags Sex“ ist nicht mehr: Jugendliche des Tanztheaters Kreuztal widmen sich mit „Muse“ der aktuellen Quarantäne-Situation.

Blauer Himmel, weiße Wolken. Die großen Bäume hinter der Weißen Villa in Dreslers Park spenden wohltuenden Schatten auf der grünen Wiese. Das Tanztheater Kreuztal führt „Muse“ auf, was übersetzt „grübeln“ heißt. Die Uraufführung war schon am Donnerstag im Lyz, doch ohne Publikum nur als Livestream zu erleben. Aber diesmal sind Zuschauer dabei und fast alle Bänke besetzt.

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Mit improvisierten, anmutigen Tanzbewegungen zur Musik von Nathan Lanier stellen sich alle gut 20 Jugendlichen vor. Doch zwei von ihnen sind nachdenklich. „Ich grüble“, sagt eine. Ein wilder Dialog schließt sich an. „Es hilft nichts. Seit Wochen sind wir eingesperrt.“ Und an dieser Stelle merkt das Publikum: „Muse“ ist brandaktuell, thematisiert die Quarantäne, die viele Menschen erdulden müssen und die vieles anders macht: „Freitags grillen, samstags Sex“ ist nicht mehr, auch Job, Mann, Hund, Auto sind infrage gestellt.

Tanztheater Kreuztal: Instagram-Sucht in der Corona-Pandemie wird aufgegriffen

Andere kurze Spielszenen beschreiben Kindheitserinnerungen, Langeweile, die durch Herumsitzen und Instagram-Sucht entsteht, und auch die Verschwörungsfantasien, die durch die Isolation der Menschen zusätzliche Nahrung erhalten: „Wir werden mit Chemie besprüht und sollen ausgetauscht werden. Alle Medien sind gekauft.“ Aber auch kluge Monologe, etwa zur Redewendung „Auf dem Teppich bleiben“, ziehen das Publikum in ihren Bann. Besonders beeindruckt die sprachliche Klarheit, mit der die jungen Darsteller ihre Texte bis in den letzten Winkel der großen Wiese transportieren.

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Doch im Mittelpunkt steht der darstellende Tanz, das Tanztheater. Variabel; von fließenden Bewegungen zu Balladen, Ausflügen in die Welt des Hip Hop und auch jeder Menge Artistik. Drei Wochen haben sie digital zu Hause geprobt, drei Wochen in der Dreifachhalle. Das Ensemble nutzt alles, was die Architektur der Weißen Villa bietet: Die große Terrasse, die breite Treppe, die hinunter zum Hauptschauplatz, der gepflasterten Ebene, führt. Über einen stetigen Wechsel zwischen Soli, Duetten und Kleingruppen steigert sich das tänzerische Geschehen zu einem tempostarken Ende, bei dem dann alle beteiligt sind.

Britta Papp und Lars Dettmer, zuständig für Tanz- und Spielszenen.
Britta Papp und Lars Dettmer, zuständig für Tanz- und Spielszenen. © Wolfgang Leipold | Wolfgang Leipold

Online-Auftritt im Lyz

In der Begeisterung des Publikums schwingt auch Dankbarkeit mit, dass die Verantwortlichen für das Programm – die jungen Tänzerinnen und Tänzer, Britta Papp, die die Tanzszenen und Lars Dettmer, der die Spielszenen einstudierte – zusammen mit Kreuztal Kultur einen solchen Nachmittag ermöglicht haben.

„Obwohl wir während und nach dem Lyz-Auftritt fast 3000 Aufrufe und über 1000 Youtube-Klicks hatten: Das war heute eine völlig andere Atmosphäre“, sagen Britta Papp und Lars Dettmer, „wir fühlten uns privilegiert, vor Publikum auf der Bühne zu stehen.“

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