Kreuztal. Kreuztal finanziert mit der Gemeinschaftspraxis „familydocs“ ein Modell gegen den Ärztemangel. Kann sie so eine bedrohliche Entwicklung stoppen?

Das Verhältnis Hausarzt pro Einwohner in Kreuztal ist niedrig. Im Kreis Siegen-Wittgenstein belegt die Stadt, was den Versorgungsgrad angeht, den letzten Platz, wie aus einer Berechnung der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) hervorgeht. Lag die Quote vor fünf Jahren noch bei 94 Prozent, liege sie nun knapp unter 75 Prozent, sagt Dr. Dr. Charles Christian Adarkwah, Inhaber der Kreuztaler Gemeinschaftspraxis „familydocs“ und Vorreiter für zukunftsfähige medizinische Versorgung auf dem Land. Sieben von rund zwanzig Sitzen von Hausärzten in Kreuztal seien derzeit unbesetzt.

Um diese Entwicklung aufzuhalten, unterstützt die Stadt nun die von ihm und Mediziner Klaus Mertens gegründeten Gemeinschaftspraxen in Krombach und Fellinghausen.

Kreuztal finanziert Gemeinschaftspraxis „familydocs“ in Krombach und Fellinghausen

In zwei von der Stadt finanzierten Elektroautos können die sogenannten Entlastenden Versorgungsassistentinnen der Praxis nun Hausbesuche bei den Patienten erledigen. Außerdem kommt die Stadt dem Ärzteteam mit einer Staffelung der Miete für das Gebäude in der Fellinghausener Straße entgegen. Sie hatte die Immobilie erworben, nachdem der dort praktizierende Arzt Dr. Horst Wiedenhaupt im Sommer 2019 in den Ruhestand ging. Für die technische Vernetzung der dezentralen Filialstrukturen erhält die Gemeinschaftspraxis einen Zuschuss. Insgesamt liegt die Summe im hohen fünfstelligen Bereich, sagt wie Bürgermeister Walter Kiß.

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Vor dem Hintergrund der zumindest nicht dauerhaft gesicherten hausärztlichen Versorgung in Kreuztal habe man sich für eine Subventionierung in der Anfangszeit entschieden, so Kiß weiter. Doch in erster Linie sei dies Aufgabe der Kassenärztlichen Vereinigung, „um aber für die Kreuztaler Bürgerinnen und Bürger eine gute medizinische Versorgung zu gewährleisten, ergreift die Stadt selbst die Initiative“. Mit der Übernahme der Praxis Wiedenhaupt habe er erlebt, wie zukunftsfähig und erweiterbar das Modell sei, so Kiß.

Ärztemangel: „familydocs“ Kreuztal wollen junge Mediziner mit Teilzeitmodellen locken

Denn häufig finde sich im ländlichen Raum kein Nachfolger, so Klaus Mertens. Einige aktive Mediziner in Kreuztal seien älter als 60 Jahre oder bereits im Rentenalter. Den Nachwuchs ziehe es eher in die größeren Städte. Seit mehr als zwanzig Jahren arbeitet er nun als Hausarzt in Kreuztal. In ihren Praxen von „familydocs“ wollen er und Charles Christian Adarkwah junge Medizinier mit Teilzeitmodellen für die angestellten Ärzte und weniger bürokratischem Aufwand nach Kreuztal locken. „Unser Ziel ist es, diesen Mangel mit Nachwuchsmedizinern ein Stück weit zu kompensieren“, betont Charles Christian Adarkwah, „dass wir keinem Patienten sagen müssen, tut mir leid, wir können dich nicht behandeln.“ In der Praxis arbeiten neben den Inhabern derzeit fünf angestellte Ärzte.

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Dass der Bedarf nach neuem Nachwuchs groß ist, zeigt ein weiterer Härtetest: Nachdem Dr. Dan Simonetti seine Praxis in Buschhütten kurzfristig schließen musste, konnte das Ärzteteam von „familydocs“ die Patientendaten mit den Befunden vor dem endgültigen Verschwinden retten. Die Behandlung übernimmt die Praxis in Fellinghausen. „Jeder Patient weiß, die Befunde sind sicher und ob er bei uns bleibt, darf er selbst entscheiden“, sagt Klaus Mertens. Drei Minuten dauere die Fahrt mit dem Auto von Buschhütten nach Fellinghausen über die HTS, der Bürgerbus sei eine Alternative. Um ältere Patienten könnten sich nun die zwei Entlastenden Versorgungsassistentinnen kümmern – eine alternative Form der Behandlung und Entlastung für den Alltag in der Praxis.

Betrieb wird erweitert

Der Standort Fellinghausen der Gemeinschaftspraxis „familydocs“ wird derzeit umgebaut. Im Obergeschoss des Gebäudes an der Fellinghausener Straße soll ein zweiter Praxisraum entstehen.

Ein dritter Standort ist am ehemaligen Klinikum Kredenbach geplant.

Denn mittelfristig drohen in Kreuztal weitere Schließungen. Bei dieser Herausforderung zeigt sich das Ärzteteam von „familydocs“ zuversichtlich: Sie wollen eine wohnortnahe hausärztliche Versorgung weiter sichern.