Krombach/Fellinghausen. Die hausärztliche Versorgung in Kreuztal ist kritisch. Die jüngsten Mediziner packen an – und entwickeln ein Praxismodell mit Vorbildcharakter.

Die Mehrheit der Kreuztaler Hausärzte ist älter als 60 Jahre und geht bald in Rente. Doch mit Schließungen von Praxen drohen weite Wege für Patienten und eine Unterversorgung. Dieses Problems haben sich Klaus Mertens (58) und sein Kollege Dr. Dr. med. Charles Christian Adarkwah (36) von der Praxis „familydocs“ angenommen und ein Konzept geschaffen, um es zu lösen. Die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) lobt das Engagement und hofft auf Nachahmer in der Region.

Wie genau sieht das Konzept aus und was ist daran besonders?

Seit rund 20 Jahren arbeitet Klaus Mertens in Krombach als Hausarzt – zunächst allein. Doch: „Ich habe bereits früh darüber nachgedacht, wer das hier übernehmen könnte“, sagt Klaus Mertens. Seit 2014 teilt er sich deshalb die Praxis mit Charles C. Adarkwah. „Jeder gibt etwas ab und dann gewinnt man etwas Neues“, sagt Mertens. Als die beiden Mediziner hörten, dass Dr. Horst Wiedenhaupt in Fellinghausen keinen Nachfolger für seine Praxis findet, überlegten sich die beiden einen Plan. Sie übernehmen 2016 die Praxis als Filialpraxis und stellten Horst Wiedenhaupt und sein Team ein. Dafür erhielten sie von der KVWL Unterstützung.

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Der Vorteil: „Dadurch kann Horst Wiedenhaupt sich auf die Patientenversorgung konzentrieren und wird entlastet“, erklärt Adarkwah. Die Leitung und die damit verbundene Bürokratie fallen für den Kollegen weg und die Patienten haben weiterhin eine Praxis vor Ort. Eine Win-Win-Situation.

Wie funktioniert der Ablauf?

Die Praxen sind innerhalb einer Übergangsphase zusammengewachsen – technisch und menschlich. Die Patientendaten sind für die Ärzte an beiden Standorten abrufbar. Die Bindung an einen Arzt ist nicht nötig. Dennoch: „Die persönliche Beziehung spielt eine Rolle“, sagt Adarkwah. Durch den Zusammenschluss könne man ein erweitertes Angebot bereitsstellen.

Neben den Inhabern Mertens und Adarkwah gibt es drei Fachärzte und zwei Ärzte in Weiterbildung. Die Arbeitszeiten sind flexibel. „Wir haben nahezu durchgängig geöffnet“, sagt Charles Adarkwah. Dadurch seien auch Teilzeitmodelle gut umsetzbar, genauso wie Urlaubsvertretungen. Die dreijährige Übergangsphase läuft im Sommer aus, wenn Dr. Wiedenhaupt in Rente geht. Ein junger Kollege tritt an seine Stelle.

Wieso machen das so wenige Ärzte?

„Man muss sich weiterentwickeln“, sagt Klaus Mertens. Viele Kollegen würden an alten Strukturen festhalten und darauf spekulieren, die Praxis meistbietend zu verkaufen. Doch oft finde sich kein Interessent – und Patienten stehen ohne Arzt da.

Wie lockt die Praxis Nachwuchs in die Region?

Die Praxis will durch ihr Konzept, das Zeitmodell und flexible Lösungen trumpfen. Sie ist Lehrpraxis der Universität Marburg. Zudem engagiert sich Dr. Adarkwah an der Uni Siegen in puncto Medizinerausbildung in Kooperation mit der Uni Bonn. Mertens und Adarkwah bieten Schülern und Studenten Hospitanzen an – mittlerweile mit Warteliste. „Wir wollen zeigen, dass Allgemeinmedizin ein geiles Fach ist“, so Adarkwah. „Es spricht sich herum, dass wir innovativ und locker sind“, so Mertens.

Wie kommt das bei Patienten an?

Die Ärzte berichten von einer großen Dankbarkeit dafür, dass die Zukunft der Praxen gesichert ist. „Es gab keinen harten Schnitt. Wir haben darauf geachtet, eine elegante Lösung zu finden“, so Mertens. Die Übergangsphase von drei Jahren sei dafür ideal.

Welche Wünsche gibt es für die Zukunft?

„Wir sind auf Wachstumskurs“, sagt Adarkwah. Er und sein Kollege wollen die Versorgung in Kreuztal und darüber hinaus sicherstellen und haben deshalb auch einen Qualitätszirkel mit Kollegen ins Leben gerufen. „Ich wünsche mir, dass ältere Kollegen ein Gefühl für die Ernsthaftigkeit der Situation entwickeln“, sagt Adarkwah.