Siegen-Wittgenstein. Familien in Siegen-Wittgenstein sollen kostenlos mit Bus und Bahn fahren können. Der Weg dorthin ist nicht ganz unkompliziert.
Das kostenfreie Familienticket für den öffentlichen Nahverkehr kommt so bald nicht. Der 1. Januar 2021 könnte nun ein Einführungstermin für die Fahrkarte sein, die Eltern, Alleinerziehenden und anderen Erziehungsberechtigten mit Kindern im Vorschul. und Schulalter zur Verfügung gestellt werden soll.
Die Idee stammt aus dem vorigen Sommer, als die Diskussion über die Zukunft des öffentlichen Nahverkehrs Fahrt aufnahm. Auslöser waren die massenhaften Ausfälle von Busverbindungen, die durch Krankheitswellen und Fahrermangel verursacht waren. Folge war ein „Baustellenfahrplan“ mit reduziertem Angebot über mehrere Monate. Darauf baute eine Debatte über die mögliche Rekommunalisierung des Nahverkehrs auf, der im Busbereich von den Verkehrsbetrieben Westfalen-Süd (VWS) derzeit eigenwirtschaftlich, also ohne öffentliche Finanzierung, betrieben wird. Dazu und zu anderen Fragen hat der Kreistag im September 2019 ein Gutachten in Auftrag gegeben.
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Kreis will öffentlichen Nahverkehr stärken
Das Familienticket, das der Kreis bei den Verkehrsbetrieben kaufen und kostenlos an die Fahrgäste abgeben würde, wäre eine weitere Möglichkeit, den VWS zu zusätzlichen Einnahmen zu verhelfen, ohne das Finanzierungssystem zu wechseln – sprich: die gewünschten Busverbindungen auszuschreiben, ein Verkehrsunternehmen zu beauftragen und aus dem Kreishaushalt zu bezahlen.
Nach demselben Prinzip funktioniert auch schon das Schülerticket. Ebenfalls subventioniert sind die MobilCard für Menschen mit geringem Einkommen und die Azubi-Tickets. Bereits gemeinwirtschaftlich fahren die Nachtbusse und in Zukunft auch die neu geplanten Schnellbusse - dafür bekommen die Busunternehmen Geld direkt vom Kreis.
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Familienticket bringt auch Einnahmenverluste
Die „Stärkung des ÖPNV“ durch das Familienticket wird in der Vorlage für den Verkehrsausschuss des Kreistags als eines der Ziele genannt – neben einem „umwelt.- und strukturpolitischen Ansatz“ und einer „familienpolitischen Komponente“.
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In den Verhandlungen mit der Verkehrsgemeinschaft Westfalen-Süd, in der auch die Bahnunternehmen vertreten sind, ging es um die Kosten. Dabei spielte auch der „Kannibalisierungseffekt“ eine Rolle, also verloren gehende bisherige Fahrgeldeinnahmen von Fahrgästen, die künftig kostenlos fahren. 2,5 Millionen Euro hat der Kreis Siegen-Wittgenstein im Etat 2020 für das Familienticket vorgesehen.
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Start war eigentlich zum 1. August vorgesehen
Auf eine bloße Verabredung mit den Kreisen wollten sich die VWS nicht einlassen. Sie haben den Erlass einer „Allgemeinen Vorschrift“ verlangt, in der das Familienticket als Leistung der öffentlichen Hand festgeschrieben wird. Damit ist auch eine Verordnung der EU berührt.
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Die Einführung des Familienticket sei nun „mit erheblichem Aufwand verbunden“, heißt es in der Vorlage für den Verkehrsausschuss. Eine „fachliche erfahrene Anwaltskanzlei“ begleite nun das Verfahren, in das auch die Deutsche Bahn und der Nahverkehr Westfalen-Lippe eingebunden werden. Wenn der Kreistag in seiner September-Sitzung entscheidet, würde im Oktober das etwa drei Monate dauernde Tarif-Genehmigungsverfahren beginnen. Ursprünglich sollte das Familienticket zum 1. August 2020 starten.
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