Siegen. Siegener Senioren, die einsam und nicht mehr mobil sind, können ab sich ab sofort in einer Rikscha durch die Stadt fahren lassen.

Mit Rikschafahrten möchte die Initiative „Radeln ohne Alter“ isolierte und eingeschränkte Menschen in Siegen glücklicher machen, indem sie ihnen ein Stück Bewegungsfreiheit und soziale Kontakte ermöglicht. Das Motto des weltweiten Projekts lautet: „Jeder hat ein Recht auf Wind im Haar“. Die erste Rikscha ist nun in Siegen angekommen.

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Idee kommt aus Kopenhagen nach Siegen

Senioren, die sich einsam fühlen und nicht mehr selbstständig am Verkehr teilnehmen können, sollen mithilfe der Rikscha wieder Ausflüge erleben und den Fahrtwind spüren. Außerdem sollen sie miteinander - in der Rikscha können bewusst zwei Passagiere Platz finden - und mit den ehrenamtlichen Piloten ins Gespräch kommen. Im optimalen Fall nehmen sie die Rolle eines „Reiseleiters“ ein, erinnern sich an Erlebnisse an den befahrenen Orten und erzählen davon.

In 29 Städten in Deutschland läuft das Projekt bereits – Siegen noch nicht mitgerechnet. Die Idee stammt aus Dänemark, genauer gesagt aus Kopenhagen. Ein gewisser Ole Kassow habe den Trend im wahrsten Sinne des Wortes losgetreten, als er mit einem alten Lastenrad ältere Menschen durch die Stadt fuhr, berichtet Klaus Reifenrath, verantwortlich für die Initiative in Siegen innerhalb des Vereins Alter Aktiv. Mittlerweile gebe es auch Studien, die die positive Wirkung der Rikschafahrten belegen, so Reifenrath.

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Bürgerstiftung Siegen bezahlt 10.700 Euro für Rikscha

Er selbst sah die Rikschafahrten in verschiedenen deutschen Städten, unter anderem in Bonn und Berlin. Sofort war ihm klar, dass er dieses Konzept auch in Siegen umsetzen wollte. Interessenten und engagierte Mitstreiter fand er schnell, für die Anschaffung der Rikscha, die immerhin 10.700 Euro kostet, war aber finanzielle Starthilfe nötig.

Die kam von der Bürgerstiftung Siegen. „Das Projekt hat uns sofort überzeugt“, sagt die Vorstandsvorsitzende Brigitte Ross-Henrich. Die Idee passe perfekt zum Motto der Stiftung: „Von Bürgern für Bürger“. Bei der ersten Siegener Rikscha handelt es sich um das Modell „Chat“ der niederländischen Firma van Raam. Die Sitze sollen sowohl sehr bequem sein als auch ein Gefühl von Sicherheit vermitteln. Es gibt Sitzgurte und eine flexible Haube als Schutz vor Wind, Regen und Sonne, der Einstieg ist barrierefrei. Das Fahrrad ist ein E-Bike, mit zwei Akkus hat die Rikscha eine Reichweite von 60 Kilometern. „Wir möchten mindestens drei Rikschas in Siegen auf die Straße bringen“, sagt Klaus Reifenrath.

Ehemalige Trainerin der Sportfreunde Siegen ist Pilotin

Neun Piloten stehen in den Startlöchern, alle durch den Verein geschult im Umgang mit der Rikscha – und mit den Senioren. Eine von ihnen ist Manuela Frettlöh, die ehemalige Trainerin der Frauenmannschaft der Sportfreunde Siegen. Sie kenne Klaus Reifenrath schon seit mehr als 20 Jahren, verfolge und bewundere seine Arbeit. Als er sie fragte, ob sie sich vorstellen könne, die Rikscha zu fahren, habe sie sofort zugesagt.

„Als Sportlerin fahre ich von Haus aus gerne Fahrrad. Das ist eine tolle Möglichkeit, das eigene Hobby mit sozialem Engagement zu verbinden“, sagt Frettlöh. Sie hofft, auch andere Frauen zu motivieren, das Projekt als Pilotin zu unterstützen, denn diese werden noch gesucht. Das zusätzliche Gewicht am Lenker und die elektrische Starthilfe seien die größten Unterschiede, ansonsten fahre sich die Rikscha wie ein normales E-Bike, erzählt Frettlöh nach der ersten Probefahrt mit einem Gast.

Heimbewohner noch durch Corona ausgebremst

Vorne hat Beatrix Dango von der Bürgerstiftung Platz genommen. „Ein richtig gutes Gefühl“, beschreibt sie das Fahrerlebnis. „Ich glaube, die Leute werden richtig viel Spaß haben“. Es sei schon ein kleines Abenteuer, vorne direkt auf Hindernisse und andere Verkehrsteilnehmer zuzufahren und auch Unebenheiten im Boden bekomme man zu spüren, trotzdem fühle man sich sicher. „Ein Stück Freiheit erleben“, könne man bei der Fahrt.

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Ganz genau möchte Reifenrath die Zielgruppe nicht definieren. Er habe schon Anfragen für Hochzeitsfahrten bekommen, doch das sieht er ausdrücklich nicht als Aufgabe des Projekts. Privatpersonen können die Fahrten buchen genau wie Seniorenheime und Pflegeeinrichtungen. Letztere dürfen ihrer Bewohner in der Coronazeit noch nicht fahren lassen, ansonsten könne das Angebot von jetzt an genutzt werden. Zunächst jedoch nur von Einzelpersonen oder Menschen aus einem Haushalt, erklärt Reifenrath – „Anderthalb Meter Abstand sind bei 1,10 Meter Sitzfläche einfach nicht möglich.“

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