Siegen. In Siegen wurde im Dezember 2018 eine 64-Jährige überfallen und beraubt. Zwei Wachmänner des Siegener Weihnachtsmarkts konnten ihr zu Hilfe eilen

Sie wollte wie immer zur Arbeit fahren an diesem Morgen im Winter, berichtet die Zeugin im Schöffengericht. „Den Bus gegen halb fünf“ habe sie bekommen wollen. Kurz vor dem Kölner Tor nahm die 64-Jährige am 18. Dezember 2018 einen jungen Mann hinter sich wahr, dann wurde plötzlich an ihrer Handtasche gerissen. Der Täter N. sitzt seither in Untersuchungshaft und nun auf dem Anklagestuhl in Saal 083 des Siegener Amtsgerichts. Der Vorwurf: Raub.

„Er hat gezogen und gezogen“, berichtet die Frau weiter. Sie habe aber nicht losgelassen, bis sie durch das Ziehen und Reißen zu Boden ging, und der Mann, dessen Gesicht sie nicht sehen konnte, mit der Tasche davonlief. „Handy, Papiere und Portemonnaie“ seien unter anderem darin gewesen. Nicht wenig Geld, weil sie am Nachmittag noch einiges besorgen wollte. Erwischt hatte der Täter auch noch eine Jutetasche, in der unter anderem ein Schirm steckte.

Wachmänner vom Siegener Weihnachtsmarkt stellen Täter

„Ich habe laut gebrüllt, um Hilfe gerufen“, sagt die Zeugin. Das Rufen hörten zwei Security-Männer, die gerade kurz vor dem Ende ihrer Nachtschicht auf dem Siegener Weihnachtsmarkt waren. Sie eilten herbei, bekamen eine kurze Beschreibung des Flüchtigen und folgten ihm in Richtung Obergraben. „In Höhe von Radio Siegen“ sei dann der Angeklagte aus einem Hauseingang getreten und habe sich „ungewöhnlich verhalten“.

N. „hob sofort die Hände. Ich hatte direkt seinen Ausweis in der Hand, obwohl ich gar nicht danach gefragt habe“, erinnert sich einer der Wachmänner. Es seien sogar zwei Ausweise gewesen“, ergänzt sein Kollege, „wir hatten jeder einen“. Alkoholgeruch wollen beide Männer nicht wahrgenommen haben, aber Drogen haben sie schon vermutet. Getorkelt soll N. nach der Aussage des Opfers nicht haben. Der Angeklagte hat nur eine sehr eingeschränkte Erinnerung an das Geschehen.

Täter in Siegen „nur zu Besuch“

„Ich habe die Frau bestohlen“, lässt der 28-jährige Marokkaner per Dolmetscher allerdings erklären, das gesamte Drumherum weiß er nicht mehr. Nicht einmal, dass er von den Wachmännern gestellt und dann von der Polizei verhaftet worden ist. „Ich bin aufgewacht und merkte dann, ich bin bei der Polizei“, sagt er. N. kann sich nicht recht vorstellen, warum er die Frau überfallen hat: „Das ist das erste Mal, dass ich mit so etwas zu tun habe!“ Er habe wohl einfach ein wenig herumlaufen wollen. Das Geld könne es nicht gewesen sein, „ich war zehn Jahre in Italien und habe immer gearbeitet.“

Er sei in Siegen auch nur zu Besuch gewesen, wollte wieder nach Hause ins Nachbarland zurück. Mit einem Freund will er zwei Flaschen Wodka geleert haben. Auf der Wache wurde ein Durchschnittswert von 1,65 Promille gemessen, dazu wurden Spuren von Kokain und Medikamenten festgestellt. „Trinken Sie häufig“, möchte Staatsanwältin Tabea Schneider wissen. „Unregelmäßig“, antwortet der Angeklagte. Die überfallene Frau hat ihre Wertsachen zurückbekommen. Die Tasche selbst sei noch in Gewahrsam.

Verschiebung wegen Coronakrise

Körperlich hat sie den Vorfall ziemlich gut überstanden: „Ich hatte eine Macke am Finger und Schmerzen im Bereich Schulter und Brust.“ Die Fleischereifachverkäuferin ließ sich nicht krankschreiben, arbeitete normal weiter. Vor Weihnachten sei doch viel zu tun gewesen. Ganz ohne Folgen ist die Tat aber dennoch nicht geblieben. „Mir ist schon mulmig, wenn ich morgens auf die Straße gehe. Ich habe jetzt immer einen Schirm dabei, damit ich mich wehren kann“, betont die Frau.

Außerdem fahre ihr Sohn sie seit dem Vorfall jeden Morgen zur Arbeit. „Haben Sie Angst“, will die Staatsanwältin wissen. „Er auch um mich“, lächelt die Zeugin. Das meiste steht damit fest. Amtsrichter Uwe Stark hat aber noch einige Polizisten für den zweiten Verhandlungstag in 14 Tagen geladen. Durch die Corona-Pandemie habe sich da einiges verschoben, sagt er. Deshalb gibt es an diesem Tag noch kein Urteil.

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