Siegen. Für Gaststätten und Restaurants ist es schon Viertel nach 12, warnen die Wirte mit ihrer Freitags-Demo vor dem Unteren Schloss in Siegen.

„Bitte Lächeln“, ruft einer der anwesenden Fotografen. „Mit Maske auch sehr gut zu sehen“, kommt die leicht gequälte Reaktion aus den Reihen der anwesenden Gastronomen. „Eigentlich wollen wir gar nicht lächeln. Wir sind ja traurig“, fügt Lars Martin an, dem der Ernst dieser Aussage trotz der Mund- und Nasenbedeckung deutlich anzumerken ist.

Der stellvertretende Hauptgeschäftsführer des DEHOGA Westfalen ist am 1. Mai aus Bochum nach Siegen gekommen, um die heimischen Kollegen bei ihrer „Leere-Stühle“-Aktion zu unterstützen. 22 Unternehmen sind auf dem Platz vor dem Unteren Schloss vertreten, in Anlehnung an eine Mahnwache, wie sie erstmals am vorletzten Freitag in Dresden abgehalten wurde. Es gehe darum, „die Leere von Restaurants und Hotelbetten, aber auch die Leere, die Unternehmer und Beschäftigte spüren“, nach außen zu tragen, hatte der Mann vom Deutschen Hotel- und Gaststättenverband in seiner Email-Einladung geschrieben.

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Enttäuscht von ausbleibendem Hoffnungsdatum

Er sieht die Lage der Branche aktuell „Viertel nach 12“ und zeigt sich vor Ort enttäuscht, „dass gestern wieder einmal nichts für uns herausgekommen ist“. Nicht einmal der 6. Mai stehe den Gastronomen nach dem Spitzengespräch von Bundeskanzlerin und Ministerpräsidenten als Hoffnungsdatum zur Verfügung, „wir sind noch eine Woche weiter vertröstet worden“.

Jede Woche am Freitag soll bundesweit auf die Situation der Betriebe aufmerksam gemacht worden, von denen viele höchstens „noch gut 20 Tage durchhalten“ könnten, zitiert Lars Martin eine Einschätzung der vergangenen Woche. Danach werde es wirklich kritisch. Daher ist er dankbar, dass die Stadt Siegen und die Polizei sehr kooperativ bei der Genehmigung der „Demo ohne Teilnehmer“ gewesen seien, „in anderen Städten ist oft nur eine digitale Aktion möglich“. Ursprünglich seien als Orte auch der Scheinerplatz vor dem Apollo-Theater oder der Kornmarkt vor dem Rathaus angedacht gewesen. Aber das Untere Schloss als Kulisse findet Martin gut.

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Publikumsverkehr soll es gar nicht geben, die Aktion ist nur mit begrenzter Teilnehmerzahl und mit Maskenpflicht auch unter freiem Himmel genehmigt worden. Hier sind die Stühle aus den 22 Unternehmen aufgestellt worden, die sehr gut auch die Bandbreite des Angebotes vor Ort repräsentierten: „Vom Lieferservice bis zum gehobenen Restaurant, eigentlich alles dabei“, fügt Martin an und verweist noch darauf, dass die Teilnehmer ihre eigenen Stühle mitgebracht hätten, die ebenfalls die Vielfalt zeigten: „Wir hätten auch in der Siegerlandhalle fragen oder alles hier aus der ‚Brasserie’ holen können.“

Abhol- und Lieferservice ist keine Alternative

Das Schlimmste in der aktuellen Lage sei der Schwebezustand. Niemand wisse, wann geöffnet werde, erinnert Lars Martin an den Drei-Punkte-Plan, der nun unter anderem vom Land NRW vorgeschlagen worden sei. Erst Museen, Zoos und einige andere, danach die Gastronomie. Aber selbst dann, wenn es in 14 Tagen zu einem Gespräch über die Branche komme, bedeute das noch lange keine sofortige Öffnung und keine Klarheit, wie diese genau aussehen könne.

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Die zwischenzeitliche Konzentration auf „Abholen und Liefern“ sieht der DEHOGA-Vertreter eher als Aktion zur Kundenbindung denn als wirkliche Hilfe. Der eine oder andere könne damit vielleicht über die Runden kommen. Für die meisten bedeute es hingegen großen Aufwand, „alles wieder anzufahren, Personal aus der Kurzarbeit holen, Kühlhäuser zu aktivieren“. Ohne wirklich dauerhaften Gewinn. Auch viele Kunden müssten auf das Geld schauen und würden dies in schwierigen Zeiten und bei eigener Kurzarbeit nicht unbedingt in die Restaurants bringen: „Das hat sich schon in der Finanzkrise gezeigt.“

Auszubildende in besonders prekärer Lage

Thomas Kahmer, Betreiber des Siegener Hotels Siegboot und zugleich der DEHOGA-Kreisvorsitzende, macht bei dieser Gelegenheit auf die Auszubildenden aufmerksam. Die Branche leide ohnehin unter Nachwuchsmangel. Nun gerieten auch jene jungen Menschen in Probleme, die noch willig seien, weil Kurzarbeitergeld bei ihnen erst nach sechs Wochen gezahlt werde. Kahmer und Martin wünschen sich da eine Initiative der Landesregierung nach Vorbild des Freistaates Sachsen, „der diese ersten sechs Wochen übernimmt“.

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