Siegen/Freudenberg. Reisewarnung, Stornierung, fehlende Einnahmen: In der Corona-Krise schlägt die Siegerländer Reisebranche Alarm. Vielen Reisebüros droht das Aus.
Fehlende Einnahmen wegen Reisebeschränkungen und vollständige Rückzahlung bei Stornierungen: die heimische Reisebranche schlägt Alarm.
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Denn für viele kleinere Reisebüros und Reiseveranstalter aus dem Sieger- und Sauerland ist die Situation in der Corona-Krise existenzbedrohend, wie aus einem Offenen Brief von rund 30 Reiseunternehmen aus dem Kreis Siegen-Wittgenstein und dem Kreis Olpe hervorgeht. In ihrem Appell an Bundes- und Landtagsabgeordnete aus der Region bitten die Betriebe um politische Unterstützung und Lösungen in Form von finanzieller Hilfe.
Reisewarnung: Reisebüros müssen stornierte Reise vollständig zurückzahlen
„98 Prozent unserer Arbeit ist rückläufig“, erklärt Katja Schwarzer, Mitarbeiter in Connys Reise Ecke in Siegen. Zusammen mit Cornelia Fries hat sie den Offenen Brief an die Abgeordneten unterzeichnet. „Wir haben geöffnet, können aber keine Reisen verkaufen“, sagt Katja Schwarzer. Im Kundenservice seien sie jedoch weiterhin zu erreichen. Die Arbeit leisten sie jedoch unentgeltlich: die Kunden stornieren ihre Reisen, die Provisionen fallen weg und die Einnahmen bleiben aus. Die Reiseveranstalter sind verpflichtet, die Erstattung betroffener Kundenzahlung vollständig zurückzuzahlen.
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Für die Reisebüros ist das existenzbedrohend, denn finanzielle Rücklagen können die Kleinunternehmen in der Regel nicht bilden. „Viele dieser Betriebe stehen ganz schnell mit dem Rücken zur Wand und kämpfen schon in kürzester Zeit um das nackte Überleben“, sagt IHK-Geschäftsführer Hans-Peter Langer. Mehr als 120 Unternehmen in der Reisebranche sind in Siegen-Wittgenstein und Olpe gemeldet. Bei der Bereitstellung von Liquidität ist besondere Eile geboten, wie Hans-Peter Langer fordert.
Bietet sich ein Reisegutschein als Lösung an?
Um kleinere Reisebüros finanziell abzusichern, schlägt der Bundesverband „Allianz Selbstständiger Reiseunternehmer“ eine verpflichtende Gutscheinlösung vor. Die angezahlte Reise werde in dem Fall dem Kunden in Form eines Gutscheins für das kommende Jahr gutgeschrieben. In Connys Reise Ecke in Siegen ließen sich derzeit nur wenige Kunden auf die Gutscheinlösung ein, berichtet Katja Schwarzer. Der Kunde erhalte dann die Anzahlung für die Reise – in der Regel 20 Prozent des Preises – als Guthaben zurück. „Das Geld bleibt dann anteilig bei uns im Unternehmen und dem Reiseveranstalter“, sagt sie.
Es sei jedoch unklar, ob und wie die bezahlten touristischen Leistungsträger die Krise überstehen, sagt Nico Ginsberg, Geschäftsführer von Ruck Zuck Urlaub in Freudenberg. Für den Reiseveranstalter sind Flugtickets ein besonderes Thema. Bucht er die für die Reise des Kunden, müsse er in der Regel in Vorkasse gehen. „Geld bekommen wir erst, wenn der Kunde in den Flieger steigt“, so Nico Ginsberg.
Bundesverband ASR fordert Reiserettungsfond für Tourismusunternehmen
Bei einer Stornierung bekomme er von der Fluggesellschaft nur einen Gutschein für das Ticket, die Rückerstattung an den Kunden muss er als Reiseveranstalter jedoch vollständig zahlen. „Das ist das Dilemma, in dem wir stecken.“ Er gehe davon aus, dass es auch bei Leistungsträgern wie Agenturen, Konzerthäusern und Fluggesellschaften vermehrt zu Insolvenzen kommen werde. „Dies würde für viele Reisebüros und Reiseveranstalter in kürzester Zeit das Aus bedeuten.“
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Deshalb fordert der Bundesverband Allianz Selbstständiger Reiseunternehmer in einem zweiten Lösungsvorschlag, die Rückzahlungen an Kunden in einen Reiserettungsfonds auszulagern, den die Bundesregierung als Schuldner übernimmt. Den Tourismusunternehmen sollen ein langes Zahlungsziel und Zahlungskonditionen eingeräumt werden, die ausgelagerte Summe zurückzuzahlen.
Bundeskabinett verlängert Reisewarnung bis mindestens Mitte Juni
Die Aussichten für Reiseunternehmen bleiben jedoch schlecht: Eine Verlängerung der weltweiten Reisewarnung bis mindestens Mitte Juni hat das Bundeskabinett am Mittwoch beschlossen. Wer zum Beispiel über Pfingsten eine Auslandsreise gebucht hat, kann diese jetzt stornieren und sich auf die Reisewarnung berufen. Auf Vorschlag des Auswärtigen Amts soll vor dem 14. Juni die Lage in enger Absprache mit den europäischen Nachbarländern neu bewertet werden. Ob in den Sommerferien, die in Nordrhein-Westfalen Ende Juni beginnen, ein Auslandsurlaub möglich sein wird, ist damit noch offen.
Nico Ginsberg kann auf weitere Entscheidungen nicht warten. Als Geschäftsführer hat er keinen Anspruch auf Kurzarbeitergeld. Am Montag beginnt er einen Nebenjob in der Autobranche.
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