Siegen. Den Anfang mit ihrem Siegener Lokal „Schloss Stüberl“ hat sich Ehepaar Rzimski anders vorgestellt. Statt durchzustarten, droht nun die Insolvenz.

Selten verschlägt es Horst Rzimski die Sprache. Offen und direkt sei er, wie der Gastwirt sagt. Auf seine „Ruhrpott-Schnauze“ ist er stolz. Doch die aktuelle Situation hat auch den gebürtigen Essener ins Grübeln gebracht.

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Vor rund fünf Wochen musste der neue Besitzer des Gasthofs „Schloss Stüberl“ am Oberen Schloss in Siegen sein Lokal schließen. „Wir sind ein Ausflugslokal, wenn alles zu ist, dann ist auch bei uns nicht viel los“, sagt der gelernte Koch. Sollten sich die Einschränkungen für Gastronomen nicht bis Ende Mai lockern, dann drohe dem Wirtshaus die Insolvenz, fürchtet Horst Rzimski.

Den hohen Investitionen in das Siegener Wirtshaus „Schloss Stüberl“ folgt Corona

Dabei hat er das „Schloss Stüberl“ erst vor rund neun Monaten, im Juli 2019, mit seiner Frau Angela wiedereröffnet. Eine hohe fünfstellig Summe investierte das Ehepaar in das Wirtshaus: „Wir wollten durchstarten“, erzählt der Gastwirt.

Der schlechte Ruf des Lokals, den der Vorgänger hinterließ, schreckte das Ehepaar nicht ab. „Wir mussten viel Vertrauen bei den Gästen aufbauen“, erzählt Angela Rzimski. Am Anfang sei der Gasthof bereits um 21 Uhr leer gewesen, nun bestellten die Gäste ein Bier mehr und blieben länger sitzen. Doch mit den Einschränkungen falle es schwer, in Siegen anzukommen.

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Auf die von der Landesregierung beantragten Soforthilfen wartet Horst Rzimski noch. Rücklagen konnte er für das „Schloss Stüberl“ nicht bilden. Die beschlossenen Maßnahmen der Politik, unter anderem die Mehrwertsteuer für Speisen in der Gastronomie von 1. Juli an befristet bis zum 30. Juni 2021 auf sieben Prozent zu senken, helfe ihm nur wenig. Ebenso wenig der Vorschlag der Stadt Siegen, rückwirkend vom 1. April bis 30. September die Sondernutzungsgebühr für Außengastronomie und Warenauslagen zu streichen.

Dehoga Westfalen kritisiert Befristung der Hilfe für die Gastronomie

Fälle wie den von Horst Rzimski und dem „Schloss Stüberl“ in Siegen kennt der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) viele. Mit der befristeten Unterstützung können Verluste der Gastronomen in der Corona-Krise nur teilweise kompensiert werden, wie der Dehoga kritisiert. „Die meisten Betriebe stehen finanziell mit dem Rücken zur Wand“, sagt Lars Martin, Geschäftsführer der Vertretung in Siegen.

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In Westfalen berät der Verband rund 3000 Mitglieder, vorwiegend Betriebe mit weniger als zehn Mitarbeiter. „In vielen kleinen Betrieben ist die Buchhaltung eine ‘One-Man-Show’“, berichtet Lars Martin. Das stelle die Inhaber, neben den Existenzängsten, vor zusätzliche Probleme. Miete und Steuern können zwar gestundet werden, „aber die Kosten laufen weiter und wenn man die nicht bedient, ist man platt“, fürchtet er. Dass es nun auch zu Betriebsschließungen wegen verzögerter Zahlung der Soforthilfe in NRW kommen könnte, sei ein Unding, schreibt Dehoga Westfalen auf seiner Facebook-Seite.

Gewerkschaft NGG spricht von Armutslöhnen für die Beschäftigten in der Gastronomie

In Siegen halten die Wirte Angela und Horst Rzimski an ihrer Auszubildenden fest. Den Lohn strecken sie trotz fehlender Finanzhilfe derzeit vor. Von sieben Aushilfen musste sich das „Schloss Stüberl“ jedoch trennen. Drei weitere Beschäftigte sind in Kurzarbeit.

Protestaktion „Leere Stühle“ will weitermachen

Deutschlandweit veröffentlichen Gastronome und Hoteliers Bilder mit leeren Stühlen und Hotelbetten im Internet, um auf ihre prekäre Lage aufmerksam zu machen.

Mehr Informationen zu der Protestaktion „Leere Stühle“, die vor rund zwei Wochen gestartet ist und nun jeden Freitag veranstaltet werden soll, findet sich im Internet unter leere-stuehle.de

Die von der Bundesregierung vorgeschlagene Erhöhung des Kurzarbeitergeldes sei richtig, sagt die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) mit. Die Steigerung sei allerdings zu gering und komme zu spät. Statt 60 oder 67 Prozent mit Kindern, sollen von August an 70 oder 77 Prozent, ab dem siebten Monat dann 80 oder 87 Prozent des Lohnausfalls gezahlt werden. Die Erhöhung ist abhängig davon, dass mindestens 50 Prozent der Arbeitszeit ausfällt.

„Schloss Stüberl“ in Siegen setzt auf einen Außenverkauf - und spielt auf Zeit

Nach Rechnung der NGG stünden einer Köchin damit künftig statt rund 920 Euro knapp 1.070 Euro und ab dem siebten Monat Kurzarbeit rund 1.220 Euro zur Verfügung. Doch in den kommenden drei Monaten müssen viele der rund 4200 Beschäftigten im Gastgewerbe in Südwestfalen weiter vom regulären Kurzarbeitergeld leben und Unterstützung beim Job-Center beantragen. „Für viele ist ein Nebenjob noch ein Rettungsanker, aber für die das nicht möglich ist, sind das Armutslöhne“, sagt Isabell Mura, Geschäftsführerin NGG der Region Südwestfalen.

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Komplett geschlossen hat das „Schloss Stüberl“ nicht. Einen Außenverkauf von Kaffee, Kaltgetränken und Eis bietet das Wirtshaus Montag bis Samstag von 14 Uhr bis 17 Uhr an, sonntags gibt es von 12 Uhr bis 17 Uhr Gerichte zum Abholen. „Das ist aber nichts Großes. Wir wollen bei den Gästen nur im Gedächtnis bleiben“, sagt Horst Rzimski. Ohne Lockerungen bleibt es ein Spiel auf Zeit.

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