Siegen. Das Apollo-Theater Siegen sendet in der Coronakrise Signale: Eine Plakataktion mit Zitaten von Bloch und Hölderlin soll den Menschen Mut machen.
In der Krise, in der Stille, setzt das Apollo-Theater Siegen auf Friedrich Hölderlin und Ernst Bloch. Von jedem hat Intendant Magnus Reitschuster ein Zitat ausgewählt, auf je einem riesigen blauen Banner erstrecken diese sich links und rechts des Eingangsbereichs über die Theater-Front. Eine flächendeckende Plakataktion in der Stadt Siegen soll folgen. Es sei keine Werbemaßnahme fürs Apollo, betont Magnus Reitschuster: „Es ist eine Dienstleistung, eine Hilfeleistung seelischer und geistiger Art“ – für die Menschen in der Stadt in schwierigen Zeiten.
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Die für Siegen gewählten Zitate
„Die Stadt braucht Ermunterung und Ermutigung“, sagt der Intendant. Er wählte „Die Hoffnung ist ins Gelingen verliebt“ aus „Das Prinzip Hoffnung“ des Philosophen Ernst Bloch (1885 - 1977) und „Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch“ aus „Patmos“, einer Hymne des Dichters Friedrich Hölderlin (1770 - 1843). Natürlich hätte das Apollo auch auf gängigere Botschaften wie „Alles wird gut“ zurückgreifen können, „wie viele andere es berechtigtermaßen machen“, sagt Magnus Reitschuster. Aber Aufgabe der Kunst – der das Apollo nun einmal verschrieben ist – sei es, die Dinge „auf eine andere Ebene“ zu heben.
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Es komme darauf an, „das Hoffen zu lernen – aber: begründet zu hoffen“, wie der Intendant über das Bloch-Zitat bemerkt; kein zielloses „Alles wird schon irgendwie wieder gut“, sondern ein aussichtsreiches, im Konkreten verankertes nach vorne Schauen. Beim Hölderlin-Zitat wiederum „war die Frage, ob wir es so lassen, in dieser kompliziertes Sprache“. Die Antwort, so Reitschuster: „Ja. Wir wollten den Rhythmus dieser Sprache beibehalten, damit die Leute zweimal hinschauen.“ Die ersten Reaktionen von Passanten – die XXXL-Banner hängen seit Dienstag – seien positiv.
Das Bruchwerk streamt
Während das Apollo-Theater bewusst analog bleibt, streamt das Bruchwerk Theater in der Corona-Zwangspause seit Ende März jeden Donnerstagabend einen Beitrag. Am 9. April ist es ab 20.15 Uhr das Konzert „Endzeitmusik“.
Sopranistin Sophia Körber und Gitarrist und Bassist Mario Mammone präsentieren Lieder und Liedtexte von Schubert, Dowland, Purcell, Weill und mehr. Wer zuschauen und -hören möchte, geht einfach auf bruchwerk-theater.de
Der Ansatz
Seinem Selbstverständnis nach sieht sich das Apollo-Theater, immerhin maßgeblich aus bürgerschaftlichem Engagement heraus entstanden, seit jeher nicht als Kulturtempel im Orbit des städtischen Lebens, sondern als Akteur mit Stimme innerhalb der Stadtgesellschaft. In einer Krise wie der derzeitigen allgemein sichtbar in Erscheinung zu treten erscheint damit nur folgerichtig. Den Bühnenbetrieb hat das Theater wegen der Corona-Problematik eingestellt, Online-Angebote, wie sie das Bruchwerk Theater und das Lyz bieten, sind nicht geplant. „Streaming machen andere“, sagt Magnus Reitschuster. „Und das finde ich auch gut. Aber wir bleiben analog.“
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Die großflächigen Plakate, die in den kommenden Tagen in der Stadt auftauchen werden, verweisen mit einem kleinen Logo auf das Apollo als Urheber, und streuen die literarisch-philosophischen Botschaften, die verdichtet in den Zitaten liegen, in die Fläche – eine Variante von „Die Stadt als Bühne“, wie Magnus Reitschuster sagt, in diesem Fall als Bühne für die Kraft der Literatur. „Die Menschen brauchen das“, ist der Intendant überzeugt.
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Der Spielplan
„Meine Corona-Depression hatte ich schon im Februar“, sagt Magnus Reitschuster, „weil ich nicht wusste, aber ahnte, was auf die Gesellschaft zukommt. Und aufs Theater.“ Als die Einschränkungen im März Realität und schrittweise schärfer wurden, „war ich schon wieder in der künstlerischen Phase“. Der aktuelle Spielplan 2019/20 befand sich ohnehin auf der Zielgeraden, gleichwohl kam es zu Absagen und Verschiebungen.
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Besonders einschneidend im Apollo: Das Stück „Fußball.Frauen.Siegen“, eine Eigenproduktion über den Siegener Frauenfußball und geschrieben von Magnus Reitschuster und Werner Hahn, Leiter der Sparte Junges Apollo (JAp), hätte Premiere haben und etliche Male zu sehen sein sollen, wird nun aber komplett in die kommende Spielzeit verlegt. Natürlich sei das traurig, „wir haben viele Herzensprojekte, auf die wir jetzt verzichten müssen“, sagt der Intendant. „Aber das geht ja allen so.“
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Der Blick nach vorn
Für die Saison 2020/21 stehen wegen der langen Vorlaufzeiten schon viele Programmpunkte fest. Aber „man kann heutzutage keinen Spielplan für die kommende Spielzeit machen, ohne sich mit der jeweils aktuellen Situation zu befassen“, sagt Magnus Reitschuster. Es werde keinen „Corona-Spielplan“ geben, „aber sicher wird das, was die Menschen jetzt denken und empfinden, einfließen“ - beispielsweise, indem die gebuchten Inszenierungen darauf abgeklopft werden, ob sie Bezüge zu dieser Ausnahmesituation eröffnen.
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Dass die aktuelle Krise die Bühnen dauerhaft vor Probleme stellt, glaubt der Intendant nicht. „Ich mache mir um das Theater keine Sorgen“, sagt Magnus Reitschuster. Die derzeitige „erzwungene Askese“ könne durchaus dazu führen, „dass das gesellschaftliche Leben danach wieder einen intensiven Aufschwung nehmen kann“ – weil die Leute wieder rausgehen, wieder genießen, wieder gemeinsam etwas erleben möchten. Theater habe dabei einen besonderen Stellenwert. „Menschen spielen für Menschen. Die öffentlichste aller Künste.“
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