Siegerland. Straßenbau von Kreuztal über Hilchenbach nach Erndtebrück war schon immer schwer – auch vor fast 200 Jahren.

Der Kronprinz war zu früh, aber Friedrich Wilhelm IV war nun einmal sowieso im Lande. Am 16. Oktober 1833 reiste er vom Berleburger Schloss zum Müsener Stahlberg über die neue Straße. Zu seiner Erinnerung wurde die Kronprinzeneiche gepflanzt. Dort, wo heute die B 508 in die B 62 einmündet, die 1853 fertiggestellte Kronprinzenstraße von Netphen, und wo damals die Wittgensteiner Straße auf dem Weg von Erndtebrück herunter nach Hilchenbach einen Bogen um den Schlossberg schlug. Am 1. November 1834 wurde auch dieser letzte Abschnitt der Chaussee offiziell eröffnet.

Wie ein Chausseedamm durch den Sumpf geführt wird

Die Bauzeit, vermutlich ab Anfang 1832, erscheint kurz. Um so länger ist die Vorgeschichte, die 1818 mit einem Schreiben des Landrats von Schenck an die Bürgermeister von Hilchenbach und Ferndorf beginnt: Es sei „Wille der Königlichen Regierung, daß die Communalstraße von der Lützel über Hilchenbach und Ferndorf bis zur Ernsdorfer Brücke kunstmäßig angelegt werde“.

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Horst Grafe erzählt in der neuen Ausgabe der Zeitschrift „Siegerland“ des Siegerländer Heimat- und Geschichtsvereins die Geschichte dieses Straßenbaus, der Chaussee nach Wittgenstein, die in Kreuztal von der Frankfurt-Hagener Straße abzweigen soll. Da, wo bisher Hohlwege verlaufen, wird ein Chausseedamm aufgeschüttet. In Ferndorf ist es schon damals eng, vier Häuser müssen abgerissen, die Kirchhofmauer versetzt werden. Von Lohe bei Kredenbach bis Hillnhütten bei Dahlbruch geht es nun geradeaus, der alte Weg musste das Sumpfgebiet südlich umgehen.

Wie beim Straßenbau die Konfession mitspricht

„Größte Herausforderung“, so Grafe, wird dann hinter Hilchenbach die Überwindung des „Lützeler Gebirges“. Gebaut wurde die Straße schließlich, wie sie heute verläuft, um den Schlossberg und den Gillerkopf herum – vorher ging der Hohlweg unten durch „Wald“, so hieß Vormwald damals noch, und dann hinauf über den „Zollpfosten“ geradeaus weiter auf den Giller und nach Lützel – da, wo heute Wandergruppen vom Bahnhof Vormwald aus zu Fuß die Ginsberger Heide oder die Ginsburg ansteuern.

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Bis es aber so weit war, wurde heftig gestritten – über Geld und auch die Trassenführung. Und dann noch der Druck, dem sich die Bürgermeister aus dem Ferndorftal durch den Bau der „Nebenruthe“ aus dem „nicht reformierten“, sprich: katholischen, Netphen ausgesetzt sahen. Der Verkehr über Hilchenbach sei doch viel „bedeutender“….

Wie Hilchenbach die Pistole auf die Brust gesetzt wird

Preußen wollte die Straße nicht allein bezahlen. Gesucht wurden Mitfinanziers, gesprochen wurde über die Erhebung eines Chausseegelds. 1828 endlich bot der Hilchenbacher Bürgermeister Reifenrath 476 „handdienstpflichtige Einwohner, 34 Pferde, 131 Zugochsen und 217 Fahrkühe auf. Vorher hatte der Landrat gedroht: Wenn die Kassen sich nicht öffnen, wird die Provinzialstraße eben nicht gebaut – dann müssten die Gemeinden eben auf eigene Kosten einen „Communalweg“ anlegen.

Zwischendurch meldete sich Helberhausen: Hier und dann über die Buchhelle sollte die Straße nach Lützel führen, nicht über Wald. 1829 warf Oberpräsident von Vincke noch einmal alles um und setzte eine längere Trasse mit sanfteren Steigungen durch. Alternative war auch ein Straßenbau von Allenbach über den Grunder Bergrücken. Die Straße wäre dann – wie fast 200 Jahre später die geplante Route 57 – an Hilchenbach vorbeigegangen. Was der Hilchenbacher Bürgermeister damals noch keinesfalls wollte.

Wie Preußen einmal kurzzeitig pleite war

Begonnen wurde 1829 mit dem Straßenbau zwischen Erndtebrück und Lützel – und nicht im Ferndorftal. Das habe zu einer „Flut von Beschwerden an die Regierungen in Münster und Berlin“ geführt, berichtet Horst Grafe. Dort unten, die Hammer- und Hüttenwerke standen, waren die versumpften Hohlwege kaum noch passierbar.

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Auf eigene Faust begannen die Hilchenbacher 1830 mit dem Bau in Richtung Allenbach. Horst Grafe: „Es ging vor allem darum, die größte Not der armen Leute durch einen kargen Verdienst bei den Bauarbeiten zu lindern.“ 1831 wurden die Arbeiten dort für ein Jahr gestoppt, Berlin drehte den Geldhahn zu: Durch „eingetretene Verhältnisse“ seien „die Geldkräfte der Staatskasse so in Anspruch genommen“, dass der Straßenbau sich nicht mehr verwirklichen lasse.

Wie sich die Provinzialstraße in die Route 57 verwandelt

Probleme im Lützeler Gebirge gab es dann wieder, als unterhalb der Straße die Eisenbahn gebaut werden sollte: Der Hang rutschte. Die Bahntrasse und auch die Straße mussten verlegt, der Schlossbergtunnel in doppelter Stärke ausgemauert werden. Nicht im Mai, sondern erst im Oktober 1888 konnte die Strecke Hilchenbach-Erndtebrück eröffnet werden.

Das Problem mit dem rutschenden Hang kam zurück: 1924 senkte sich das Gebirge um bis zu 30 Zentimeter ab, in den 1950er Jahren wurden weitere Felsbewegungen beobachtet, 1969 gab es ein Gutachten über das „Felsrutschgebiet“. 2013 wurde schließlich gehandelt: Die Wittgensteiner Straße von damals wurde in den Hang hinein verlegt und verwandelte sich bis 2019 in den ersten Abschnitt der Route 57, wie die Ortsumgehungskette von Kreuztal bis Schameder auch genannt wird. Diese Geschichte bleibt unendlich.

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