Eichen. Der Eichener Philatelist Manfred Hofmann schenkt dem Hilchenbacher Stadtarchiv seine ortsgeschichtliche Sammlung. Es gibt viel zu entdecken.

15 Kartons stehen in der Garage abholbereit. Dazu Geräte, die heute keiner mehr kennt: Maschinen, die das Porto auf Briefumschläge drucken oder die Rollen von Briefmarken aufnehmen, die der Postbeamte am Schalter Stück für Stück an die Kunden verkauft hat. Ein paar Alben hat Manfred Hofmann für einen Besuch auf den Tisch gelegt: Die Hilchenbacher Stadtarchivarin Verena Hof-Freudenberg und ihr Vorgänger Reinhard Gämlich sind gekommen.

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Den Kontakt gibt es schon eine ganze Weile, an diesem Morgen wird es ernst: Der Philathelist, der im März 82 Jahre alt wird, regelt seinen Nachlass und trennt sich von seinen postgeschichtlichen Sammlungen: „Alles geht weg.“ Seine Hilchenbacher Sammlung wird einen neuen Platz im Stadtarchiv in der Hilchenbacher Wilhelmsburg finden: Umschläge und Ansichtskarten, die zusammen mit den Briefmarken und Stempeln ganze Kapitel Stadtgeschichte erzählen können.

Entdeckungen

Reinhard Gämlich entdeckt die Fotografie des Hauses Waldheim in Hillnhütten, 14 Jahre nach der Wilhelmsburg errichtet und fast baugleich – der Archivar im Ruhestand hat die Daten im Kopf. 1911 wurde die Postkarte von Dahlbruch auf die Reise nach Trier geschickt. Mit dem Zug, was der Bahnpoststempel „Marburg-Creuzthal“ beweist. Die kleine Runde an diesem Vormittag kommt schnell ins Plaudern – zumal Annette Branß, die aus dem Hilchenbacher Rathaus mitgekommen ist, auf der Karte von 1911 den noch unbebauten Krackertsberg entdeckt: „Da wohne ich heute.“

„Det Juckelche“, die frühere Grubenbahn Müsen-Dahlbruch.
„Det Juckelche“, die frühere Grubenbahn Müsen-Dahlbruch. © Steffen Schwab

Der Sammler

Manfred Hofmanns erste Erinnerung an sein Hobby reicht zurück ins Jahr 1945, „als die Amerikaner kamen“: Da hatte der gerade Achtjährige eine Ahnung, dass die Briefmarken mit dem Hitler-Kopf besser nicht im Haus gefunden werden sollten – er packte sie in eine Blechdose, die er draußen vergrub. 1965 trat Hofmannn, der seinen Lebensunterhalt als Fräser bei der Boschgotthardshütte verdiente, in den Siegener Verein für Briefmarkenfreunde ein, dessen Vorstand er bis vor kurzem angehörte. Zu vielen Ortsjubiläen hat Manfred Hofmann seinen Beitrag geleistet, neun Ausstellungen allein in Kreuztal hat er selbst gestaltet.

Postleitzahlen

626 war Hilchenbachs erste „Postleitzahl“. Um 1850 hatte der preußische Staat seine Ortschaften in alphabetischer Reihenfolge durchnummeriert. Netphen hatte 1002, Siegen 1395.

In den letzten Jahrzehnten war die Pflege lokaler Sammlungen aufwändig: Jeder Wechsel der Postleitzahl, jede Schließung von Postämtern, jede Eröffnung von neuen Postagenturen ist in den Stempelabdrücken dokumentiert. Dabei kam es darauf an, den ersten und den letzten Tag zu erwischen. Und das nicht nur in Hilchenbach. Ähnliche Sammlungen hat Manfred Hofmann für Kreuztal, Eichen, Littfeld und Weidenau aufgebaut. Und, nur auf den ersten Blick gar nicht dazu passend, eine Themensammmlung „Bier“. Denn Hofmanns Nachbar war die Eichener Brauerei, dort hat sein Vater gearbeitet.

„Glück auf!“: Diese Postkarte aus Manfred Hofmanns Sammlung zeigt die Grube Stahlberg um 1925.
„Glück auf!“: Diese Postkarte aus Manfred Hofmanns Sammlung zeigt die Grube Stahlberg um 1925. © Steffen Schwab

Noch mehr Entdeckungen

„Eine sehr seltene Aufnahme.“ Reinhard Gämlich hat die Karte mit Kleins Weiher entdeckt – heute ist das der Großparkplatz der SMS Group. Schließlich der Förderturm des Müsener Stahlbergs, auf dem heute das Feriendorf steht. Die 1994 angebrannte Bergschule vor der Menage. Und „dat Juckelche“, die Grubenbahn von Müsen nach Dahlbruch. Und Ansichtskarten mit „Gruß von der Wigrow“. Man schrieb Briefe an das „Königlich Hochlöbliche Rentamt“ und an den „Wohlgeborenen Herrn Kreissekretär“. Hauptmann Carl Hüttenhain bekommt eine Feldpostkarte aus dem Gasthof Florenburg. Albert und Hedwig aus Oberfischbach schicken 1910 ein Telegramm an Robert Müller nach Hilchenbach: „Dem Brautpaar viel Glück“, hat der Postbeamte mit Bleistift aufgeschrieben.

„Wahnsinn“, sagt Reinhard Gämlich. Und dann packt Manfred Hofmann noch einen Fahrschein „zur Fahrt von hier nach Hilchenbach“ auf den Tisch: ein fast DIN A 4 großes Formular, handschriftlich ausgefüllt, für „Herrn Pfarrer“, der mit dem „Schnellpost-Cours“ 1 ¼ Meilen zurücklegt und dafür sieben Silbergroschen und sechs Pfennige bezahlt. „Die Post geht ab um 8 ¼ Uhr abends am Montag den 18ten September 1843.“

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Ein Abschied

Ganz verabschiedet von seinem Hobby hat Manfred Hofmann sich nicht: Er befreit gerade Hunderte von Briefumschlägen von ihrem Klebefalz. Deren Gummierung zerstört nämlich, wie er entdeckt hat, alle Umschläge etwa seit dem Jahr 1965. Reinhard Gämlich kennt ähnliche Probleme: Seit Jahren schon muss das Stadtarchiv Papiere entsäuern lassen. Inzwischen stellt sich heraus, dass auch die Fototaschen aus Pergamin nichts taugen: „Fotos, die älter als 30 Jahre sind, bekommen einen brauen Stich.“

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Die Schätze, die sie da mitnimmt, sind bei ihr gut aufgehoben: Die Erschließung der ganzen Sammlung, mit der erst Einzelstücke wieder für jedermann auffindbar werden, wird Zeit brauchen, sagt die Stadtarchivarin, „Forscher haben natürlich immer Zugang.“ Verena Hof-Freudenberg kann Manfred Hofmann eine Garantie für sein Lebenswerk geben: „Was ein Archivar einmal zum Archivgut erklärt hat, darf niemand mehr wegnehmen. Das ist per Gesetz sicher.“

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