Hilchenbach. . Der Leiter des Stadtarchivs Hilchenbach, Reinhard Gämlich, geht in Pension. Eins seiner Lieblingsstücke: Ein uraltes Dokument von 1563.
Reinhard Gämlich ist wieder ein bisschen entspannt. Nach dem 1. August, dann als Stadtarchivar im Ruhestand, wird er weiter an jedem Mittwochvormittag seinen Dienst versehen, bis Nachfolger Darius Schürmann übernehmen kann. „Vielleicht ist der Abschied dann nicht ganz so schwer.“ Vor allem aber: Jetzt bleibt noch Zeit, Archivgut zu erfassen — denn was nicht registriert ist, „bleibt der Forschung entzogen“. Und da ist noch einiges: Hier eine Ahnentafel, da ein „Confirmations-Attest“ von 1839: „Die Leute kommen vorbei und geben es ab.“
1. Was ein Schweinestall mit einem Museum zu tun hat.
Emmi Müller wohnte als Mieterin in dem Fachwerkhaus an der Alten Landstraße, in dem auch Reinhard Gämlich aufgewachsen ist und das er 1981 selbst gekauft hat. Als die Nachbarin 1965 im Alter von 85 Jahren starb, fand der damals zehnjährige Reinhard Gefallen in ihrer Wohnungseinrichtung: „Nur alte Sachen.“ Alte Landstraße 1, der Schweinestall: Das wurde die Adresse des kleinen Privatmuseums, das Reinhard Gämlich betrieb, bis andere Sachen im Leben wichtiger wurden. Und die Aufmerksamkeit von unwillkommenen Gästen zu groß wurde. „Manchmal schlug in der Nacht der Hund an.“ Emmi Müllers Nachlass ist heute sicher verpackt in Kisten auf dem Dachboden. 20 Jahre später, 1986, leitet Gämlich wieder ein Museum: das vier Jahre zuvor eröffnete Stadtmuseum in der Wilhelmsburg. Den Fundus kennt er gut: aus dem Schulmuseum der Allenbacher Volksschulde, die er selbst bis 1970 besucht hat. Und vom Dachboden des neuen Rathauses, wohin die Sammlung 1979 in Sicherheit gebracht wurde.
Lieblingsstück: Ein Obstaufsatz aus Porzellan, unbekannter Herkunft. Im Depot hat das noch aus Allenbach übernommene Teil seinen Platz neben Mantel, Schuhen und Hut von Ehrenbürger Wilhelm Münker. „Ich fand das schön.“ Deshalb ist das Prachtstück auch bei jedem sich bietenden Thema in den Wechselausstellungen des Museums vertreten. Das Depot ist übrigens gut gefüllt. „Als ich anfing, waren die Gänge noch frei.“
2. Wie aus einem Kommunalbeamten ein Stadtarchivar wird.
Die Berufswahl sei ihm schwer gefallen, gibt Reinhard Gämlich zu. Nach der Handelsschule entschied er sich dann für die Stadt. Der 1955er Jahrgang war geburtenschwach, „ich habe nur eine einzige Bewerbung geschrieben.“ Und danach nie wieder. 1972 fing er die Ausbildung an, seit drei Jahren ist er Dienstältester in der Hilchenbacher Stadtverwaltung. Seine Laufbahn führte den jungen Stadtassistenten-Anwärter durch alle möglichen Ämter. Sein oberster Chef, Stadtdirektor Dr. Hans Christhard Mahrenholz, gründete 1980 den Geschichtsverein. Gämlich wurde Mitglied, schob am Wochenende ehrenamtlich Museumsdienst — und wurde gefragt, als Dr. Mahrenholz auf einmal einen Nachfolger für den als Museumschef nach Iserlohn abberufenen Stadtarchivar Friedrich Klein suchte. „Da musste ich mich ganz schnell entscheiden.“
Vier Monate Archivlehrgang in Brauweiler, dann am 15. Mai 1985 die Bestellung zum Archivar. „Als erstes habe ich alle Schlösser auswechseln lassen“ — damit die Kollegen vom Rathaus gegenüber nicht mehr selbstständig nach ihren ans Archiv abgegebenen Akten kramten. „Und dann habe ich mit der Arbeit begonnen.“ Auf den Altbestand, der bis 1982 auf dem Speicher der alten Florenburgschule aufbewahrt wurde, hat er seitdem allein 33 786 Verwaltungsakten draufgesetzt.
Lieblingsstück: Das allerälteste Dokument unter 33 Tonnen Stadtgeschichte im Archiv — das Gerichtsprotokoll des Gemeingerichts Hilchenbach, wegen des jährlich wiederkehrenden Datums auch „Kirmesgericht“ genannt, von 1563 bis 1593. Erhalten. Wenngleich „sehr schwer zu lesen“.
3. Warum Reinhard Gämlich ein Spielverderber ist
Der angehende Pensionär bleibt der Geschichte verbunden. Der eigenen, indem er seit 1975 die Spuren seiner Ahnen in Schlesien verfolgt, zurück bis 1700 zum Bäckermeister Daniel Friedrich Gämlich und seinen beiden Brüdern in Auras an der Oder. Und der Geschichte der Stadt, die er in vielen Veröffentlichungen bearbeitet hat, vor allem aber in seinem vierbändigen, von 1997 bis 2014 entstandenen Werk zu den Haus- und Familiennamen in Hilchenbach.
Nebenbei hat er die urkundlichen Ersterwähnungen der Stadtteile auf den Stand der Forschung gebracht. Helberhausen, Lützel und Dahlbruch wurden auf diese Weise älter. Oechelhausen aber verlor. Aus der 750-Jahrfeier im Jahr 2015 wurde nichts. „Denen habe ich das Jubiläum vermasselt.“ Zur 650-Jahrfeier, die Oechelhausen nun für 2019 plant, schreibt Reinhard Gämlich die Chronik. Von wegen Spielverderber.