Siegen. Siegener Gericht ist überzeugt: Die nun verurteilte Frau wollte ein Mehrfamilienhaus anstecken. Sie leidet unter anhaltenden Wahnvorstellungen.
Versuchte schwere Brandstiftung ist nachgewiesen. Nach Überzeugung der 1. Großen Strafkammer hat die Beschuldigte am 23. Juli 2019 alles aus ihrer Sicht Nötige getan, um ein Mehrfamilienhaus in Siegen in Brand zu stecken.
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Einen Tötungsvorsatz kann die Kammer am Montag, 17. Februar, nicht feststellen. Dafür aber, wie erwartet, die krankheitsbedingte Schuldunfähigkeit der Siegenerin (49), die nach wie vor nicht krankheitseinsichtig ist und daher für unbestimmte Zeit in eine psychiatrische Einrichtung eingewiesen wird.
Besitzer des Mehrfamilienhauses in Siegen wird eher zufällig zum Opfer
Richterin Elfriede Dreisbach geht auf die Hintergründe der Erkrankung ein, die nachweislich mindestens seit 2008 bestehe, als die Beschuldigte erstmals für zwei Wochen in Weidenau psychiatrisch behandelt werden musste. 2013 und 2014 folgten weitere kurze Unterbringungen, weil sie ihr Auto mitten im Verkehr abstellte und selbstgefährdend auf der Straße herumlief. 2019 habe sich die paranoide Schizophrenie dann so sehr verschlechtert, dass es zu ersten Tötungsdrohungen gegen den Eigentümer des betroffenen Hauses gekommen sei, danach auch gegen den früheren Bekannten, dessen Wohnung unmittelbar bedroht war.
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Der sei aus Sicht des Sachverständigen und auch der Kammer eher zufällig „in den Wahn der Beschuldigten einbezogen worden“, die ihm vorwarf, ihre Kinder getötet, misshandelt oder entführt zu haben, „ganz schreckliche Sachen“. Daraus wiederum sei in der Frau das Bewusstsein erwachsen, etwas gegen ihn unternehmen zu müssen, um ihre Kinder zu retten oder zu rächen. Sie habe sich vollkommen im Recht gefühlt, sei also gar nicht in der Lage gewesen, ihr Unrecht überhaupt einzusehen.
„In Siegen laufen viele Kannibalen herum, mit Menschenfleisch in den Taschen“
Neben anderen Faktoren sei die große Angst und überzogene Sorge um ihre Kinder stärkstes Merkmal der Krankheit. Schon bei früheren Behandlungen habe sie gesagt, dass „in Siegen viele Kannibalen herumlaufen, mit Menschenfleisch in den Taschen“, so die Vorsitzende. Am vergangenen Verhandlungstag hatte die Beschuldigte versucht, das zu relativieren: sie sehe darin eher das allgemein Böse in der Welt. Aber sie hat auch einen fiktiven Mann und dessen Kinder erfunden, mit denen sie am Tattag eher zufällig am Haus gewesen sein wollte. Niemand habe diese dort gesehen, betont die Richterin.
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Der Brandstiftungsvorsatz steht für die Kammer fest, für eine Tötungsabsicht hat sie keinen Beweis gefunden: „Wir wissen nicht einmal, ob sie sich Gedanken gemacht hat, dass jemand im Haus ist.“ Die Tat sei am hellen Tag geschehen, ohne jeden Versuch der Heimlichkeit.
Siegenerin zeigt keinerlei Krankheitseinsicht
Klar ist für das Gericht nach der Beweisaufnahme jedenfalls, dass die gebürtige Tschechin keinerlei Krankheitseinsicht hat. Ohne das behütete Umfeld der Klinik müsse jederzeit ein Absetzen der Medikamente und ein Rückfall befürchtet werden, damit auch die Gefahr weiterer Taten. Diese könnten jeden treffen, „mit dem sie zu tun hat“. Zur Zeit müsse daher die Unterbringung in einer Einrichtung sein, betont Elfriede Dreisbach. Wenn intensiv mit der Beschuldigten gearbeitet werde, könne „vielleicht in Zukunft“ eine schrittweise Lockerung erfolgen, mit dem letztendlichen Ziel eines Lebens in einer Wohngruppe, wo mehr Freiheit und Betreuung gleichzeitig möglich seien.
Wie lange sie denn wohl in der Klinik bleiben müsse, fragt die nunmehr Verurteilte leise und möchte gern in Siegen bleiben. Richterin und Verteidigerin erklären ihr nochmals, dass es nur wenige Standorte gebe und dass sie den weiteren Verlauf selbst beeinflussen könne.
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