Hilchenbach. Seit einem halben Jahr ist Joachim Steinebach Rektor auf dem Hilchenbacher Schulberg. Jetzt ist er gespannt.
Als sich Ende Februar 2019 für eine Weile Katerstimmung an der Jung-Stilling-Allee breit machte, ahnte Joachim Steinebach noch nicht, dass er ein Jahr später selbst seinen Arbeitsplatz dort haben würde. Der Schrecken, dass mit nur 27 Anmeldungen nur eine 5. Klasse an der Carl-Kraemer-Realschule gebildet werden könnte, wurde bis zum Sommer von einer etwas rosigeren Wirklichkeit abgelöst. Um die 40 Kinder besuchen nun die beiden 5. Klassen. Und Steinebachs Job ist es seit Schuljahresbeginn, die einzige weiterführenden Schule, die die Stadt Hilchenbach noch in ihrer Trägerschaft hat, in die Zukunft zu führen.
Wer ist der Neue?
Um Ostern 2019 herum hatte Renate Setzer bei den Kollegen in Neunkirchen angeklopft: Ob der nicht ihre Nachfolge antreten wolle, wenn sie als Rektorin der Carl-Kraemer-Realschule in Pension gehe. Joachim Steinebach war seit 2001 an der Realschule Freier Grund – und wusste, dass er einen anderen Posten brauchte: An „seiner“ Schule sind jetzt nur noch zwei Jahrgänge, an ihre Stelle tritt die Sekundarschule.
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Was ist die wichtigste Aufgabe?
Vor allem anderen: Öffentlichkeitsarbeit. Auf allen Kanälen: neue Homepage, Facebook, Insta. „Wir müssen die Realschule als wesentliche Schulform bekannt machen“, sagt Joachim Steinebach. Klassisch als Schule, die aufs Berufsleben vorbereitet. Aber auch weitere Entwicklungen zulässt, den Weg zu Abi und Studium zum Beispiel. „Wir bezeichnen uns als Aufsteigerschule.“ Etwa die Hälfte des Abschlussjahrgangs bekommt den Qualifikationsvermerk für die gymnasiale Oberstufe. Dabei werden für die 5 überwiegend Kinder mit Real- oder Hauptschulempfehlungen angemeldet.
Was ist das Besondere an Hilchenbach?
132 c. Das ist der Paragraf des Schulgesetzes, der den Hauptschul-Bildungsgang an Realschulen ermöglicht. Den hat nur ein gutes halbes Dutzend der Realschulen im Lande, darunter direkt in der Nachbarschaft Erndtebrück. „Das ist ein großer Vorteil.“ Kinder, die das Realschulpensum nicht schaffen, können nach der 6 trotzdem an der Schule bleiben und müssen nicht an eine der wenigen verbliebenen Hauptschulen wechseln. Etwa ein Drittel jedes Jahrgangs geht diesen Weg: In Deutsch, Mathe und Englisch trennen sich die Klassen, Arbeitslehre kommt neu auf den Stundenplan, am Ende dann ein Hauptschulabschluss nach der 10. oder zumindest der 9. Klasse.
Ausflug ins richtige Leben
Beinahe wäre Joachim Steinbach gar nicht in den Schuldienst gegangen. In den 1980er Jahren wurde der ausgebildete Sport- und Biolehrer Opfer der damaligen „Lehrerschwemme“ – er ging in die Wirtschaft, arbeitete sich in Einkauf und Logistik ein, erst zehn Jahre bei Elco in Betzdorf, dann noch drei Jahre bei Rittal.
„Anfangs habe ich mich noch jedes Jahr beworben, dann habe ich aufgegeben“, berichtet Joachim Steinebach. Bis 2001 die Bezirksregierung anfragte: Mathe und Englisch waren nun „Mangelfächer“. „Ich habe mich für Mathe entschieden.“ Und später noch Informatik dazugenommen. „Das erste und zweite Jahr war schon hart.“
Joachim Steinebach kennt das Leben außerhalb der Schule, sogar aus den Stahlwerken in Niederschelden und Geisweid und aus dem Fotolabor bei Saal in Weidenau – als es gerade der letzte Schrei wurde, Filme zum Entwickeln abzugeben und schon nach einer Stunde fertige Papierabzüge abzuholen.
Eigentlich, findet Joachim Steinebach, sollte jeder Lehrer die Welt kennen lernen, auf die er seine Schüler vorbereitet – mit all ihren Härten und Zumutungen: „Ich möchte keinen Moment missen – es hat sich alles gelohnt.“
Werden Kinder in Hilchenbach anders gefördert?
Für den Hauptschul-Bildungsgang wurde das Lehrerkollegium um zwei Stellen verstärkt. Weil die Realschule auch die einzige „Schule des gemeinsamen Lernens“ in der Stadt ist, sind auch drei Sonderpädagogen im Einsatz, außerdem zwei Sozialarbeiterinnen. Und um das auch gleich auszuräumen: „Diese Kinder bremsen die anderen nicht aus.“ Viele von den so genannten „Inklusionskindern“ schaffen hier einen regulären Schulabschluss. „Die Lernbetreuung ist wesentlich intensiver“, sagt Joachim Steinebach. Eng eingebunden sind die Eltern: Im „Organizer“, den jeder Schüler hat, stehen nicht nur Stundenpläne und Hausaufgaben, sondern auch Mitteilungen, die die Erziehungsberechtigten quittieren müssen. Kritisch sind die roten Seiten, auf denen fehlende Hausaufgaben vermerkt sind. Und Einträge auf den orangen Seiten: „Trainingsraum“ hört sich harmlos an. Aber wer dort nachdenken muss, hat vorher etwas ausgefressen.
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Womit wirbt die Carl-Kraemer-Realschule?
Rektor Joachim Steinebach blättert – gedanklich – einen ganzen Katalog auf.
„Wir sind keine Ganztagsschule.“ Das sehe er tatsächlich als Vorteil. Für Kinder, die bleiben sollen oder wollen, „haben wir am jedem Nachmittag Angebote.“
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Die zweite Fremdsprache setzt erst wieder in der 7 ein, aber nur für die, die wollen. Alle Fächer können 4. Hauptfächer werden, zum Beispiel auch Informatik und Technik. „Wir bieten an, was wir von den Lehrern her können.“
Berufsorientierung: Der 2. Technikraum wird gerade eingerichtet, im Januar 2021 wird es eine mehrtägige Berufsorientierungsmesse geben.
Soziale Kompetenz ist ein großes Thema. Zu Partnerschaft mit dem Haus Abendfrieden und der Selbstverpflichtung als „Schule ohne Rassismus“ sollen sich, in Zusammenarbeit mit dem DRK, die Qualifizierung zur „Humanitären Schule“ und eine Zusammenarbeit mit dem Siegener Tierheim gesellen.
Die Gründung einer Schülerfirma oder -genossenschaft steht auf dem Arbeitsprogramm. Betätigungsfeld könnten Computerwartung und Softwarepflege werden.
Wie groß bleibt die Schule?
Um die 400 Schülerinnen und Schüler hat sie jetzt, auf 300 wird sie sich einpendeln, schätzt Joachim Steinebach. Im Wettbewerb vor allem mit dem Gymnasium in Keppel und der Gesamtschule in Kreuztal werde Platz für eine zweizügige Realschule in Hilchenbach bleiben. Ob es denn diesmal direkt für zwei 5. Klassen reicht? Joachim Steinebach: „Ich bin gespannt wie ein Flitzebogen.“
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