Hilchenbach. . Die Jugendlichen ziehen von der Carl-Kraemer-Realschule zum Flashmob auf den Marktplatz. Dort verschaffen sie ihrem Anliegen Gehör.
Fast 300 Schülerinnen und Schüler der Carl-Kraemer-Realschule haben die Stadt am Freitagvormittag mit einem Flashmob gegen Rassismus überrascht. Der Marktplatz war voll, es gab Musik, eine Choreographie – und Botschaften, die auf wie Puzzleteile zusammengesetzten Plakaten stehen: „Gleichberechtigung.“ „Respekt.“ „Großzügig.“ „Confidence.“ „Equality.“ „Peace.“
9.30 Uhr: Die Probe
Daniel Weller hat kein Megafon. Das Handzeichen genügt dem Sportlehrer der 7 c, sich auf dem Schulhof Gehör zu verschaffen. Auf dem Asphalt sind mit gelber Kreide zwei Mal nebeneinander die Zahlen 1 bis 15 aufgeschrieben hinter denen sich die Schüler in elf Reihen formieren. Vorne links die 5er und 6er, dahinter die 10er, und so weiter. „Merkt euch euren Nebenmann.“ Denn gleich, auf dem Marktplatz, soll die Aufstellung genauso klappen. Ohne die gelben Zahlen.
Hilchenbach: 300 Realschüler machen Flashmob gegen Rassismus
Soufien Nafati hat heute Geburtstag — und den Überblick. Vom Kunstraum im zweiten Stock aus verfolgt er, wie der Flashmob sich formiert, den die 7 c während der Wochen gegen Rassismus im Sportunterricht entwickelt hat und den die ganze Schulgemeinde nun im Crashkurs einstudiert. Nafati war noch Referendar, als die Schule 2012 in das Netzwerk „Schulen ohne Rassismus — Schulen mit Courage“ aufgenommen wurde. Seitdem koordiniert er die jährlichen Wochen gegen Rassismus. Gewalt und „rechte Szene“ sind in diesem Jahr die Schwerpunktthemen. „Wir haben noch ganz viele Ideen.“
„Zuerst immer nach rechts. Ein Schritt, ein Überkreuz, ein Schritt, Arme nach oben.“ Daniel Weller hat mit der Choreo begonnen. Alle machen mit, die Kinder, die Jugendlichen, die Lehrerinnen und Lehrer in den gelben Westen. Christof Mann, der Klassenlehrer der 7 c, hat sich eine Band aus seinem 10er Musikkurs zusammengestellt, die den Flashmob mit Sambas in Schwung halten.
Vorher: Wochen gegen Rassismus
Auftakt zu den beiden Wochen war im Jugendzentrum Underground – das städtische Kinder- und Jugendbüro ist wie immer, das Gymnasium Stift Keppel erstmals Kooperationspartner. 20 Jugendliche lernen Leona kennen, die berichtet, wie sie in die rechte Szene hineingeraten ist und wie sie wieder herausfand, dank neuer Freunde und einem neuen Umfeld. Ebenfalls im Jugendzentrum zeigte ihnen Stefan Klenzmann, gewerkschaftlich engagierter Betriebsrat bei SMS, Symbole und Codes der rechten Szene. In Keppel führte das Junge Theater Siegen „Hallo Nazi“ auf. In der Schule zu Gast waren eine Mobberin und ein Neonazi, die — „erfreulicherweise“, sagt Lehrer Soufien Nafati – mit ihren Ansichten auf entschiedenen Widerspruch trafen. Der Nazi war kein Nazi, die Mobberin keine Mobberin. Die beiden offenbarten sich als Schauspieler des Theaters Till. Was der Diskussion keinen Abbruch tat. Denn ihre Geschichten waren echt.
9.50 Uhr: Der Marsch
Sie sind soweit. Der Zug der 300 setzt sich in Bewegung, mit Rektorin Renate Setzer an der Spitze, begleitet von einem Streifenwagen der Polizei – so spontan wie ein echter Flashmob darf Schule nun doch nicht sein — und Uwe Limper von der städtischen Ordnungsbehörde mit dem Stadt-Segway. Die Schulsanitäter sind dabei, die Streitschlichter helfen als Ordner mit. Die Jung-Stilling-Allee hinunter geht es über die Rothenberger Straße und durch die Gerbergasse auf den Marktplatz und vors Rathaus, wo sich die Band auf den Stufen postiert. Die 300 finden ihre Plätze, die Musik beginnt. „Miteinander — nicht gegeneinander“ rufen sie.
10.15 Uhr: Das Finale
Die Leute vom Wochenmarkt-Bummel schauen interessiert zu, mancher Daumen, auch der von Bürgermeister Holger Menzel, geht nach oben. Und dann geht es zurück in die Schule.
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