Hilchenbach. Dem Hilchenbacher Stadtarchiv gehen die letzten freien Regalmeter aus – die Bücherei nebenan kann sich wenigstens mit Flohmärkten behelfen.
Im Rathaus fliegt offensichtlich das Papier aus den Büros. Mit der „digitalen Umstellung“ jedenfalls erklärt sich Stadtarchivarin Verena Hof-Freudenberg den Massenanfall an Akten, die seit ihrem Amtsantritt im August bei ihr abgegeben worden sind: 1106, die nach der Sichtung übrig geblieben sind, in säurefreie Mappen gepackt und von Metall, wie zum Beispiel Büroklammern, befreit werden.
Archiv: Dependance zu schwach für starke Lasten
Eine Stunde Arbeitsaufwand wird gemeinhin je Akte veranschlagt. Den musste die neue Archivarin, die die Nachfolge von Reinhard Gämlich angetreten hat, allerdings nicht allein aufbringen: „Ich hatte gute Vorarbeiter in der Verwaltung.“ Die große Sorge des Archivs konnten die ihr allerdings nicht abnehmen: Der Platz wird knapp. Acht Regalmeter sind noch frei, der Rest mit an die 70.000 Akten, Büchern, Nachlässen und sonstigen Archivalien belegt.. „In sechs Monaten sind wir auf Null“, sagt Verena Hof-Freudenberg, „das ist ein ganz großes Problem.“ Platz im Keller wäre noch für ein kleines Rollregallager, das Kapazität für ein bis zwei Jahre bringt. Der bereits längst als Archiv-Dependance genutzte ehemalige Verwaltungstrakt des Jung-Stilling-Gymnasiums, der heutigen Carl-Kraemer-Realschule, ist da auch keine Alternative mehr: „Die Räume müssen das ja auch statisch aushalten.“ Und ein Archiv ist nun mal kein Leichtgewicht.
Lieber doch kein Konzept
Bisher keinen Platz im Kulturhaushalt gefunden hat das Kulturkonzept, für das nach dem Willen des Kulturausschusses 30.000 Euro bereitgestellt werden sollten – vor allem, um Inhalte und Organisation des Kulturellen Marktplatzes zu klären.
In der nicht öffentlichen Sitzung konfrontierte die Verwaltung den Ausschuss mit dem Vorschlag, auf die Ausschreibung des Konzepts zu verzichten. Sie stellte einen Hilchenbacher vor, der das Projekt begleiten könnte.
Im Archiv geht es nicht nur um Verwaltungsakten. Seit August hat die Archivarin auch über 240 Anfragen von Privaten, Behörden und Institutionen wie Museen und Unis bearbeitet. Und einen neuen Bestand bekommen: Unterlagen der Leimfabrik Hugo Holdinghausen aus Helberhausen, die im Universitätsarchiv Mainz gelandet waren, keineswegs nur Geschäftsakten, sondern auch Briefe und Tagebücher. Solche „Ego-Dokumente“, wie die Archivare auf die Person bezogene Schriftstücke nennen, „bekommt man nur ganz selten“, freut sich Verena Hof-Freudenberg. Bereits angekündigt hat Manfred Hofmann, der Philatelist aus Eichen, einen Beitrag: seine komplette Sammlung zur Hilchenbacher Postgeschichte. Auch die, so die Archivarin, sei „eine kleine Sensation“.
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Bücherei: Schulkinder haben keine Zeit mehr
Verena Hof-Freudenbergs Kollegin auf derselben Etage ist Birgit Latz, seit inzwischen 30 Jahren Leiterin der Stadtbücherei. Sie hat, im Prinzip, dasselbe Problem wie die Archivarin, löst das aber auf eigene Weise: Zwei Bücherflohmärkte mit um dei 1000 Büchern pro Jahr sorgen dafür, dass der Bestand an Medien unter dem Strich immer gleich bleibt. Jeder zahlt, was er will. Der Erlös wird für Neuanschaffungen verwendet. Archivarin Verena Hof-Freudenberg darf da nicht mithalten; Gesetze bestimmen, wie lange welche Schriftstücke aufzubewahren sind. Das sei eben der „rechtssichernde Charakter“ eines Archivs, erinnert sie die Gäste aus dem Kulturausschuss – eine keineswegs freiwillige, einsparbare Leistung der Stadt. Bei den Flohmärkten dürfen sich auch Private mit Bücherspenden anschließen. Aber nicht früher als zwei Tage vor dem Termin, bittet Birgit Latz. Der Platz...
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Rund 11.000 Besucher haben im vergangenen Jahr rund 30.000 Mal Medien ausgeliehen, berichtet Büchereileiterin Birgit Latz. Die Bücherei sei mit 21 Öffnungsstunden pro Woche „eine der meistgenutzten Kultureinrichtungen der Stadt“, erinnert sie, „das geht häufig unter.“ Mittlerweile zwei Drittel der Besucher sind Erwachsene, früher waren die Kinder in der Mehrzahl. „Schulkinder sehe ich nachmittags so gut wie gar nicht mehr“, sagt Birgit Latz, „der offene Ganztag hat eben Vor- und Nachteile.“ Längst kommt stattdessen nun die Bücherei in die Schulen, erstmals jetzt auch zu einem Elternabend, bei dem Jugendbücher vorgestellt wurden. Birgit Latz: „Wir wissen, was die brauchen.“
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Die beliebten monatliche Vorlesestunden gibt es gerade nicht mehr. Birgit Latz sucht Nachfolgerinnen für die beiden Lesepatinnen. Sie könnten die ganz Kleinen mit Büchern vertraut machen, die immer stärkere Konkurrenz bekommen: eher zaghaft noch bei der Onleihe 24, dem E-Book-Verbund von mehr als 40 Büchereien, der rund 75.000 Titel digital bereithält. Mit 3000 Ausleihen (von 665.000 im gesamten Verbund) nimmt Hilchenbach einen sehr bescheidenen Rang ein. Bestgenutzter Bestand übrigens – vor den Zeitschriften – sind die DVD. Auch die haben keine Zukunft, weiß Büchereileiterin Birgit Latz. „Die Leute streamen eher. Vor allem Jüngere leihen sich keine silbernen Scheiben mehr aus.“
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