Hilchenbach. Verena Hof-Freudenberg hat ihre erste Sprechstunde als Stadtarchivarin. Digitaler soll das Archiv werden – und attraktiv fürs Publikum.

Die erste Sprechstunde, die erste Anfrage. Eine Architektin erkundigt sich nach dem Baujahr eines Hauses, der Blick in die Gebäudekartei ist eine Fingerübung. Verena Hof-Freudenberg hat als neue Stadtarchivarin in der Wilhelmsburg angefangen. Bis Ende Juli ist hat sie mittwochs von 10 bis 12 Uhr Sprechstunden, ab August ist das Archiv wieder regulär geöffnet.

Die Zeit dazwischen braucht die Müsenerin nicht nur zum Einarbeiten – auch den Job am Lehrstuhl für mittlere und neue Geschichte an der Siegener Uni, sagt sie, will sie „noch ordentlich zu Ende bringen“. Schließlich kam das alles ein bisschen schnell in Hilchenbach. Die Studierenden, die an ihrem Proseminar über den Investiturstreit teilnehmen, sollen nicht unter dem Berufs-Umstieg der Dozentin leiden.

Mehr Uni, mehr Digitales

Ein totaler beruflicher Umstieg? Eigentlich nicht. Lokale und regionale Geschichte sind ihr Ding. Den Müsener Dorfbrand hat sie schon zum Thema ihrer Bachelor-Arbeit über „Urbane Katastrophen im 19. Jahrhundert“ gemacht. Und das Hilchenbacher Stadtarchiv hat sie schon im Studium während zweier Praktika kennen gelernt, 2009 und 2010. „Das hat mir gut gefallen.“

Den Kontakt zu diesem und zu anderen Archiven hat sie nicht nur gehalten, sondern auch ihren Studis ans Herz gelegt – die Kooperation mit ihrem Lehrstuhl bringt sie direkt mit. „Das wird“, sagt Verena Hof-Freudenberg. Veränderte Anforderungen im Studium haben dazu beigetragen, dass Studierende das Archiv weniger nutzen. Der Mausklick und das Wischen über einen Monitor sind längst geläufiger als das Wälzen von Papierakten. Abgesehen davon ist die Lektüre mühsam: „Man muss die Angst vor den Handschriften nehmen.“

Worum sich die neue Archivarin kümmern wird, wenn ihr das Tagesgeschäft Zeit lässt, wenn also alle Anfragen aus Verwaltung und Bürgerschaft beantwortet und alle neuen Dokumente archiviert sind? „Soziale Fragen finde ich spannend“, sagt Verena Hof-Freudenberg, „nicht die großen Männer und Frauen, Prinzen und Prinzessinnen.“ Denn Geschichte kann auch viel für die Gegenwart erklären. „Digitaler werden“ soll das Archiv auch: „Das ist nicht ganz einfach.“ Über die Langzeitarchivierung digitaler Dokumente zerbricht sich schließlich der ganze Berufsstand den Kopf. Einfacher wird die digitale Öffentlichkeitsarbeit sein: Homepage und Social Media sollen Schätze des Archivs ans Tageslicht befördern.

Mit Reinhard Gämlichs „Festplatte“

„Wir möchten das Archiv in den Blickpunkt der Öffentlichkeit rücken“, betont Fachbereichsleiter Hans-Jürgen Klein: Die Hilchenbacher sollen sehen, was sie an ihrem Archiv haben.“ Jahrestage und Jubiläen bieten Anlässe, Festschriften von Vereinen könnten weiterverbreitet werden, auch Ausstellungen aus Archivbeständen sind denkbar. Verena Hof-Freudenberg fällt sofort die eigene Recherche ein: Im April hat sich der große Hilchenbacher Stadtbrand zum 175. Mal gejährt. „Am 26.“, fügt Reinhard Gämlich sofort hinzu. „Das ist meine Festplatte...“ Die der Pensionär, der vor einem Jahr eigentlich in den Ruhestand verabschiedet wurde, der Stadt noch mindestens bis zum Jahresende zur Verfügung stellt, um die Nachfolgerin einzuarbeiten.

Noch mehr Festplatte? Gämlich erinnert daran, dass auch er der zweite Nachfolger seine Vorgängers Friedrich Klein wurde. Damals nahm der frisch eingeführte neue Archivar ein Angebot als Museumsleiter an – so wie 33 Jahre später, als Gämlich zunächst seinen Kollegen Darius Schürmann einarbeitete, der dann in diesem Jahr zur Stadt Olpe wechselte.

Die Zeit arbeitet für die Geschichte und das Archiv, glaubt Verena Hof-Freudenberg, die sich unter rund 20 Bewerbungen um die Position im Archiv durchsetzen konnte. „In Zeiten der Globalisierung besinnen sich die Menschen auf das Regionale.“