Siegen-Wittgenstein. In Siegen-Wittgenstein arbeiten 35.600 Beschäftigte in Kleinbetrieben. Viele davon sind ohne Betriebsrat. Die Gewerkschaft NGG will das ändern.
Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) ruft anlässlich des 100-jährigen Bestehens von Betriebsräten in Deutschland zur Gründung von mehr Betriebsräten im Kreis Siegen-Wittgenstein auf. Dies sei „gerade in kleinen Bäckereien, Restaurants und Pensionen“ erforderlich, wie Isabell Mura, Geschäftsführerin der NGG in Südwestfalen, betont. „Ohne das Sprachrohr der Belegschaft ziehen Beschäftigte oft den Kürzeren – von der Arbeitszeit bis zur Personalplanung.“
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Rechtliches
In Siegen-Wittgenstein arbeiten der Gewerkschaft zufolge rund 35.600 Beschäftigte in Kleinbetrieben mit weniger als 50 Beschäftigten – Kleinstbetriebe mit bis zu fünf Personen ausgenommen. Die Gründung eines Betriebsrats sei in Firmen ab fünf Beschäftigten möglich. Wo es keine Arbeitnehmervertretung gebe und sich Menschen über schlechte Arbeitsbedingungen ärgern, ermutigt die NGG Betroffene, „sich stärker um ihre Interessen zu kümmern“ und selbst die Initiative zu ergreifen.
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Künftiges
Mit Blick auf die Digitalisierung seien Arbeitnehmervertreter „wichtiger denn je“, heißt es weiter. Die NGG nennt dazu Beispiele aus der Gastrobranche, etwa neue Rezepturen in der Lebensmittelherstellung oder Software-Umstellungen an Kassensystemen. Gewerkschaften weisen immer wieder darauf hin, dass sich der Arbeitsalltag in vielen Berufen im Zuge der Digitalisierung massiv verändern wird und Belegschaften Wege finden müssten, die Änderungen ohne zusätzliche Belastungen in die täglichen Abläufe zu integrieren. Angesichts dieses teils massiven Wandels führe an den Veränderungen an sich – Stichwort: „Lebenslanges Lernen“ – auch kein Weg vorbei, um die eigene berufliche Zukunft zu stützen.
Von den Nazis verboten
Das Betriebsrätegesetz, Vorläufer heutiger Mitbestimmung, trat am 4. Februar 1920 trat in Kraft. Die Nazis schafften die Arbeitnehmervertretungen 1934 ab. Seit 1952 sind die Pflichten und Rechte der Betriebsräte im Betriebsverfassungsgesetz festgeschrieben.
Produktives
Auch für die Unternehmen bedeuten Betriebsräte aber Vorteile, wie Isabell Mura erläutert. Sie „helfen nicht nur, Jobs zu sichern. Sie geben auch kreative Impulse aus der Belegschaft an die Chefetage weiter und tragen dazu bei, Firmen fit für die Zukunft zu machen.“ Laut NGG „sind Firmen mit Betriebsrat durchschnittlich 18 Prozent produktiver als solche ohne“ – das habe eine Studie der Hans-Böckler-Stiftung ergeben. Grund: „Arbeitnehmervertretungen erkennen Probleme im Arbeitsalltag schneller und sorgen für einen besseren Austausch zwischen Belegschaft und Management.“
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Ernüchterndes
Trotzdem sei die Zahl der Betriebsräte in den vergangenen Jahren gesunken. Laut aktueller Untersuchung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hätten sich 2002 noch 51 Prozent aller Beschäftigten in NRW an einen Betriebsrat wenden können, 2018 nur noch 44 Prozent. Dafür sei auch „der raue Umgangston in vielen Kleinbetrieben verantwortlich“, schätzt Mura. „In Bäckereien, Hotels und Metzgereien schrecken Beschäftigte oft vor einer Betriebsratsgründung zurück“, sagt die Gewerkschafterin. „Doch niemand sollte sich um sein gutes Recht bringen lassen.“ Die NGG biete Mitgliedern Unterstützung beim Aufbau einer Arbeitnehmervertretung.
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