Freudenberg. Werkschau des Malers und Bildhauers Hermann Kuhmichel in Freudenberg ist erneut Anlass für Kontroverse über dessen Haltung in der Nazi-Diktatur.

Das 4Fachwerk-Museum zeigt noch bis Sonntag, 12. Januar, eine Werkschau mit Arbeiten des Siegerländer Künstlers Hermann Kuhmichel.

Das Leben

Kuratiert wurde die Ausstellung von Dr. Ingrid Leopold, die zur Eröffnung den Lebensweg des Künstlers nachzeichnete: Kuhmichel wurde am 4. März 1898 in Eiserfeld geboren, besuchte die Rektoratsschule in Weidenau, das heutige Fürst-Johann-Moritz-Gymnasium, wurde Forstlehrer und Gutsverwalter in Meißen. 1927 nahm Hermann Kuhmichel ein Studium bei dem Barlach-Schüler Hein Minkenberg auf, schrieb sich später an der Werkkunstschule in Köln sowie der Kunstakademie Düsseldorf ein. Sein erstes Atelier hatte er in Köln, sein erstes Siegerländer Atelier eröffnete er 1929 in einem stillgelegten Fabrikgebäude in der Siegener Flurenwende. 1953 zog er in ein eigenes Haus mit Atelier am Weidenauer Schneppenberg ein.

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Hermann Kuhmichel fertigte Eisengussplatten und -skulpturen, Skulpturen und Reliefs aus Stein, Holz und Metall, Wandputzbilder, Glasmalereien, Monotypien, Holzschnitte, Kohlezeichnungen, Stickbilder und Wandteppiche. Dokumentiert wurde das Werk 2016 von Frieder Henrich, der als Kind häufig Gast in Kuhmichels Werkstatt war.

Hermann Kuhmichel
Hermann Kuhmichel © Privat

Ein Nazi?

Detailliert geht Wilfried Lerchstein 2019 in der Zeitschrift Siegerland des Siegerländer Heimat- und Geschichtsvereins auf Hermann Kuhmichels Werk ein: 1931 gestaltete Kuhmichel ein Kriegerdenkmal in Neunkirchen, 1932 in Volnsberg ein Ehrenmal für die Gefallenen des 1. Weltkriegs, das die Dolchstoßlegende (den „Dolchstoß“ der Revolutionäre in der Heimat gegen die „im Felde Unbesiegten“) vertritt. 1933 beauftragte ihn die Stadt Siegen mit den Kassetten für die Ehrenbürgerbriefe an Hindenburg und Hitler. 1934 fertigte er die Plastik für den Rubensbrunnen im Park des Oberen Schlosses, 1936 eine Statue, die Johann den Mittleren zeigt, im Schlosspark und den „Wächter aus Stein“ vor der Wellersbergkaserne. 1935 wurde sein Gefallenen-Ehrenmal in Netphen enthüllt, das – erstmals in Deutschland – den Soldaten des 1. Weltkriegs und den Teilnehmern des Hitler-Putschs von 1923 gleichermaßen gewidmet war. „Getreu bis in den Tod“ lautete die Inschrift unter Haken- und Eisernem Kreuz. 1940 wurde das Denkmal als „Metallspende“ eingeschmolzen.

Kein Nazi?

Weil Kuhmichel auch christliche Motive bearbeitete, drohte ihm 1935 ein Arbeits- und Ausstellungsverbot. Auch wurden drei seiner Arbeiten 1937 als „Entartete Kunst“ beschlagnahmt. Kuhmichel sei kein Nazi gewesen, stellte Traute Fries, Vorsitzendes des Siegener Kulturausschusses, 2017 in einem von Lerchstein zitierten Vortrag klar. Kuhmichel selbst schrieb 1942 über den Siegener Oberbürgermeister Alfred Fißmer: „Er hat sich ein Loch in den Bauch geschossen und wird mir fernerhin kein Leid mehr zufügen.“ Nach dem 2. Weltkrieg schuf er Sgraffiti und Plastiken mit religiösem Inhalt wie „Menschen unter dem Kreuz“ in der Wenschtkirche, 1957 „Die Ausschauende“ für die Gedenkstätte am Unteren Schloss, die Bronzebüste von Johann Moritz im Foyer des FJM-Gymnasiums und – 1959 – den Krombacher Bierbrunnen. „Mein Vorbild ist der Siegerländer Christ, sind die einfachen Leute, die sich mit dem Christentum wirklich abschleppen“, wurde Kuhmichel in einem 1966, ein Jahr nach seinem Tod, erschienenen Aufsatz zitiert.

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Die Kontroverse

Um die Ausstellung in Freudenberg entbrannte eine Kontroverse, die im Kreisarchiv-Blog siwiarchiv.de ausgetragen wurde. „Ein Nazikünstler, der wie kaum ein anderer im Siegerland, auf das seine Bekanntheit sich beschränkte, für die enge Symbiose von ‘Heimat’bewegung und SS-Bewegung steht, wird drei, vier Generationen später von heimat- und bildungsbegeisterten Bürgern gefeiert. Als sei nichts geschehen“, schrieb der Siegener Historiker Dr. Ulrich Opfermann.

Bekannt sind Hermann Kuhmichels Arbeiten aus dem christlich-religiösen Themenkreis.
Bekannt sind Hermann Kuhmichels Arbeiten aus dem christlich-religiösen Themenkreis. © 4FACHWERK-Mittendrin-Museum

„Anmaßend und gnadenlos“ sei dieses Urteil, erwiderte die Siegener SPD-Politikerin Traute Fries. Dr. Hans Hanke, Historiker beim Landschaftsverband, halte den „mentalen und künstlerischen Spagat zwischen NS-Gegnerschaft und NS-Aufträgen“ für nachvollziehbar. Kuhmichel habe eine Familie zu versorgen gehabt, schrieb Traute Fries: „Wie hätte sich Ulrich Opfermann in der Nazidiktatur verhalten?“ Zumindest sei die „Schnittmenge zwischen dem in diesem Fall nationalsozialistischen Kunstverständnis und dem Kuhmichelschen Oeuvre recht hoch“, meldete sich schließlich Kreisarchivar Thomas Wolf. Das berechtige nicht dazu, Kuhmichel als Nationalsozialisten zu bezeichnen. „Aber ein Unbehagen gerade bei diesen militaristischen Werken bleibt bei mir.“

„Er hätte auch was anderes machen können, wenn er nur gewollt hätte“, antwortete Ulrich Opfermann: „Hat Kuhmichel jemals eine Scham, eine Reue, eine Distanzierung zu einer Nazikunst artikuliert (...)? Ist mir bei meinen Untersuchungen zur ja hoch NS-belasteten regionalen Heimatszene bislang noch nie begegnet.“ Dr. Ingrid Leopold verwies auf persönliche Briefe Kuhmichels, die dessen „Betroffenheit und Verzweiflung“ über das Schicksal der Soldaten im 2. Weltkrieg ausdrückten. Die Reichskulturkammer habe Kuhmichel die Verherrlichung des „Weltjudentums“ vorgehalten; er habe seine Pflicht versäumt, „all sein Können in die Verewigung des arischen Menschen zu stellen“. Dr. Leopold: „Hermann Kuhmichel war in der Nazizeit Repressalien und Bedrohungen ausgesetzt, die seine und die Existenz der Familie gefährdeten.“

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