Siegen. Publikum im Apollo feiert das Gastspiel der Dinslakener Burghofbühne. Bert Brechts „Hyäne des Schlachtfelds“ wird dabei in die Gegenwart gezogen.

Am Schluss hält Christiane Wilke als „Mutter Courage“ ihre tote Tochter Kattrin (Maren Kraus) in den Armen – die Söhne sind schon tot – und klagt bitterlich, dass der Krieg doch noch so viele gute Dinge für beide bereithielte. Dann wird es dunkel im Apollo-Theater, Beifall brandet auf und die Schauspieler werden minutenlang gefeiert.

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Was nicht mehr zu sehen ist in dieser Brecht-Inszenierung der Burghofbühne Dinslaken, wie die Marketenderin mit ihrem Wagen weiterzieht, nunmehr ganz allen, dem Heer nach, und weiter ihre Geschäfte machen wird. Wie eine „Hyäne des Schlachtfeldes“, als die sie zwischendurch einmal bezeichnet wird. Ausgerechnet vom Feldprediger (Arno Kempf), der selbst jahrelang die Berechtigung und die Heiligkeit des Krieges propagiert hat, inzwischen aber von der Profitgier der Frau mehr und mehr angewidert scheint.

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Parodien auf Youtube-Influenzer Bestandteil des Stücks

Regisseur André Rössler hat seine 2018 erstaufgeführte Produktion in einer seltsamen Kulisse angesiedelt, die anfangs von allen Protagonisten betreten wird, die an einen Wartesaal erinnert, in dem sich gewissermaßen all jene versammeln, die als Todgeweihte oder vielleicht auch eigentlich schon Gestorbene in die Hölle des 30-jährigen Krieges Brechtschen Zuschnittes eintreten müssen.

Die nächsten Termine

Auf dem Spielplan des Apollo-Theaters steht heute, Mittwoch, 20 Uhr, Samuel Becketts Komödie „Endspiel“. Es gastiert das Turmtheater Regensburg.

In der Reihe „Apollo Vokal“ gastieren am Donnerstag, 23. Januar, 20 Uhr, die „Ringmasters“ mit einem A-Cappella-Repertoire von Barbershop-Klassikern über große Broadway- Songs und Filmmusik bis hin zu den Beatles und Elvis Presley.

Moral und Anstand gibt es auf keiner Seite dieser kleinen Horrorszenerie in einer größeren Gesamtapokalypse, die der Zuschauer mit Unterstützung von „Courage-TV, der Mutter aller Serien“ vermittelt bekommt, wo sich Parodien auf YouTube-Influencer mit Fernsehbildern aus dem Nahost-Krieg und Ansagen einer dümmlich-real wirkenden Ansagerin abwechseln, einmal auch die Titelkarte von Luis Trenkers „Der verlorene Sohn“ eingeblendet wird, als Synonym für eines der verlorenen Kinder der „Mutter Courage“.

Garderobe erinnert an Trash-TV

Als Uniformen werden rote Jogginganzüge benutzt, die ein wenig unappetitlich an Zuschauer von Trash-TV oder Anhänger eines süddeutschen Fußballvereins erinnern. Die einfachen Soldaten oder besser Söldner tragen nur rote Hosen zum weißen T-Shirt, während der Feldwebel auch eine Jacke bekommt. Der ranghöchste Militär der Handlung, der Feldhauptmann, trägt hingegen den grauen Anzug eines klassischen Kriegsgewinnlers.

Kürzungen des Stoffes und die eine oder andere Auswirkung überzogenen Regietheaters machen es hier und da schwierig, auf der Höhe der Handlung zu bleiben. Höhepunkt der Abscheu ist eine Szene, in der die Schauspieler eine (zum Ensemble gehörende) angebliche Studentin auf die Bühne holen und ihr gegen 250 Euro die Bereitschaft abkaufen, einem der Schauspieler mit einem blutigen Schwamm „so richtig in die Fresse“ zu hauen.

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Zuschauer verlassen mit beklemmenden Eindruck das Theater

Nicht alles in dieser Inszenierung ist gelungen, die vielleicht auch den Mut hätte haben sollen, die gesamte Geschichte passend zu Kulisse und Kostümen in eine unbestimmte Zukunft zu verlegen. Der Zuschauer geht beeindruckt und mit dem beklemmenden Eindruck nach Hause, gut 80 Jahre nach der Premiere nach wie vor in einer Welt mit viel zu vielen Feldhauptmännern und blind folgenden Marketendern, kritiklosen Geistlichen und hilflos herumtaumelnden Opfern zu leben. Lernen und weiterentwickeln, das ist bei Brechts Figuren nicht vorgesehen. Mag sein, dass er da einfach die unveränderbare Natur des Menschen festgeschrieben hat.

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