Freudenberg. Freudenberg gehört zu den Städten, die am 1. Januar 1969 neu gebildet wurden. Und schon ging es los: mit der Autobahn und dem neuen Schulzentrum.

Die meisten der acht Städte und Gemeinden, die am 1. Januar 1969 durch das 2. Siegerlandgesetz neu entstanden sind, haben in diesem Jahr ihr 50-Jähriges gefeiert. Mit Gala und Festwoche wie in Kreuztal, mit Festwochenenden in Freudenberg, Burbach, Neunkirchen und Wilnsdorf, mit einer Ausstellung in Netphen. Aus Freudenberg kommt als besonderer Beitrag eine „Tour in die Geschichte“: Bernd Brandemann hat für die Arbeitsgemeinschaft der Heimatvereine einen Blick zurück auf das Gründungsjahr 1969 geworfen.

Letzte Male

„Zunächst galt es Abschied zu nehmen“, erinnert Brandemann an die letzte Zusammenkunft der Bürgermeister aus dem Amt Freudenberg, Anlass war am 23. Dezember 1968 die Eröffnung des Sparkassenerweiterungsbaus. Schon wenige Tage später wurde aus der „Amtssparkasse“ die „Stadtsparkasse“, die 2015 mit der Sparkasse Siegen fusionierte. Am 28. Dezember fand die letzte Ratssitzung der „alten“ Stadt Freudenberg statt, die nun mit den Gemeinden des Amtes Freudenberg zusammengeschlossen wurde. Am 30. Dezember tagte zum letzten Mal die Amtsvertretung, feierlich im damals neuen Schlossberg-Hotel. Zu beschließen war der Kauf von Schneeketten für das Ölwehrfahrtzeug der Feuerwehr.

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„Mit Wehmut erfüllt uns die Stunde“, sagte Amtsvertreter Paul-Ulrich Flender. Meiswinkel wurde an dei Stadt Hüttental abgegeben, Ober- und Mittelhees an die Stadt Kreuztal. Hans Müller, letzter Bürgermeister von Mittelhees und danach viele Jahre Stadtverordneter in Kreuztal, hoffte auf einen „Tag der Wiedervereinigung in der Großstadt Siegen“. Schon 1966, mit dem 1. Siegerland-Gesetz, hatte Freudenberg zwei Gemeinden verloren: Oberschelden an die Stadt Eiserfeld, Langenholdinghausen an die Stadt Hüttental. Am 31. Dezember luden die Niederndorfer eine Puppe vor dem alten Rathaus ab: „Dn lätzte Mockeburjer krieje de Fleecker Strätzer“, stand auf der zugehörigen Tafel.

Erste Wahl

Bis zu den Kommunalwahlen im März wurde auch Freudenberg von Beauftragten verwaltet: SPD-Fraktionschef Hermann Vomhof (SPD) wurde vom Innenminister zum „Beauftragten für die Aufgaben des Bürgermeisters“, Günter Mangelsdorf zum „Beauftragten für die Aufgaben des Stadtdirektors“ ernannt. Vomhof war dann, mit einer kurzen Unterbrechung, bis 1998 Stadtoberhaupt. Als Stadtdirektor kam 1975 Jürgen Sawahn nach Freudenberg – die gegen ihren Willen nach Siegen eingemeindete Stadt Eiserfeld brauchte ihren Kämmerer nicht mehr.

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Im neuen Rat bildeten SPD und FDP eine „Arbeitsgemeinschaft“, die auch in den Ortsteilen mit CDU-Mehrheiten durchregierte und Ortsvorsteher aus ihren Reihen einsetzte. 1,1 Millionen Mark Schulden brachten die ein eingemeindeten Ortschaften nach Freudenberg mit, nur Niederholzklau hob sich mit einem Überschuss von 2761 Mark ab. Über den ersten Haushalt der neuen Stadt beriet der Finanzausschuss neuneinhalb Stunden lang bis 1.30 Uhr.

Erste Themen

Auf die Tagesordnung kam der öffentliche Nahverkehr: eine Linie der Kreisbahn nach Siegen, eine Linie des Kraftverkehrs Olpe nach Kreuztal, Linien der Firma Kalb zwischen Alchen und Freudenberg, nach Niederfischbach und ins Heuslingtal - mit diesem spärlichen Angebot, fand der Bürgermeister, könne eine Stadt nicht zusammenwachsen. Um die Bahn musste die Stadt von Anfang an kämpfen: Der Niedergang der Strecke Kirchen-Freudenberg-Olpe begann mit dem Vorhaben, die Stückgutabfertigungen in Freudenberg und Niederfischbach einzustellen.

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Auf der Wilhelmshöhe, auf dem Kuhlenberg und in Niederndorf sollten drei große Gewerbegebiete entstehen. Freudenberg/Büchergrund, Alchen/Lindenberg und Niederndorf/Oberfischbach sollten die Entwicklungsschwerpunkte der Stadt sein. Und: Der Alte Flecken sollte saniert und erhalten werden. Das sollten die Schwerpunkte der Freudenberger Politik werden. Und: der Fremdenverkehr. „Wir besitzen den Ehrgeiz, ein Ferienparadies zu sein“, sagte FDP-Stadtverordneter Gerd Leopold im Dezember 1969. Für den Minigolfplatz auf dem Marktplatz griff die Verwaltungsspitze selbst zu Schaufel und Schubkarre – denn es war noch so unendlich viel zu tun: In „Schlammacker“ tauften entnervte Anwohner den Schieferacker um, und für die von der Eingemeindung sowieso enttäuschten Büschergrunder wurde ihre Poststraße zum „Pfützchenweg“. Der Protest hatte schon im August Erfolg, der Rat beschloss den Straßenausbau.

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Im Juni wurde der Auftrag für den Bau der Autobahn-Talbrücke Büschergrund erteilt; über den Preis für den Grunderwerb prozessierten Anlieger mit dem Straßenneubauamt. Ebenfalls 1969 begann der zwei Jahre zuvor noch von der Amtsvertretung beschlossene Bau des Schulzentrums Büschergrund – die 1966 eröffnete Realschule brauchte Platz, ein Hallenbad – heute: Mensa der Gesamtschule – wurde schließlich dort auch noch untergebracht.

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Erste Bilanz

Bernd Brandemann zitiert den früheren Alchener Bürgermeister Werner Gieseler, der im Herbst 1969 erste Bilanz zieht: „Die frühere Gemeindevertretung hat in vier Wochen für Alchen mehr getan als die heutige Stadtvertretung in einem Jahr. Sollen die Alchener auch weiterhin denken: In Siegen wären wir besser aufgehoben?“ Brandemann, selbst zeitweise stellvertretender Bürgermeister der Stadt und heute Chef der CDU-Kreistagsfraktion, rechnet Alchen dagegen eine Erfolgsgeschichte vor: Um 70 Prozent sei die Einwohnerzahl des Stadtteils seit 1969 gestiegen. Den Jahresausklang konnte, wer wollte, beim Silvesterball im Schlossberg-Hotel begehen. Bei Langusten, Räucherlachs und Cointreau-Parfait.

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