Siegen. .
Zwei Paragrafen haben den Jahreswechsel vor 40 Jahren zu einem besonderen gemacht. Der Paragraf 17 des Sauerland-Paderborn-Gesetzes strich die noch nicht einmal neun Jahre alten Städte Eiserfeld und Hüttental von der Landkarte — aus ihnen wurden Stadtteile der neuen „Großstadt“ Siegen. Ein Ort wie Weidenau, immerhin noch 1955 selbst zur Stadt erhoben, der das erste Siegerland-Gesetz von 1966 noch in der Bindestrich-Bezeichnung „Hüttental-Weidenau“ überlebt hatte, verwandelte sich in „Siegen 21“. Und weil es in der großen Stadt vieles doppelt und dreifach gab, ging es bald auch vertrauten Adressen an den Kragen: Aus der Kirchstraße wurde die Erzstraße, aus der Schulstraße der Schneppenkauten, aus der Sandstraße die Formerstraße, aus der Gartenstraße die Gärtnerstraße...
Siegen streckt die Hände aus
Während die Vertretung der jungen Stadt Hüttental sich ins Unvermeidliche fügte, unternahm die Südstadt den Versuch des Widerstandes. Eiserfeld wollte sich lieber durch eine grenzübergreifende Gebietsreform stärken. Doch das NRW-Innenministerium hielt nichts von Spekulationen auf die Eingemeindung von Mudersbach und Brachbach. Selbst dann, so heißt es in dem Neugliederungsvorschlag von 1974, hätte Eiserfeld „keine eigenständige Entwicklungschance“. Der Verfassungsgerichtshof der Landes NRW verwarf die Eiserfelder Verfassungsbeschwerde am 25. März 1977 – so, wie das Bundesverfassungsgericht schon Jahre zuvor auch die Klage Kaan-Marienborns gegen die Eingemeindung nach Siegen verworfen hatte.
Mit dem Zusammenschluss der drei Städte im Kernraum waren längst nicht alle Ansprüche an die Neugliederung befriedigt — ganz abgesehen von der „Siegerlandstadt“, zu der nach Vorstellungen der SPD von 1965 alle Kommunen des Landkreises zusammenwachsen sollten. Ausgerechnet aus Eiserfeld war 1962 die Idee einer „Hüttentalstadt“ gekommen, die sich zwischen Niederschelden und Kreuztal ausgedehnt hätte. „Siegen ist absolut schwach geblieben“, bedauerte Siegens Bürgermeister Ulf Stötzel noch vor zehn Jahren — zu Lasten von starken Umlandgemeinden, die bei der zweiten Neugliederung 1969 entstanden sind. Unter ihnen auch Netphen, wo Stötzel selbst bis 1999 Verwaltungschef war. Mit rund 117 000 Einwohnern startete die neue „große kreisangehörige Stadt“. Heute hat sie noch 99 400 — fast 18 000 Einwohner weniger, so viele, wie heute noch im ehemaligen Eiserfelder Stadtgebiet leben.
Von Netphen hätte Siegen gern Dreis-Tiefenbach, Eckmannshausen und Unglinghausen übernommen — Dreis-Tiefenbach hatte die Gemeinde schon 1966 der neuen Nachbarstadt Hüttental überlassen wollen; der bereits unterschriebene Vertrag wurde allerdings vom Oberkreisdirektor kassiert. Einen Blick geworfen hatte Siegen auch — immer auf der Suche nach Reserveflächen für Gewerbegebiete – auf die Wilnsdorfer Ortsteile Ober- und Niederdielfen und auf die Freudenberger Stadtteile Ober- und Niederholzklau, Alchen und Bühl. Dort hatte gerade Jürgen Sawahn als Stadtdirektor die Verwaltungsleitung übernommen — eine neue Aufgabe, nachdem er die Eiserfelder Stadtkasse, deren Herr er als Kämmerer war, in Siegen hatte abliefern müssen.
Olpe sollte auch dazukommen
Mit dem Sauerland-Paderborn-Gesetz endete die Neugliederung des Siegerlandes. Von einst 114 selbstständigen Gemeinden waren acht übrig geblieben. Weitere Neugliederungswünsche blieben unerfüllt. Längst vergessen sind „Berghain“, der von sechs späteren Freudenberger Stadtteilen angestrebte Zusammenschluss, „Obersieg“, der von Dreis-Tiefenbach favorisierte Namen für das unaussprechliche Netphen, und „Mükreda“, das Kunstwort aus Müsen, Kredenbach und Dahlbruch. Am längsten währte der Gram in Hilchenbach, wo der frühere Stadtdirektor Dr. Hans Christhard Mahrenholz auch 1999 noch den Zusammenschluss mit Kreuztal forderte — wenn Hilchenbach schon nicht Kredenbach mit seinem Industriegebiet bekommen sollte: „Nur, Kreuztal mag uns nicht, und Hilchenbach mag Kreuztal nicht.“
Eher in Wittgenstein als im Siegerland schmerzte der Paragraf 38 des Sauerland-Paderborn-Gesetzes: Die zum 1. Januar 1975 neu gebildeten Städte Bad Laasphe, Bad Berleburg und die neue Gemeinde Erndtebrück wurden Teil des Kreises Siegen, der Kreis Wittgenstein verschwand von der Landkarte und kehrte dorthin erst 1984 mit dem Bindestrich-Namen Siegen-Wittgenstein und 1999 ins Kreiswappen zurück. Unbehelligt blieb dagegen der Kreis Olpe als kleinster Landkreis Nordrhein-Westfalens, obwohl der nach dem Befinden des Innenministers in seinem Vorschlag von 1974 „in seinen gegenwärtigen Grenzen nicht erhalten werden kann“. Weder der Zusammenschluss mit Siegen-Wittgenstein noch die Aufteilung auf Siegen und Lüdenscheid waren politisch durchsetzbar.
Bundestagsabgeordneter gratuliert
Zum Jubiläum des 1975 neu gebildeten Kreises hat CDU-Bundestagsabgeordneter Volkmar Klein gratuliert: „40 Jahre Siegen-Wittgenstein sind eine große Erfolgsgeschichte.“
Seit dem Zusammenschluss der beiden Landkreises Siegen und Wittgenstein habe sich viel getan: „Es wurde vieles verbessert, einiges ist allerdings noch ausbaufähig.“
Volkmar Klein: „Siegerland und Wittgenstein könnten noch enger zusammenrücken, wenn endlich die Straßenverbindung verbessert wird.“