Allenbach. Als Gäste sind die Mitglieder des Hilchenbacher Schulausschusses willkommen. Sie lernen, dass schnelles Internet nicht alles ist.
Für den Besuch des Schulausschusses haben die Kollegen von Oberstudiendirektor Dr. Jochen Dietrich aufgefahren, was Stift Keppel hat: Auf den Laptops – in diesem Raum an jedem Platz – liegen programmierbare Mikrocontroller, es gibt einen 3-D-Drucker und VR-Brillen für Erkundungen einer virtuellen Realität, die zeitlich und räumlich ganz woanders ist.
Wissen und WLAN
Stift Keppel ist MINT-EC-Schule und damit Teil des Exzellenz-Netzwerks, in dem es längst nicht nur um Bandbreiten geht. Im Gegenteil: Schüler, die eben mal eine Grafik vom Taschenrechner aufs Whiteboard werfen können, und Lehrer, die das Tafelbild vom USB-Stick laden, „bringen den Unterricht besser voran als schnelles Internet“, sagt Dr. Dietrich, „es ist nicht so, dass wir ständig Youtube gucken müssten.“
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Der Schulleiter kann es sich leisten, von Kollegen berichten, die Angst um die Tafel haben – die grüne für die Kreide, die neben dem Whiteboard und unter dem Monitor fürs Apple TV steht. Denn in den digitalen Techniken sind alle Lehrer auch Lernende und die Schüler gelegentlich die besseren Experten. „Es gibt immer wieder Situationen, wo wir von denen lernen, was alles geht“, sagt Dr. Jochen Dietrich. Auch die hauseigene Handy-Ordnung ist von den Schülern erarbeitet worden – der Preis dafür, dass in Keppel die Mobiltelefone nicht, wie an vielen anderen Schulen, verboten sind. „Das klappt ganz gut“, sagt Dr. Dietrich, als die Gruppe an einer der wenigen handyfreien Zonen angelangt ist: in der Bibliothek. „Mit Mobbing und Cyber-Bashing haben wir nur wenige Probleme.“
Geschichte und Gegenwart
Er freue sich, dass man uns „mittlerweile wie selbstverständlich dazurechnet“, begrüßt der Oberstudiendirektor die Kommunalpolitiker. Denn die haben hier eigentlich gar nichts zu suchen. Stift Keppel ist zwar seit nun über zehn Jahren das einzige Gymnasium in Hilchenbach, aber keines in städtischer Trägerschaft. Die öffentliche Schule gehört sich sozusagen selbst – nicht der jeweilige Minister ist Dienstherr der Lehrkräfte, sondern der Stiftskurator, derzeit Landrat Andreas Müller. Nur drei von um die 6000 Schulen im Land haben diese ungewöhnliche Rechtsform. „Das hat seinen Charme, wenn man nicht am langen Arm der Bezirksregierung hängt“, sagt Dr. Dietrich. Kann aber auch Nachteile haben, wenn man – wie zum Beispiel bei dem Förderprogramm „Gute Schule 2020“ zunächst einfach vergessen wird: „Wenn man nicht aufpasst, ist niemand mehr zuständig.“
Für zwei Jahre weniger Stellen
Die Rückkehr von G 8 zu G 9 wird Blüten treiben: Dass es 2026 keine Abiturienten gibt, haben die Stundenplan-Macher längst ausgerechnet.
Dass es aber auch zwei Schuljahre gibt, in denen die Oberstufe nur aus zwei Jahrgängen besteht, werden die Kollegien zu spüren bekommen: mit dem Abbau von Stellen, die nicht einfach in den neuen 10. Jahrgang in der Sekundarstufe 1 wandern.
Denn dort zahlt das Land nur für je 19 Schüler einen Lehrer, in der Sekundarstufe 2 aber für je 13 Schüler. 2026/27 werden die Lehrkräfte dann wieder gebraucht. „Das wird ganz schwierig“, ahnt Dr. Jochen Dietrich.
50 Lehrkräfte, fünf Referendare und 648 Schülerinnen und Schüler bilden die Schulgemeinde von Keppel. Keine Stiftsdamen mehr, die einst jeden Morgen aus ihren Zimmern über die Seufzerbrücke hin zu den Klassenzimmern schritten, wo Hilchenbacher Kinder – wie Dr. Dietrich etwas respektlos formuliert – , als Ausbildungsobjekte für die angehenden Lehrerinnen „herhalten mussten“. Aber auch heute noch eine Schule mit Vermögen in Gestalt von Waldbesitz, der manche Investition etwas erleichtert. 2021 wird wieder so eine Gelegenheit sein, die Brücke von der Vergangenheit in die Gegenwart zu schlagen: Dann wird das Gymnasium 150 Jahre alt – wenn man die 1871 errichtete „Keppelsche Schul- und Erziehungsanstalt“ für Mädchen als Vorläuferin akzeptiert. Erstmals erwähnt wird Keppel 1239 als Kloster.
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Kunst und Küche
Keppel ist nicht nur Mint, sondern auch Gymnasium mit Musikzweig, Naturlehrgarten und Jugendlichen, die ihre Persönlichkeit und sozialen Einsatz für den Duke of Edinburgh Award entwickeln. Dr. Jochen Dietrich, selbst Kunstlehrer und Mitglied in der Arbeitsgemeinschaft Siegerländer Künstler, sorgt für Begegnungen mit bildender Kunst: „Ich nutze meine ganz guten Kontakte.“ In der Cafeteria sind die Bilder als Replikate vertreten und für das spezielle Raumklima präpariert.
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Nachdem mehrere gewerbliche Betreiber aufgegeben haben, sorgen nun drei Schüler-Mütter für belegte Brötchen, Salate und andere kleine Snacks. Richtiges Mittagessen war nie gefragt, auch nicht in Zeiten von G 8. „Wir sind nach wie vor Halbtagsschule“, erklärt Dr. Dietrich, verweist aber auch auf das AG-Angebot: „Es gibt eine Menge guter Gründe, nachmittags hier zu bleiben.“
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