Netphen . Netphen macht aus dem Papier für die Politik eine Handreichung für Geflüchtete. Eltern sind Kita und Schule für ihre Kinder am wichtigsten.
Aus dem dicken Wälzer ist ein zwölf Seiten langes Faltblatt geworden. Keine Lektüre mehr für Kommunalpolitiker, sondern eine Handreichung für die Geflüchteten, die in der Stadt ankommen. „Merkwürdig“ finde sie die Aufmachung, sagt Dorothee Spies (CDU) im Sozialausschuss. Für sie ist das Leporello auch nicht gemacht. Die mit verschiedenen Farben unterlegten und nummerierten Zwischenüberschriften („2 Sozialarbeit“, „1 Asylbewerber“, „3 Krankenhilfe“) entsprechen den Beschriftungen am Klingelbrett an der Tür zum Sozialamt. Sozialarbeiterin Anna Nell kennt ihre Klienten: „Die verstehen das schon“, weiß Fachbereichsleiter Thorsten Vitt.
Das Infoblatt greift alle Lebenslagen auf: Unterkunft, Gesundheit, Sprache, Familie, Arbeit, Freizeit, jeweils mit Adressen und Namen von Ansprechpartnern. Und das bis ins Detail, zum Beispiel für die Bestellung der ZWS-Mobilitätskarte: „Das geht nur mit einem Konto. Gehen Sie zu einer Bank, um ein Konto zu eröffnen. Frau Nell kann mit Ihnen gehen.“ Unangenehmen Situationen wird vorgebeugt, zum Beispiel mit der Mahnung, dass Arbeitslohn auf die Asylbewerberleistungen angerechnet wird: „Wenn Sie arbeiten, ohne dem Sozialamt etwas zu sagen, müssen Sie das Geld zurückzahlen.“
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Entstanden ist das Werk, das – so weit das Budget reicht – auch in möglichst viele Fremdsprachen übersetzt werden soll, mit Zuschüssen des Förderprogramms „Komm-An NRW“. „Ich hätte mir mehr gewünscht“, sagt Elke Bruch (SPD), „das ist für mich kein Integrationskonzept.“ Das soll in Zukunft durch den jährlichen Integrationsbericht ersetzt werden.
Sozialarbeit stößt auf Grenzen
Anna Nell wirbt in ihrem Tätigkeitsbericht, in dem die Arbeit an dem Informationsflyer ebenfalls Raum einnimmt, für „realitätsbezogene Anwendungen“. In den Gespräche mit Geflüchteten geht es auch um Einsamkeit, Sorge um Familienmitglieder und Diskriminierungserfahrungen am Arbeitsplatz. Die Sozialarbeiterin bekommt aber auch mit, wie Familien in „ihren“ Ortschaften heimisch werden: „Es wurden Kinder geboren, es wurde geheiratet und stolze I-Dötzchen wurden eingeschult mit nicht minder begeisterten Eltern.“
Den Sozialausschuss konfrontiert sie mit ihrem Arbeitsalltag der letzten dreieinhalb Monate. Da ist das Wohnen ein großes Thema: „Insgesamt sind die Anspruchshaltungen bezogen auf den Wohnungsmarkt hoch und müssen in zeitintensiven Einzelgesprächen immer wieder in angemessener Weise relativiert werden.“
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In den Gemeinschaftsunterkünften kommt es zu Spannungen. „Dabei erfährt die Sozialarbeit ihre (Kapazitäts-)Grenzen - bedarfsdeckende Einzelfall-Arbeit kann nur bedingt geleistet werden.“ Und dann ist auch noch an Vorurteilen von Einheimischen zu arbeiten: Es sei kein Zeichen von mangelndem Integrationswillen, wenn kulturelle oder sportliche Angebote von Vereinen kaum angenommen würden – die Kinder hätten einfach keine Zeit, schreibt Anna Nell in ihrem Bericht. „Fast ausnahmslos“ seien Kinder von Asylsuchenden in der Ganztagsschule. Die lange tägliche Verweildauer in Bildungseinrichtungen sei „Ausdruck der hohen Bildungsorientierung der Eltern zugunsten ihrer Kinder“.
Für den Infoflyer gibt der Ausschuss grünes Licht. Mit einer Änderung: Die Überschrift „Zugewiesen nach Netphen“ wird ersetzt durch „Angekommen in Netphen“. Das sei passender, findet Steffen Löhr (SPD). Schließlich stellt Netphen sich direkt im Untertitel als „Heimat mit Herz“ vor.
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