Eiserfeld. Während manche im Winter Schneemänner im Garten bauen, findet Heinz Limper hinter seinem Haus oft Dreck und Eisplatten. Er lebt unter der A 45.

Heinz Limper sitzt in seinem Garten im Nachtigallweg, möchte freie Zeit genießen. Doch ohne Lärm ist das nicht möglich. Denn 80 Meter über seinem Haus befindet sich die Siegtalbrücke. Statt in den Himmel zu schauen, guckt er auf riesige Betonpfeiler.

Den Bau der Brücke in den 1960er Jahren hat er schon als Kind erlebt. Der aktuelle Plan über den Neubau der Siegtalbrücke regt ihn allerdings zum Nachdenken an. Denn nochmal möchte er das nicht erleben.

Im Gespräch mit Sophie Beckmann erzählt er, was seine Frau und er schon alles mit der Brücke erlebt haben und vor welchen Situationen er sich am meisten fürchtet.

Empfinden Sie die Brücke als störend?

Heinz Limper: Was heißt störend? Meine Frau möchte schon seit Jahren hier wegziehen, aber ich wohne grundsätzlich gerne in diesem Haus – nicht nur der guten Nachbarschaft wegen. Immerhin ist es Mitte der 50er Jahre von meinen Eltern gebaut worden – und da gab es die Brücke noch nicht. Die erste Bauphase habe ich somit als Kind mitbekommen. Da war es zu Beginn eher cool, unter den hölzernen Bauüberdachungen auch bei Regen im Trockenen zu spielen und die Kräne und Bagger bei ihrer Arbeit zu beobachten. Seitdem die Brücke steht und meine Frau und ich zusammen hier wohnen, haben wir allerdings schon viele Situationen erlebt, die uns immer wieder deutlich gemacht haben, dass die Brücke nicht nur die Aussicht versperrt, sondern auch sehr gefährlich ist.

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Von welchen gefährlichen Situationen sprechen Sie?

Beispielsweise kommt es so gut wie jeden Winter vor, dass riesige Eisplatten in unserem Garten landen. Sobald es friert, fallen diese von den Lastwagen herunter und landen entweder bei uns im Garten oder bei den Nachbarn, unterhalb der etwa 1000 Meter langen Brücke. Das ist natürlich sehr gefährlich, wenn man sich vorstellt, dass diese Eisklötze jemanden, der unterhalb der Brücke unterwegs ist, auch am Kopf treffen können. Andere Beispiele für gefährliche Situationen sind Glasflaschen. Vor einigen Jahren hörte ich einen wahnsinnigen Knall und lief direkt raus, um zu schauen, was passiert ist. Jemand hatte eine Glasflasche von der Brücke geworfen, die auf ein Autodach gefallen war. Ich rief zwar direkt die Polizei, aber die Anzeige lief natürlich gegen Unbekannt und hatte somit keinen Erfolg. Es gab auch schon die Situation, dass ein Transporter Ölruß auf der Brücke verloren hat, der sich dann auf der Autobahn und den darunter liegenden Häusern und Flächen verteilte. Und traurigerweise stürzen sich auch manchmal Menschen von der Brücke in den Tod.

Haben Sie das schon mitbekommen?

Leider ja. Eines Morgens lag ein junger Mann in unserem Garten. Im ersten Moment dachte ich, dass er zu viel getrunken hatte und ein kleines Nickerchen macht. Doch dann stellte sich heraus, dass er sich von der Siegtalbrücke in den Tod gestürzt hatte. Das war wirklich schrecklich. Danach habe ich eine Unterschriftenaktion organisiert und erreicht, dass die Schutzgitter zumindest im Bereich der Wohnbebauung erhöht wurden.

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Das tut mir sehr leid.

Das ist nun auch schon sehr viele Jahre her. Aber wie Sie merken, gibt es mehrere Gründe, warum ich wegziehen möchte, wenn hier erneut gebaut wird. Sie müssen sich vorstellen, dass wir auch Angst haben, dass Bauteile wie damals herunterfallen. Außerdem entsteht durch die Baumaßnahmen enorm viel Staub und Dreck, der auf unseren Häusern landet. Am schlimmsten wird aber wohl die enorme Lärmbelästigung während der Bauphase der neuen und dem Abriss der alten Autobahn mitsamt der gewaltigen Pfeiler sein. Und auch wenn es noch dauert, bis gebaut wird, überlegen wir, ob wir hier bleiben möchten. Denn natürlich gehen mir auch Horror-Szenarien durch den Kopf. Beispielsweise kriege ich schon immer Panik, wenn ich im Winter die Lastwagen auf der Brücke sehe, die Autos transportieren – was passiert, wenn der Laster ins Rutschen kommt? Aber ich versuche, daran möglichst wenig zu denken.

Hätten Sie Wünsche an Straßen NRW bezüglich der Brücke und der geplanten Bauarbeiten?

Wünsche würde ich es nicht nennen. Aber ich würde es gut finden, wenn die Geschwindigkeit auf der Brücke auf 100 herabgesetzt und für Lastwagen ein Überholverbot angeordnet würde. Das würde den Anwohnern schon viel Angst nehmen und die Brücke im Allgemeinen sicherer machen. Außerdem hoffe ich, dass Straßen NRW bereit ist, mit uns unmittelbaren Anwohnern einvernehmliche Lösungen zu finden, auch was den Verkauf der Grundstücke und Häuser angeht.

Wenn Sie unter Stimmungsschwankungen, Depressionen oder Suizidgedanken leiden oder jemanden kennen, der daran leidet, können Sie sich bei der Telefonseelsorge helfen lassen: 0800/1110111 oder im Internet auf www.telefonseelsorge.de

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