Hilchenbach. Beim Einzelhandels-Gipfel in Hilchenbach erfahren die Beteiligten nichts über den Gerberpark und viel über sich selbst.
Als Anja Krämer im Juni die Einwohnerfragestunde in der Ratssitzung nutzte, um über den Niedergang des Einzelhandels („Geisterstadt“) zu klagen, beantragte die Grünen-Fraktion eine Sondersitzung des Stadtentwicklungsausschusses. Was mit dem Gerberpark geschehe und welche weiteren Pläne es für das neue Einkaufszentrum in der Herrenwiese gebe, solle dort besprochen werden. Jetzt fand die Sitzung statt.
Die Stimmung
Vielleicht, so die Erkenntnis aus dem Gespräch mit den eingeladenen Einzelhändlern, sei die Stimmung ja schlechter als die Lage. Oder auch nicht. Anja Krämer jedenfalls, die in den Ferien vier Wochen lang im Gerberpark einen Indoor-Treffpunkt gestaltet hat und dazu viele ehrenamtliche Mitstreiter gefunden hat, spricht von einer „sehr guten Stimmung“. „Wir müssen das Image zusammen nach vorn bringen“, findet Metzgermeister Jörg Schmitt. „Es ist die Hilchenbacher Art, vieles kaputt und schlecht zu reden“, bedauert Ausschussvorsitzender Michael Stötzel (SPD). „Wir diskutieren relativ viel und vergessen das Handeln“, sagt Andreas Bolduan (UWG).
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Der Gerberpark
Über den Gerberpark erfährt die Runde jedenfalls nichts. „Eine absolute Unverschämtheit“ sei die Absage des neuen Eigentümers. „Aus Gründen der Diskretion“, so stand es in der Vorlage, habe die Cinthia Real Estate ihre Teilnahme abgesagt. „Vielleicht kommt da noch der ganz große Knall“, spielt Oliver Schneider (CDU) auf die Aldi-Rückkehr-Gerüchte an. Aldi wolle nach wie vor 800 Quadratmeter Verkaufsfläche an der B 508, sagt Bürgermeister Holger Menzel, „die können wir nicht bieten.“
Bis Herbst 2020 fertig
Der zweite Bauabschnitt des neuen Einkaufszentrums in der Herrenwiese soll bis Herbst 2020 fertiggestellt sein.
Dort entstehen weitere 700 Quadratmeter Verkaufsfläche für drei Geschäfte. „Mit hoher Wahrscheinlichkeit“, so Bürgermeister Holger Menzel, werden dort Filialisten einziehen.
Nach Informationen dieser Zeitung sind als Mieter zwei Textilketten im Gespräch – eine ist derzeit noch im Gerberpark vertreten – sowie ein örtlicher Einzelhändler.
Weichen musste der Getränkemarkt, der nach Dahlbruch umgezogen ist. „Leider“, sagt Dr. Peter Neuhaus (Grüne), „er wäre gern in Hilchenbach geblieben.“
Die Fakten
Die Hilchenbacher haben mehr Geld als andere, sind aber beim Ausgeben ihrer Stadt so untreu wie keine andere Einwohnerschaft im Kreisgebiet. IHK-Handelsreferent Marco Butz erinnert an Zahlen und Rezepte: von der Auffindbarkeit im Netz – eine Instagram- und eine Facebook¬-Seite reichen – bis zu Experimenten, verschiedene Sortimente und Geschäfte nach Kaufhausmodell in einem Laden zu verbinden: „Die befruchten sich gegenseitig.“ Wirtschaftsförderer Kyrillos Kaioglidis hat auch gezählt: 32 von 181 Läden im ganzen Stadtgebiet stehen leer, allein in Alt-Hilchenbach 21 von 105, speziell im Gerberpark 11 von 22.
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Der Handel
Buchhändlerin Eva-Maria Graß wünscht sich das Café als Ort des Austauschs und mehr Anreize und Angebote, sich auf dem Markt und der Gerichtswiese aufzuhalten. „Da lässt sich sicher was machen.“ Ulrike Beier, Inhaberin der Drogerie am Markt, findet, mit einer „soliden Grundversorgung“ sei viel gewonnen. An eine wirkliche Nachfrage nach Fisch- oder Hutgeschäften, wie sie Gutachter erheben, glaubt sie nicht: „Es wird so furchtbar viel gefragt.“ „Die Leute reden anders, als sie handeln“, weiß Thorsten Haßler, der sein Schuhgeschäft aus dem Modezyklus herausgeholt und auf Gesundheit und orthopädischen Service umgestellt hat. Nicht nur für die vielen Älteren in der Stadt: „Wenn ich die jungen Leute in ihren Turnschuhen laufen sehe, muss ich mir um die Werkstatt keine Sorgen machen.“
Die Strategien
Ulrike Beier hält nicht viel vom Buhlen um die Neuansiedlungen: „Die ganz Großen kommen nicht, wir haben ja auch gar keinen Platz.“ Auf den kleinen Ladenflächen könnten neue Inhaber „Marktlücken abdecken“, regt Ulrich Bensberg (UWG) an. „Nachhaltigkeit“ könnte deren gemeinsamer Nenner sein, passend zu Klimakommune und Luftkurort Hilchenbach. „Unsere Stärke liegt im Kleinen, Feinen“, findet Dr. Peter Neuhaus (Grüne) und fordert, den Gerberpark auch als „wichtigen, sozialen Ort“ zu sehen.
Womöglich kommt die Stadt auch auf eigene Gedanken: Der Jugendtreff „Next Generation“ hat sich auf dem Oberdeck eingemietet. „Die Verträge laufen aus“, sagt Wirtschaftsförderer Kyrillos Kaioglidis und deutet Entwicklungen an: an einem neuen Standort, verbunden mit dem im Sommer ausprobierten Spiel- und Begegnungsangebot.
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Das Stadtleben
Es gibt ja schon so viel, zu dem „die Leute aus ihren Häusern rauskommen“, erinnert Mirko Reifenrath (Grüne): die Märkte, die Kirmes, den Rocksommer. Tatsächlich viele Läden. Und das „Herzstück“ als ehrenamtliches Café-Experiment, fügt Inge Bruch von den Zuhörerreihen aus hinzu. „Aus dem Rathaus hat sich dort noch niemand blicken lassen, auch nicht der Bürgermeister – schändlich.“
Der Marktplatz? „Das Verkehrskonzept noch mal überdenken“, regt Katrin Fey (Linke) an. Parkplätze abbauen? Die auf der Sparkassenseite würden reichen, wenn die Parkscheibenpflicht überwacht würde, sagt Jörg Schmitt. „Stellt mich als 450-Euro-Kraft ein“, bietet eine Bürgerin an, „das Geld hole ich vierfach wieder rein.“ Einfach die Parkplätze streichen reicht nicht, mahnt Thorsten Haßler: Die Fläche müsse dann auch gestaltet werden. Bürgermeister Holger Menzel zeigt Grenzen auf: Von einem gewissen Aufwand an müssten Anliegerbeiträge erhoben werden. „Ich glaube, das ist nicht wirklich gewollt.“
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