Netphen. Ratsmehrheit beschließt Haushalt gegen Stimmen der SPD. Streit um Verwaltungs-Stellenplan: Stelle für Öffentlichkeitsarbeit gestrichen.

Bei der siebten von 16 Einzelabstimmungen ist klar: Für den Haushalt 2019 mit knapp 1,5 Millionen Defizit gibt es eine Mehrheit. Mit 17 gegen 13 Stimmen lehnte der Rat den Antrag der SPD-Fraktion ab, auf die vorgesehene Erhöhung von Grund- und Gewerbesteuern zu verzichten. Neben der SPD stimmten auch Linke, Grüne und drei Stadtverordnete der CDU gegen die Steuererhöhung. Der Haushalt wurde danach mit großer Mehrheit gegen die Stimmen der SPD beschlossen.

Kämmerer Hans-Georg Rosemann hatte im Vorfeld der Abstimmung angekündigt, bei Ablehnung der Steuersätze den kompletten Haushaltsentwurf zurückzuziehen und „dann irgendwann im März“ mit aktualisierten Zahlen neu vorzulegen: „Der wird dann nicht besser aufsehen.“ Wegen der Lücke von 450.000 Euro werde der Kreis der Stadt nicht erlauben, das Haushaltssicherungskonzept um zwei Jahre bis 2022 zu verlängern: „Die lachen uns aus.“

Die Ratssitzung fand von Anfang an in gereizter Atmosphäre statt: Weil der Hauptausschuss vorher nicht getagt hatte, musste der Rat zunächst den Stellenplan beraten — nach einer Sitzungsunterbrechung fand sich eine Mehrheit, die die vom Bürgermeister gewünschte zusätzliche Stelle für Öffentlichkeitsarbeit aus dem Entwurf herausstrich. Bürgermeister Paul Wagener selbst eröffnete die Debatte mit einer Haushaltsrede in der Rekordlänge von 44 Minuten, die Wolfgang Decker (CDU) als „unglaublich“ bezeichnete.

„Da steht drin, was Sie wollen“, sagte Wagener und rief den Rat auf, „mit Maß und Mitte zu beraten und dem Entwurf zuzustimmen“. Ein Haushalt solle „mutig, innovativ, sozial, investiv und konstruktiv“ gestaltet werden. „All diese Voraussetzungen erfüllt dieser Haushaltsplan.“ CDU-Fraktionschefin Alexandra Wunderlich, die dann nach 19 Uhr die erste von noch fünf folgenden Reden hielt, kam mit fünf Minuten aus: „Es ist schwer zu vermitteln, wenn für ein touristisches Ziel, den Freizeitpark, hohe Summen ausgegeben werden und die eigenen Bürger vor der Haustür in Löcher oder überstehende Gullideckel fallen.“

Archiv-Zusammenarbeit mit Nachbarkommunen

Einstimmig beschlossen hat der Rat auf Antrag der SPD-Fraktion, dass Netphen für das Stadtarchiv die Zusammenarbeit mit den Nachbarkommunen Hilchenbach und Wilnsdorf sucht. Ziel müsse eine „fachlich einwandfreie Archivarbeit“ sein. Mehr Einsatz fordert die SPD auch für Kultur und Museum.

Manfred Heinz (SPD) brauchte länger und wurde grundsätzlicher, indem er dem Bürgermeister vorwarf, Parteien und Fraktionen zu „verachten“. Mit dem Verfahren der Haushaltsplanung, ohne eine Vorberatung der Steuererhöhungen durch die Politik, werde der Rat „entmündigt“ und am „Nasenring geführt“. Heinz forderte vergeblich, den Haushalt abzulehnen und zunächst im Hauptausschuss über die Steuern zu beraten. Der Haushaltsausgleich sei „kein Dogma“, er werde real weder 2020 noch 2022 erreicht, sondern nur durch „Buchungstricks“, sagte Heinz. Mutig und wegweisend“, wie vom Bürgermeister bezeichnet, sei der Haushalt zudem auch nicht. „Den Weg können wir momentan im Durcheinander des Gemischtwarenladens nicht erkennen.“

Linke: Freiwillig mehr bezahlen

Klaus-Peter Wilhelm (UWG) sah das alles anders: Im Haushalt „steht drin, was wir, Rat und Verwaltung, uns vorgenommen haben“. Die Steuererhöhung sei vertretbar – schließlich erhebe Netphen keine Gebühr für den Winterdienst. Kämmerer Rosemann hatte vorgerechnet, dass allein diese 300.000 Euro 30 bis 40 Prozentpunkte Grundsteuer ausmachen. Anders herum: Netphen würde zu den drei billigsten Grundsteuer-Kommunen des Kreises gehören, wenn der Winterdienst getrennt berechnet würde.

Helga Rock (Grüne) wies darauf hin, dass Netphen junge Familien in der Einwohnerschaft brauche. Dazu müssten nicht nur Baugebiete erschlossen werden. Auch der Wohnungsbau müsse bezahlbar bleiben. „Kontraproduktiv“ sei da eine höhere Grundsteuer. Bei Investitionen, wie für die Trampolinhalle, sei stets zugesichert worden,. dass dafür nicht die Steuern erhöht würden. „Wir möchten, dass das auch heute noch gilt.“ Ekkard Büdenbender (Linke) argumentierte differenziert gegen eine „zwangsweise Erhöhung der Grundsteuer“. Er stellte die Möglichkeit in den Raum, freiwillig mehr zu zahlen: „Wer mehr hat, gibt auch mehr.“