Burbach. . Ein Wachmann erzählt, wie die Bedingungen in der Burbacher Asyl-Unterkunft vor vier Jahren waren. Prozess vor dem Landgericht beginnt

Als wären es Trophäen, verbreiteten die Mitarbeiter eines Sicherheitsdienstes vor vier Jahren die demütigenden Bilder und Handy-Videos aus „Problemzimmern“ in der Notaufnahmeeinrichtung Burbach per WhatsApp unter­einander. Auf einem Bild presst ein Wachmann dem Flüchtling Marwan R. seinen Stiefel gegen den Kopf. Auf einem Video wälzt sich Karim M. in seinem Erbrochenen und fleht darum, nicht mehr geschlagen zu werden.

„In die Problemzimmer kamen Bewohner, die gegen die Hausordnung verstoßen hatten und sich gegenüber anderen sehr aggressiv zeigten“, sagt ein ehemaliger Wachmann im Gespräch mit dieser Redaktion. Er ist einer von 30 Angeklagten im Prozess um die Misshandlungen in dem Burbacher Flüchtlingsheim. „Die Betroffenen mussten ja irgendwo festgesetzt werden, bis die Polizei eintraf“, sagt der Mann. Der Flüchtling auf dem Handy-Video habe betrunken seine Matratze „vollgekotzt – dann sind die Mittel eben etwas gröber geworden“.

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Der frühere Security-Mitarbeiter hat einem Telefonat mit dieser Redaktionzugestimmt. „Ja, es gab Problemzimmer“, sagt der Mann, der selbst darin niemanden geschlagen oder getreten haben will. „Und wie die in Umlauf gebrachten Fotos und Videos entstanden sind, habe ich auch nicht mitbekommen.“ Die Zimmer beschreibt er als spartanisch eingerichtet – „damit sich keiner verletzt“, wie er sagt. Es klingt fast zynisch, bedenkt man, dass z.B. Karim M. Schmerzen durch Schläge in Gesicht und Bauch erlitten haben soll, wie in einem Schmerzensgeldprozess vor dem Amtsgericht Siegen im Juni erörtert wurde.

Vermeintlich rechtsfreie Räume

Wie konnte es in Burbach derart aus dem Ruder laufen? Wie konnten Problemzimmer zu vermeintlich rechtsfreien Räumen werden, wo Bewohner mit Handschellen gefesselt wurden? Die Antwort des Ex-Sicherheitsmanns: „Alle waren überfordert.“ In der Notaufnahmeeinrichtung habe es eigentlich Plätze für 400 Flüchtlinge gegeben. „Mitunter waren fast 1000 da.“ Auf engem Raum wohnten viele verschiedene Kulturen, sagt er. Täglich habe die Polizei gerufen werden müssen. „Es konnte bis zu drei Stunden dauern, bis der Burbacher Dorfpolizist mit seinem Streifenwagen da war.“ Auch hier viel zu wenig Personal, findet er.

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Für Andreas Trode hat es in Burbach schwere organisatorische Fehler gegeben. Der Anwalt aus Iserlohn vertritt im Prozess Karim M., der als Nebenkläger auftritt. Es seien unqualifizierte Leute mit charakterlichen Defiziten als Sicherheitsleute eingestellt worden, kritisiert Trode. „Da wurden Legionäre und Männer aus der Türsteher-Szene ohne vorherige Kontrolle herangekarrt. Hauptsache nach außen sah es nach genug Personal aus.“

Für Anwalt Ihsan Tanyolu (Hagen), der einen Sozialbetreuer vertritt, haben „interne Kontrollmechanismen“ versagt: „Einige hätten da niemals arbeiten dürfen.“ Das Gericht müsse prüfen, ob „Mitarbeiter der Einrichtung allein gelassen wurden“. Es stelle sich die Frage, ob man die Verantwortung für die Vorfälle auf einzelne (Angeklagte) abwälzen könne, oder ob es ein konzeptionelles, institutionelles Versagen gegeben habe.

Ein ehemaliger Mitarbeiter des Flüchtlingsheims erhebt schwere Vorwürfe gegen die Arnsberger Bezirksregierung: „Es hat damals keine verbindlichen Sicherheits- und Qualitätsstandards oder Anforderungsprofile an Mitarbeiter des Sicherheits- und Betreuungsunternehmens gegeben.“ Das habe dazu geführt, dass die Mitarbeiter tun und lassen konnten, was sie wollten. Und das alles vor dem Hintergrund, dass „nicht einmal ein Bruchteil des Personals überhaupt einen Berufsabschluss hatte.“

Der angeklagte Wachmann, der mit dieser Redaktion sprach, kann seit den Vorfällen nicht mehr als Sicherheitsmann arbeiten. „Burbach hat meine berufliche Existenz kaputt gemacht.“