Burbach. . Der Prozess um die Misshandlungen im Burbacher Flüchtlingsheim beginnt am Donnerstag. Opfer Marwan R. erzählt von der schlimmen Zeit.
Deutschland sollte vor vier Jahren für den nordafrikanischen Flüchtling Marwan R. (32) zum Land seiner Hoffnungen werden. Aus dem Traum von einem besseren Leben wurde für den gelernten Elektriker aus Algerien ein Trauma. „Ich gehe nie wieder dorthin zurück“, sagt er in einem Telefonat mit dieser Redaktion vor Beginn des Prozesses um die Misshandlungen in der Notaufnahmeeinrichtung im siegerländischen Burbach, „ich bin dort krank geworden.“ Marwan R. will nicht zur Verhandlung nach Siegen reisen. Deutschland ist nicht mehr das Land seiner Hoffnungen.
Sein 60 Kilo leichter Körper wurde zum sichtbaren Zeichen der Vorfälle in Burbach. Das Bild des mit Handschellen gefesselten Mannes, der in einem „Problemzimmer“ im Haus 26 wehrlos auf einem Linoleum-Boden liegt und den Stiefel eines kahlgeschorenen Sicherheitsmannes in den Nacken gedrückt bekommt, ging im Herbst 2014 um die Welt. Die juristische Aufarbeitung vor dem Landgericht Siegen läuft seit Donnerstagvormittag.
Skandal von Burbach: „Wachleute haben mich geschlagen, mir Handschellen angelegt"
Die Westfalenpost erreicht den Flüchtling aus Nordafrika in Italien. Sein Deutsch hat sich gegenüber dem letzten Telefonat vor einem Jahr etwas verbessert. Nach wie vor fließen französische Worte in seine Sätze mit ein. Vor wenigen Monaten habe er Deutschland verlassen, lebe jetzt bei Verwandten in Norditalien. „Je travaille“ (ich arbeite), sagt er.
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Kommt man in dem Telefongespräch auf Burbach zu sprechen, wird Marwan R.’s eigentlich weiche Stimme tiefer – sie überschlägt sich nun fast. „Wachleute haben mich geschlagen, mir Handschellen angelegt und mich eingesperrt.“ Seine Stimme stockt einen Moment: „Ja, sie haben mich wie ein Tier behandelt.“
Schallendes Gelächter
Eine frühere Flüchtlingshelferin hat noch sporadisch Kontakt zu Marwan R., ihm erst kürzlich zum Geburtstag gratuliert. Man habe dem Nordafrikaner lange angemerkt, wie sehr er unter den Misshandlungen in Burbach litt: „Er war regelrecht schockiert.“ Das schallende Gelächter der Männer, die ihn im „Problemzimmer“ geschlagen haben sollen, wird ihn wohl nie wieder loslassen. „Er ist ein freundlicher und aufgeschlossener Mensch. Aber ich habe ihn immer mal wieder als resigniert wahrgenommen“, erinnert sich die ehemalige Flüchtlingshelferin.
Marwan R. hatte 2007 erstmals versucht, aus seinem alten Leben in Algerien auszubrechen und ein neues in Europa zu führen. Ein Jahr später erreichte er auf einem Flüchtlingsboot die Mittelmeerinsel Lampedusa. Der Schleuser soll 1500 Euro verlangt haben. „Er hat mir erzählt“, so die Flüchtlingshelferin, „dass er sich längere Zeit in Italien aufgehalten und unter anderem als Straßenverkäufer gearbeitet hat.“ Anschließend habe er über Stationen in Frankreich (Nizza) und Belgien im Sommer 2014 Deutschland erreicht. In der Erstaufnahmeeinrichtung Dortmund wurde er im August des Jahres der Notaufnahmeeinrichtung in der ehemaligen Siegerlandkaserne in Burbach zugeteilt.
Humanitäres Aufenthaltsrecht
Wegen seiner Traumatisierung räumte ihm das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) im Sommer 2015 ein humanitäres Aufenthaltsrecht ein. Noch vor einem Jahr hatte Marwan R. erklärt – er wohnte damals im Raum Köln –, trotz der erlittenen Demütigungen in Deutschland bleiben zu wollen. Diese Meinung hat er in der Zwischenzeit offenbar komplett geändert.
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„Ich war in Frankreich, Italien und Belgien – ich habe nirgendwo so viel Rassimus erlebt wie in Deutschland“, sagt er am Telefon, „vier Jahre nur Probleme in Deutschland.“ Er habe zwischendurch versucht, sich durch Jobs als Elektriker, Maler oder andere Handwerkstätigkeiten über Wasser zu halten. Das habe mehr schlecht als recht funktioniert: „Ich hatte kaum Geld zum leben.“ Und dann die regelmäßigen Behördengänge: „Jeden Monat wurden mir neue Papiere vorgelegt. Und dann begann wieder das Warten, Warten, Warten.“
Die Misshandlungen in Burbach seien ihm auch vier Jahre danach noch sehr präsent, sagt Marwan R. am Ende des Telefonats aus Norditalien am Sonntagabend. Er endet das Gespräch mit den Worten „Ciao“ und „Gute Nacht“. Das dunkelste Kapitel in seinem Leben, so scheint es, ist noch lange nicht beendet.