Wilgersdorf. . Seinen Ursprung hat das Naturerlebnis in Japan. Gesundheitswanderführer Christoph Diefenbach nahm die erste Gruppe mit auf Seelen-Wellness-Tour.

„Ich bin heute ihr Waldbademeister“, sagt Christoph Diefenbach und grinst 19 Teilnehmer an. Sie alle wissen nicht so recht, was sie in den nächsten drei Stunden erwartet. Waldbaden – was ist das eigentlich? Christoph Diefenbach verrät es nicht. Schließlich soll die Gruppe es selbst erfahren. So einfach ist das. Diefenbach ist Gesundheitswanderführer und hat sich eine rund fünf Kilometer lange Tour ausgedacht. Waldbaden, das heißt „Shinrin Yoku“ in Japan und ist dort zum Trend geworden. Menschen strömen dort aus den Städten in die Wälder. Eine Art Seelen-Wellness. Nun sollen auch die ersten Siegerländer in den Genuss kommen – im Wilgersdorfer Wald.

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Laut

Zunächst geht es ganz entspannt los. Die Gruppe macht sich vom CVJM-Parkplatz aus auf den Weg in ein Waldstück. „Es gibt kommunikativere und ruhigere Wege“, sagt Diefenbach. Im ersten Teil des Abends darf gequatscht werden – und das nutzen die Teilnehmer aus. Ruhig ist es nicht, der Stress des Tages sitzt einigen noch im Nacken. Erstmal locker machen, ist deshalb die Devise.


Bewegen: Alle stellen sich im Kreis auf. „Wir machen jetzt eine Übung zur Mobilisation“, erklärt Diefenbach. Hüftbreit hinstellen, Arme kreisen. Erst in dieselbe Richtung, dann entgegengesetzt. Schwieriger wird es, als die Teilnehmer auf einem Bein stehen und dabei den Oberkörper drehen sollen. Einige geraten ins Wanken. Es gilt die Balance zu halten und sich zu fokussieren.

Atmen: Vorbei an Feldern geht es weiter. Vögel zwitschern, die Luft riecht frisch. Immer wieder geben Lichtungen den Blick aufs Tal frei. „Jetzt machen wir eine Atemübung“, sagt Diefenbach. „Zwei Schritte einatmen und drei Schritte ausatmen.“ Gesagt, getan. Die Gruppe setzt sich in Bewegung. Für einen Augenblick ist es ganz ruhig. Nur das Knirschen der Steine unter den Schuhen ist zu hören. Es geht darum, einen eigenen guten Atmen-Rhythmus zu finden. Zwei Frauen, die mit ihren Walking-Stöcken unterwegs sind, laufen schmunzelnd vorbei.

Informieren: Station drei und vier sind informativer. Der Experte pflückt Ziest am Wegesrand und bittet die Teilnehmer, daran zu riechen. „Das stinkt!“, ruft eine Frau. Diefenbach grinst und fordert die Gruppe auf, die Blätter in der Hand zu zerreiben. „Wow. Das riecht nach Steinpilzen“, sagt jemand. Wieder etwas gelernt. An der Goldschmieds Born Quelle wird es theoretisch. „Waldbaden ist wichtig für die Gesundheit“, erklärt der Wanderführer und hält Zettel mit Diagrammen in die Luft. „Die städtische Lebensweise ist gut, aber wir sind nicht angepasst.“ Die Japaner hätten herausgefunden, dass Waldbaden Stress reduziert und den Blutdruck senkt. „Es reicht schon ein Aufenthalt im Wald.“

Leise

Die Gruppe ist jetzt schon eine Weile unterwegs. Plötzlich hält Wanderführer Christoph Diefenbach inne. „Ab hier wird es ruhiger. Achtet darauf, was euch begegnet unterwegs.“ Nacheinander folgen ihm die Teilnehmer über einen schmalen Pfad. Niemand redet. Erst ist es sonnig und Gräser blühen am Wegesrand. Dann wird es merklich kühler im Schutz der Nadelbäume. Immer wieder bleiben Menschen vereinzelt stehen und genießen den Moment.

Achtsam sein: Am Ende des Weges wartet Diefenbach geduldig. „Was haben Sie erlebt?“, will er wissen. „Ich brauchte einen Moment, um die Stille hinzunehmen und mich zu entspannen“, sagt ein Mann. „Ich fand das überwältigend. Ich hätte stundenlang weiterlaufen können“, sagt eine Frau. Diefenbach nickt wissend. „Es ist erstaunlich, was einem alles auffällt, wenn man achtsam ist“, merkt er an und nimmt ein Blatt mit weißem Schaum in die Hand. „Das ist eine Schaumzikade – ein Lebewesen. Man nennt es auch Hexenspucke“, sagt er mit Blick auf den zehnjährigen Joel, der es sich sofort von Nahem ansieht.

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Meditieren: Vor der Gruppe liegt nach einem kurzen Lauf eine hübsche Kulisse. Moos umspielt weich den Boden, Nadelbäume ragen in den Himmel. Vereinzelt schafft es die Sonne vorbei an den Baumkronen. Barfuß laufen die Teilnehmer vor sich hin. Es ist still. Dann sucht sich jeder ein bequemes Plätzchen, schließt die Augen und Christoph Diefenbach liest mit sanfter Stimme einen Text vor. Jeder soll die Geräusche, den Geruch, das Gefühl wahrnehmen. Entspannung pur.

Hören: Ums Hören geht es auch an der nächsten Station, die nur einige Meter weiter ist. „Sucht euch einen ruhigen Platz und achtet bewusst auf die Geräusche und zeichnet sie auf“, sagt Diefenbach und verteilt Zettel und Stifte. Eine Geräuschelandkarte soll entstehen. Einige sind skeptisch: Zeichnen? „Wer nicht zeichnen kann, darf auch etwas aufschreiben“, fügt der Experte hinzu. Rund 20 Minuten haben nun alle Zeit sich im Wald zu verteilen. Teilnehmerin Antja Vitt-Schöps steigt auf einen Hochsitz und entscheidet sich schließlich doch für einen Stumpf in der Sonne. Joel klettert auf einen umgefallenen Baumstamm.

„Ich bin überwältigt davon“, sagt Antja Vitt-Schöps, als sich die Gruppe wieder zusammenfindet. „Das ist total entspannend.“ In ihren Händen hält sie ihre persönliche Geräuschelandkarte. „Die Zettel dürft ihr mitnehmen“, sagt Diefenbach. Und weiter geht’s.


Vertrauen und spüren: Schließlich findet sich die Gruppe wieder dort ein, wo es los ging. Nun verbinden sich die Teilnehmer die Augen und Diefenbach führt jeden Einzelnen zu einem Baum. „Ihr könnt ihn befühlen, umarmen...macht, was ihr wollt.“ Einige gucken skeptisch, andere kennen das Ganze schon. Doch alle lassen sich auf das Experiment ein. Sie tasten mit Händen und Füßen. Joel legt seine Stirn an den Baum und genießt.

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