Siegen/Hamm. . Schlecht über Risiken einer neuen OP-Methode aufgeklärt: Oberlandesgericht Hamm gibt Patientin Recht, die ein Siegener Krankenhaus verklagt hat.
Erneut hat das Oberlandesgericht Hamm einer Klage gegen ein Siegener Krankenhaus stattgegeben: Kürzlich hatte die Kammer entschieden, dass eine Patientin, die an den Folgen einer Darmspiegelung gestorben war, vom Chefarzt hätte operiert werden müssen – so war es vertraglich vereinbart, doch der Mediziner hatte die OP nur beaufsichtigt.
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Nun geht es um einen Fall, bei dem eine Patienten nicht ausreichend über eine neue Operationsmethode aufgeklärt wurde: Die Frau leidet seit einem Eingriff am Unterleib im Jahr 2008 unter Schmerzen – die Methode war damals noch nicht ausreichend erprobt. Die Einwilligung einer Patientin in eine Operation mit einer solchen sogenannten Neulandmethode ist unwirksam, die Operation rechtswidrig, entschied jetzt das Oberlandesgericht Hamm.
Der Fall
Die heute 62-jährige Klägerin aus dem Lahn-Dill-Kreis war im April 2008 in einem Krankenhaus in Siegen, um wegen einer
Belastungsinkontinenz
Bei Frauen kann eine Belastungsinkontinenz Folge mehrfacher Geburten, die zu einer Überdehnung und Erschlaffung von Haltebändern und des Beckenbodens führen, sein. Das führt dazu, dass sich die Organe des kleinen Beckens senken – erhöhter Bauchinnendruck wirkt zwar noch in voller Stärke auf die Harnblase, kann aber gleichzeitig die Harnröhre nicht mehr erreichen und deren Verschlussdruck nicht mehr unterstützen.
Belastungsharninkontinenz in der urodynamischen Sprechstunde behandelt zu werden. Als Therapie wurde das operative Einbringen eines Netzes vorgeschlagen – die Neulandmethode, die im Jahr 2008 noch nicht allgemein eingeführt war.
Nach einem ärztlichen Aufklärungsgespräch stimmte die Klägerin dem Eingriff zu. In Folge der OP litt die Klägerin an einer Dyspareunie (Genitalschmerzen beim Sexualverkehr) und weiterhin an Harninkontinenz. Bis April 2009 wurde sie fünf weitere Male operiert, wobei weite Teile des zunächst eingebrachten Netzgewebes wieder entfernt wurden. Dennoch litt die Frau weiter unter Schmerzen.
Die Klage
Die Frau verlangte Schadenersatz und forderte ein Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 50 000 Euro: Unter anderem sei sie unzureichend über alternative Behandlungsmethoden und die Risiken der Neulandmethode aufgeklärt worden, so die Begründung.
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Das Landgericht Siegen ließ ein gynäkologisches Gutachten erstellen und gab der Klägerin teilweise recht – sie erhielt ein Schmerzensgeld von 35 000 Euro. Dagegen legte das Krankenhaus Berufung ein.
Das Urteil
Das Oberlandesgericht Hamm hat das Urteil des Siegener Landgerichts bestätigt. So wurde der gynäkologische Sachverständige erneut angehört, geprüft wurden auch die vor der Operation geführten ärztlichen Aufklärungsgespräche. Der Eingriff sei rechtswidrig, so der Senat, das Krankenhaus muss Schadenersatz leisten.
Die Patientin sei fehlerhaft über die unzureichende Erfahrung mit den möglichen Folgen des neuen Operationsverfahrens aufgeklärt worden, es wurde nicht darauf hingewiesen, dass man nicht genug über die Risiken der neuen Methode wisse.
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Der Sachverständige gab an, dass das neue Verfahren 2008 zwar als erfolgversprechender als die bisherige klassische Methode galt, die klinische Erprobungsphase aber noch nicht abgeschlossen gewesen sei. So war etwa nicht bekannt, dass durch das Einsetzen eines Netzes im Beckenbodenbereich massive gesundheitliche Probleme entstehen können.
Die Siegener Mediziner hätten die Patientin explizit darauf hinweisen müssen, dass es sich um ein neues, noch nicht abschließend beurteilbares Verfahren handelt, und dass unbekannte Komplikationen auftreten könnten.
So konnte die Frau nicht sorgfältig abwägen, ob sie sich nach der herkömmlichen Methode mit bekannten Risiken operieren lassen wolle oder nach der neuen Methode – mit allen Vor- und möglichen Nachteilen.
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