Siegen. . Sinnbild einer selbstbewussten Stadt: Die Nikolaikirche ist mehr als eine Kirche – nicht nur, weil sie das Wahrzeichen der Region trägt.
- Nikolaikirchengemeinde feiert am Sonntag, 10. September, 700 Jahre Nikolaikirche
- Gotteshaus erstmals 1317 urkundlich erwähnt, damals wurde ein Altar geweiht
- Bewegte Geschichte als Stadtkirche, die immer auch staatlichen Aufgaben diente
Sie ist „Kristallisationspunkt regionaler Geschichte und Identität“, schreibt der Historiker Jens Aspelmeier über die Nikolaikirche – auf ihr thront als weithin sichtbares Symbol das Wahrzeichen des Siegerlands, das Krönchen: 700 Jahre ist die Nikolaikirche alt – und sie war immer schon mehr als nur eine Kirche. Ihr Turm gehörte bis 1930 der Stadt, diente als Wachturm, sie war die Kirche der aufstrebenden Siegener Bürgerschaft, versinnbildlichte das Selbstbewusstsein der Stadt gegenüber dem Landesherrn, markierte die aufstrebende Eisenmetropole an der Kreuzung wichtiger Handelswege. „Als liebevolle Mutter wacht sie seit Jahrhunderten über ihre Siegener Stadtkinder“, so Aspelmeier. Sie ist ein weltliches und geistliches Machtsymbol.
Kompakt-Überblick
20 Generationen sind hier in den Gottesdienst gegangen, wurden getauft, konfirmiert, haben geheiratet oder einfach nur in den Bänken gesessen; an 36 000 Sonntagen riefen die Glocken zum Gebet, mit millionenfachen Schlägen. Gegründet wurde sie als Patronatskirche der Reisenden und Kaufleute, deren Schutzheiliger St. Nikolaus ist. Später diente sie als Schlosskirche der Fürsten zu Nassau-Siegen und als Grablege für das reformierte Adelsgeschlecht. Ihr dreischiffiger, sechsseitiger Bau ist der größte dieser Bauart nördlich der Alpen.
1224 verlagert sich nach einem Stadtbrand der Siedlungsschwerpunkt auf den Siegberg. Ursprung der Kirche ist eine Taufkirche des Adels.
1317 wird die Nikolaikirche erstmals urkundlich erwähnt, bei der Konsekration (Weihe) des St. Michaelsaltars am 9. Oktober. Sechs Jahre später als die damals noch vor den Toren der Stadt gelegene Martinikirche, die seinerzeit noch St. Martin hieß (und auf das 11. Jahrhundert datiert wird).
Am Ende des 12. Jahrhunderts bestand Siegen aus einer Burg der nassauischen Grafen auf dem Siegberg mit einer Siedlung darunter. Die Nikolaikapelle – bis zur Reformation war das Gebäude kirchenrechtlich eine Kapelle – wurde an einem Steilhang in der Stadt gebaut. Deswegen wurde sie nicht in der Länge errichtet, sondern in der Breite, ausgerichtet auf die nassauische Burg. Ihr Aussehen: romanisch, unverputzt. Der erste Kaplan war Gerhardus, weitere Priester mit ihren Schülern waren an St. Nikolai tätig: In einer Lateinschule, die bis 1817 bestand. Einem Vorläufer des Löhrtor-Gymnasiums.
Historische Nikolaikirche in Siegen
1455 wird der Turm aufgestockt – die Stadt bezahlt: 922 Gulden kostet der Bau. Bei Gesamtausgaben von 1289 Gulden im städtischen Haushalt eine enorme Summe (Siegen hatte zu dieser Zeit gut 400 Steuerzahler, also Haushalte). Die Bauzeit dauert bis 1464, der Turm ist danach 40 Meter hoch. Für die Hochbauarbeiten wird ein Kran errichtet, Zimmerleute lernen in Köln die Bearbeitung spezieller Balken. Holz kommt aus Feuersbach und Keppel, Sand aus Klafeld, Eisen, Seil und Körbe vom Markt am Fuß der Kirche. 31 Maurer und acht Zimmerleute arbeiten auf der Baustelle, auch zwei Frauen.
1498 wird eine dauerhafte Wache auf den Turm geschickt, vor allem für die Feueraufsicht während der Nacht.
1540 machen Gerüchte über eine Mordbrennerbande in der Region die Runde; Johannes Alendorf ist 79 Tage in Folge auf Posten.
1538/39 errichtet Maurermeister Godhard einen neuen Altar, 1530 ist die Kirche evangelisch geworden. Zehn Tage dauern die Arbeiten; damit löst die Nikolaikirche die Martinikirche als Hauptpfarrkirche ab. Zwei Jahre zuvor ist die erste deutschsprachige Bibel angeschafft worden.
1541 wird um- und ausgebaut und verziert, der Turm ist nochmals erhöht worden. Das Gebäude ist bis heute mit 53 Metern das höchste der Oberstadt. In diesem Zuge wird auch eine Wachstube mit Kohleofen auf dem Turm gebaut, das Wächterhäuschen. Vorher harrten die Wachleute weitgehend ungeschützt auf dem Turm aus.
1607 ist die Lateinschule auf dem Gewölbe unter dem Dach. Dafür waren Gauben in das Satteldach eingelassen und die Fenster vergrößert worden.
1658 ersetzt im Auftrag von Fürst Johann Moritz die vergoldete Fürstenkrone den goldenen Knopf auf der Spitze, die Außenseite wird verputzt, um die Kirche weithin sichtbar zu machen. Die Farbe besteht aus Ochsenblut. In den Jahren zuvor war der Innenraum für den evangelischen Gottesdienst umgestaltet worden. Durch die Emporen fasst er bis zu 1000 Menschen.
1663 wird ein gusseiserner Boden verlegt: 499 zwei Zentimeter dicke Eisenplatten mit dem Johanniterkreuz (Johann Moritz hatte eine wichtige Stellung im Orden erhalten). Erst 1905 werden sie im Zuge der Renovierungsarbeiten entfernt – und fast alle an Schrotthändler verkauft. 1666 folgt der Anbau von Fachwerktreppenhäusern an der Außenseite.
1885 kommt das heutige Uhrwerk, das fünfte.
1903 beginnt die große Renovierung, erstmals unter Denkmalschutz-Aspekten, eine damals noch junge Wissenschaft. Dabei wird der Putz entfernt, das Mauerwerk tritt wieder zutage.
1944 wird das Kirchenschiff beim alliierten Bombenangriff und den folgenden Bränden zerstört. Der Turm nicht: Bürgermeister Alfred Fißmer hatte Brandschutztüren einbauen lassen, das Feuer griff nicht über. In der Nachkriegszeit ein Zeichen der Hoffnung für die Bevölkerung. Gottesdienst wurde in der Martinikirche gefeiert, die Nikolai-Ruine notdürftig gesichert.
1954 ist das neue Kirchenschiff fertig.
1976 kommt die weiß-rote Außenfarbe zurück.
1993 bricht das Krönchen durch eine starke Sturmböe ab und wird durch ein Replikat ersetzt.
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