Siegen. . „Der schönste Arbeitsplatz von ganz Siegen“, sagt der Küster: Nicht viele Menschen haben Zugang zur Quelle unter der Kirche oder zur Glockenstube
Die Nikolaikirche ist mehr als „nur“ eine Kirche, Stefan Kober ist mehr als ihr Küster. Sondern auch noch Hobbyhistoriker, Pressesprecher und Kirchenführer in Personalunion. Seit der Schulzeit beschäftigt sich der gelernte Kaufmann mit Geschichte. Eine Kirche sollte immer offen sein für die Menschen – das ist die Nikolaikirche täglich von 10 bis 18 Uhr. Und das mag Kober an seinem Arbeitsplatz. Das Gotteshaus ist für ihn ein Stück Heimat: 300 Meter Luftlinie entfernt wurde Kober in der Oberstadt geboren, er ging hier zur Jungschar, heiratete hier, ließ seine Tochter taufen. „Die Nikolaikirche ist ein zentraler Ort meines Lebens geworden“, sagt er.
Vor drei Jahren schloss Kober nach 25 Jahren als selbstständiger Einzelhändler sein Modelleisenbahn-Geschäft. Der Kostendruck war immer weiter gestiegen, das Ende war absehbar – und seine Angestellten hatten berufliche Alternativen. Und: In der Gemeinde wurde die Küsterstelle vakant. „Wenn ich mich im Geschäft geärgert hatte, wollte ich am liebsten hinschmeißen und Küster der Nikolaikirche werden.“ Und so ist es gekommen: Kober kennt die Kirche wie kein Zweiter – und dieses Wissen gibt er gern weiter.
1. Das Wächterhaus. „Der Blick vom Turm ist einfach traumhaft“, sagt Kober. Eng, steil, ausgetreten und unterschiedlich hoch sind die Treppenstufen – Begegnungsverkehr unmöglich. Die Wände sind roh und unverputzt – und dann führt eine Stiege ins Häuschen auf dem Dach des Kirchturms; verputzte Wände, Glasfenster. Hier oben lebte bis ins 19. Jahrhundert der Turmwächter, dessen sieben Kinder hier geboren wurden. Ein altes Ziffernblatt aus dem 16. Jahrhundert lehnt an der Wand, eine kleine Ausstellung zeigt historische Aufnahmen. Von oben sieht man die aufwändige sechsförmige Dachkonstruktion – sie war nötig, weil das Gelände in der Oberstadt so steil abfällt. Die Westseite des Turms, zum Rathaus hin, ist etwa 10 Meter von der Ostseite entfernt. Aber bis zum Boden sind es sechs Meter mehr.
2. Das Gewölbe. Ein beeindruckender Blick in die Stahlkonstruktion. Alle möglichen Dächer hatte die Nikolaikirche schon, ein Satteldach, später dann mit Gauben für die Lateinschule auf dem Gewölbe, heute Stern- oder Zeltförmig. Das bringt die außergewöhnliche sechseckige Grundform des Kirchengebäudes besser zur Geltung.
3. Die Turmuhr. „Die liebe ich heiß und innig“, sagt Stefan Kober. Drei Seiltrommeln – je eine für Minuten, Viertel- und volle Stunde – werden über Gegengewichte angetrieben, knapp zehn Meter senken sich die im Lauf einer Woche herab. Dann muss Stefan Kober die Uhr von 1885 wieder aufziehen, „ich muss sehr genau darauf achten, zur gleichen Zeit hier oben zu sein“, sagt er. Alle 60 Sekunden übermittelt eine Funkuhr ein Signal, die Antriebskette bekommt einen Impuls, Zahnräder rucken, das Gewicht senkt sich ein Stück herab. Bei jedem 15. Signal wird der Impuls für den Viertelstundenschlag automatisch mit betätigt. Seit den 1930er Jahren sind Elektromotoren in der Konstruktion tätig – als die mal ausfielen, musste Kober eine Woche lang von Hand kurbeln, bis der Fehler entdeckt war.
4. Die Krypta. Wenn die Putzmittel hinter der schmalen Seitentür beiseite geschafft sind, geht es hinab. Ursprünglich war die Krypta, die bis 1690 als Fürstengruft diente (danach wanderte die Grablege derer von Nassau-Siegen ins Untere Schloss), so breit wie das Chorgewölbe. Der größte Teil wurde zugemauert – warum, weiß keiner. Dahinter: Vermutlich Schutt. Um die Jahrhundertwende diente der übrige Raum als Kohlenkeller; eine Kohlenrutsche gibt es noch, auch Reste des Kamins, der als Kirchenheizung durch die Uhrenstube bis in die Turmstube führte. Ob die Quelle im Vorraum hier entspringt oder zu Tage tritt, weiß auch niemand. Das Wasser speiste früher vermutlich einen Brunnen; heute wird es abgepumpt.