Siegen-Wittgenstein. . Die Zahl der Notfalleinsätze in Siegen ist seit 2010 um 26,1 Prozent gestiegen. Die Zahl der Notfälle dagegen bleibt weitestgehend unverändert.

  • Die Zahl der Notfalleinsätze in Siegen ist seit 2010 um 26,1 Prozent gestiegen
  • Die Zahl der wirklichen Notfälle dagegen bewegt sich kontinuierlich auf einem Level
  • Die Gründe dafür sind vielschichtig, vor allem das soziale Umfeld spielt dabei eine entscheidende Rolle

Die Zahl der Notfalleinsätze ist im Kreisgebiet seit dem Jahr 2010 um 26,1 Prozent gestiegen, „aber die Zahl der Notfälle nicht“. Das sagte Matthias Ebertz, Leiter der Feuerwehr in Siegen, im Ausschuss für Feuerschutz, Sicherheit und Ordnung. Grund für diese Steigerung sei vor allem ein verändertes Verhalten im Umgang mit dem Notruf.

Laut Fortschreibung des Rettungsdienstbedarfsplans für den Kreis Siegen-Wittgenstein ging es von 16 986 Einsätzen im Jahr 2010 auf 22 994 Fälle im Jahr 2016. Die Zahlen entwickeln sich dabei über den Zeitraum kontinuierlich nach oben

Dies sei „kein Siegener Phänomen“, wie Ebertz betonte, sondern ein allgemein zu verzeichnender Trend. Wieso das so ist, „dazu gibt’s viele Vermutungen“, sagte der Stadtbrandmeister und schilderte einige Beobachtungen aus der Praxis:

Soziales Umfeld: Viele Menschen würden eher als früher den Rettungsdienst rufen, „weil das soziale Gefüge nicht mehr so funktioniert“. Knicke jemand etwa bei der Gartenarbeit um, brachte Ebertz ein Beispiel, hätte der Betroffene früher einen Nachbar gebeten, ihm zu helfen oder ihn zum Arzt zu fahren. Heute würde in solchen Fällen oft gleich ein Rettungswagen angefordert.

Persönliche Krisen: Nicht jedes Mal liege dem Notruf tatsächlich ein medizinischer Notfall zugrunde. Statt dessen gebe es immer mehr Anrufe, „weil viel mehr Menschen mit ihrem Leben nicht mehr zurechtkommen“, so Ebertz. Ausrücken müssen die Helfer trotzdem, aber „wir machen dann Sozialarbeit – und keinen Rettungseinsatz“.

Ärztlicher Notfalldienst: Wer bei gesundheitlichen Problemen und Schmerzen den ärztlichen Notalldienst alarmiere, müsse mitunter recht lange warten, bis tatsächlich ein Arzt kommt. Viele Betroffene würden sich schließlich an den Rettungsdienst wenden, um schneller Hilfe zu erhalten.

Warten auf Termine: „Einige Patienten machen sich zu Notfallpatienten, weil man auf einen Facharzttermin ewig wartet“, sagte Ebertz. Das Problem, dass zwischen Anfrage und Termin etwa bei Kardiologen etliche Monate vergehen können, ist bekannt.

Die „Abkürzung“ über den Notruf entspricht zwar nicht dessen eigentlichem Sinn und Zweck, ist Betroffenen aber kaum als solche nachzuweisen – abgesehen davon, dass natürlich durchaus Leidensdruck vorliegen kann.

Die Rettungswachen kommen auf den Prüfstand

Die in den vergangenen Jahren deutlich gestiegene Zahl an Einsätzen wird in der Verwaltungsvorlage zur Fortschreibung des Rettungsdienstbedarfsplans als einer der Gründe genannt, wieso der sogenannte Erreichungsgrad im Rettungsdienstbereich der Stadt Siegen derzeit bei 73,5 Prozent statt der mindestens angestrebten 90 Prozent liegt. Der Erreichungsgrad gibt Auskunft, wie oft die Helfer binnen acht (Kernstadtbereich) beziehungsweise zwölf Minuten (Randgebiete) am Einsatzort eintreffen.

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Zwar kommen als weitere wesentliche Faktoren hinzu, dass die Siegener Rettungswagen öfter als vorgesehen in andere Kommunen fahren müssen und dass Rettungswagen zu häufig für Krankentransporte herangezogen werden. Allein schon die Steigerung bei den Notrufen aber „muss zwangsläufig zur Ausweitung der Vorhaltestunden der Rettungsmittel führen“, wie es in der Vorlage heißt.

Für die Stadt Siegen bedeutet das etwa, dass der vierte zur Verfügung stehende Rettungswagen statt bisher an fünf Tagen für jeweils acht Stunden künftig rund um die Uhr sieben Tage in der Woche startklar sein soll – wie es auf die anderen drei Fahrzeuge bereits zutrifft. Dafür wären sieben zusätzliche Stellen erforderlich (wir berichteten).

Aufstockung um 32,5 Stellen

In der Fortschreibung des Bedarfsplans ist für den Kreis insgesamt von einer Aufstockung um 32,5 Stellen im Rettungsdienst die Rede. Außerdem ist die Erstellung eines Fachgutachtens geplant, um die Verteilung der Fahrzeuge und die geographischen Positionen der Rettungswachen zu untersuchen. „Viele Standorte sind historisch gewachsen“, erläuterte Ebertz. Das Gutachten solle Aufschluss geben, ob diese Verteilung mit den Zielen des Rettungsdienstbedarfsplans korrespondiert oder ob andere Standorte günstiger wären.

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