Bürbach. . Lukas Broghammer geht mit seinem Assistenzhund Lendoh durch dick und dünn. Das Tier begleitet den Jungen mit Asperger-Syndromim Alltag.

  • Der 13-jährige Lukas aus Siegen hat eine Form des Autismus und wird von seinem Hund im Alltag unterstützt
  • Komplexe Situationen aufzunehmen fällt ihm schwer – das Tier entspannt ihn
  • Lukas ist durch das Tier selbstständiger und nicht mehr so oft auf die Hilfe seiner Eltern angewiesen

Lendoh schnauft und rollt sich zufrieden in seinem Körbchen neben dem Esstisch. Der dreijährige Labrador-Retriever-Mischling genießt seine Freizeit in vollen Zügen: Rolle nach rechts, Rolle nach links, mit der Decke quer durch das Wohnzimmer. Plötzlich ruft Lukas (13) aus dem oberen Stockwerk nach seiner Mama Claudia Broghammer. Lendoh ist wie ausgewechselt. Aufmerksam steht er an der Tür, die Ohren aufgestellt und den Blick nach oben gerichtet. Mutter und Hund warten einen Moment ab. „Ach, ist schon gut Mama“, ruft Lukas und alle entspannen sich.

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Lendoh ist mehr als ein Haustier. Er ist Lukas’ bester Freund – und sein Autismus-Assistenzhund. Der 13-Jährige hat eine Besonderheit, beschreibt Claudia Broghammer. Er hat das Asperger-Syndrom, eine Form des Autismus. „Schon in der Grundschule kam er nicht so gut mit großen Menschenmengen zurecht“, sagt die Mutter.

„Komplexe Situationen aufzunehmen fällt ihm schwer“, erklärt Vater Andreas Kolb. Mimik und Gestik richtig zu deuten bedarf der Übung. „Er fragt sich dann ,Wie ist das jetzt gemeint? Worauf bezieht sich das Lachen?’“, ergänzt Claudia Broghammer. „Seine Beeinträchtigung kann Lukas sehr gut durch Lernen kompensieren“, so Andreas Kolb. Soziale Verhaltensweisen muss Lukas lernen – Neues und Veränderungen bedeuten deshalb oft Stress.

Idee kam von Lukas

Den Verdacht, dass ihr Sohn etwas anders ist als andere Kinder, hatte die Familie bereits in den ersten Schuljahren. „Da gab es schon in der vierten Klasse Hinweise von der Direktorin der Grundschule“, sagt Broghammer. Mitte 2015 kam schließlich die Diagnose. Doch da hatte die Familie bereits reagiert und sich um einen Assistenzhund bemüht, um Lukas einen guten Übergang in die weiterführende Schule zu ermöglichen.

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Die Idee dazu kam von dem 13-Jährigen selbst: Weil ihm der Ablauf in der Grundschule schwer fiel, sagte er seiner Familie ,Wenn ich doch nur ein kleines Tier dabei hätte’, erinnert sich Claudia Broghammer. Aus dieser Idee resultierte eine aufwendige Recherche und schließlich zog der aufgeschlossene, einfühlsame Welpe ein.

Lukas betritt das Wohnzimmer – Lendoh ist begeistert. Aufmerksam und verspielt sucht er die Nähe seines Freundes.

Seitdem ist Lukas mit Hund Lendoh (3) an der Seite kaum zu stoppen. Er ist selbstständiger und nicht mehr so oft auf die Hilfe seiner Eltern angewiesen. Denn der Hund hilft ihm mit Veränderungen besser umzugehen und gibt ihm ein gutes Gefühl. „Vorher haben wir soziale Sicherheit gegeben. Jetzt baut Lendoh diese Sphäre auf“, sagt Andreas Kolb. Eine Entlastung auf allen Seiten.

Ziel: Selbstständig zur Schule

Seit das Tier acht Wochen alt ist, lebt es bei der Familie. Die Ausbildung zum Assistenzhund in Saarbrücken erfolgte von Beginn an gemeinsam. Auch deshalb sind Lukas und Lendoh so ein tolles Team.

„Die Ausbildung war nicht immer einfach“, sagt Lukas. Neben dem Grundgehorsam und einigen Tricks hat das Team Situationen an verschiedenen Orten wie der Schule oder im Einkaufszentrum trainiert. Lendoh kann seinen Kumpel beispielsweise von anderen abschirmen, Räume vor dem Betreten des Jungen nach Personen absuchen und diese auch anzeigen. „Er beruhigt mich, wenn ich mich ärgere“, sagt Lukas. Nach wie vor gehen die beiden regelmäßig zum Training. „Das Ziel ist, dass Lukas selbstständig und ohne Schulassistenz in die Schule kann“, sagt der Vater.

Der Lieblingstrick ist dran. Lukas sagt „Lendoh, close“. Der Rüde läuft los und macht mit Schwung die Tür zu. Lukas ist stolz – diesen Trick haben sie gemeinsam geübt.

Ehrenplatz auf der Tribüne

Die beiden verbringen die meiste Zeit des Tages gemeinsam. Dass der Hund Lukas mit in die Schule begleiten kann, ist nicht selbstverständlich, erzählt sein Vater: Bei der Suche habe sich gezeigt, dass es nicht nur schwierig ist, ein Gymnasium mit Inklusionsklassen zu finden. Sobald bei Anfragen zur Inklusion noch ein Hund hinzugekommen ist, sei es für viele nicht mehr vorstellbar gewesen, erinnert sich Vater Andreas Kolb.

Die favorisierte Schule reagierte sehr offen, Lukas besucht nun das Gymnasium in Netphen. Dort gefällt es ihm gut. „Mathe mag ich... und Sport“, sagt der Junge. „Lendoh ist für mich da und gibt mir Sicherheit“, sagt Lukas Broghammer. „Man bekommt ihn in der Schule kaum mit.“ So darf das Tier im Sportunterricht beispielsweise auf der Tribüne Platz nehmen, um seinen Schützling immer gut im Blick zu haben. „Ich glaube schon, dass Lendoh versteht, dass er für Lukas zuständig ist“, sagt Andreas Kolb.

Trennung von Job und Freizeit

Wenn der Hund im Einsatz ist, trägt er eine Kenndecke und ist sehr konzentriert. „Dann gibt es keine Spiele mehr oder schnuppern oder zu anderen Hunden gehen. Er muss dann ruhig sein und aufpassen“, erklärt Lukas. Seitdem er Lendoh hat, ist er ein richtiger Hunde-Experte geworden. Und auch das Interview meistert er hervorragend. „Vor anderthalb Jahren wäre das undenkbar gewesen“, sagt Andreas Kolb.

Lukas kuschelt sich an Lendoh, ist fröhlich und fühlt sich wohl. Das ist wahre Freundschaft.

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