Bad Berleburg. . Welpe Benny wird zu einem Diabetiker-Warnhund ausgebildet. So soll er Anton (3) beschützen. Es hat lange gedauert, bis dessen Krankheit erkannt wurde.

  • Nach der Ausbildung kann Benny Schwankungen bei den Blutzuckerwerten erschnüffeln
  • Bis es soweit ist, muss der kleine Anton noch einen Sensor am rechten Oberarm tragen
  • Ina Haas wünscht sich für ihren Sohn Normalität und dass er nicht zum Außenseiter wird

Anton wackelt in seinen Gummischuhen durch den Garten, brabbelt fröhlich vor sich hin. Mit seiner großen Schwester Emma saust der Dreijährige auf dem Spielzeug-Trecker den abschüssigen Gehweg hinunter. Wieder und wieder. Er lacht viel, ist neugierig, möchte auf den niedrigen Baum in dem Garten seiner Oma klettern. „Nein, Anton, nicht! Warte mal!“, ruft ihm seine Mama hinterher. Sie zieht ihm kurz Pullover und Anorak hoch, die Pumpe zeigt 125. Ein guter Wert. Anton kann weiter toben.

Erst ein Blutzucker-Text brachte Klarheit

Früher galt Anton als „Schreikind“. Seine Mama Ina Haas vermutete dahinter allerdings mehr. Bis zu fünf Liter trank Anton pro Tag – mit anderthalb Jahren. „Ich bin mehrmals bei Ärzten gewesen und habe irgendwann darauf gedrängt einen Blutzucker-Test zu machen“, sagt Ina Haas.

Training mit Diabetiker-Warnhund Benny

weitere Videos

    Im Juli 2015 dann die richtige Diagnose: Diabetes Typ I. Mit einem Wert von 694 wurde Anton sofort in die DRK-Kinderklinik in Siegen gebracht. Zu Ina Haas sagte er damals: „Mama, ich bin jetzt tot.“ Bei einem Wert von 700 wäre Anton wahrscheinlich ins Koma gefallen. Seitdem ist alles anders. „Es ist komisch, wenn man auf einmal das Gefühl vermittelt bekommt, nicht mehr mit seinem eigenen Kind umgehen zu können,“ so die 28-Jährige Mutter.

    Zwischendurch mal ein Keks von der Oma oder ein Stück vom Geburtstagskuchen eines Kita-Kindes: für Anton undenkbar. Jede Kohlenhydrat-Einheit muss gewogen und berechnet werden, alle zwei Stunden muss Anton essen. Unabhängig davon, ob er Hunger hat oder nicht. Je nach dem, wie viel er sich bewegt, ändert sich die Rechnung wieder. Dann kontrolliert Ina Haas alle 15 Minuten den Wert auf der Insulin-Pumpe. Das soll demnächst Benny übernehmen.

    Noch ist der Welpe sehr verspielt

    Benny wird zum Diabetiker-Warnhund ausgebildet. Noch ist der Welpe sehr verspielt.
    Benny wird zum Diabetiker-Warnhund ausgebildet. Noch ist der Welpe sehr verspielt. © Britta Prasse

    Benny ist ein 15 Wochen alter Border-Collie-Australian-Shepherd-Mix und wird derzeit als Diabetiker-Warnhund ausgebildet. Noch ist der Welpe sehr verspielt, springt gerne an Besuchern hoch oder wirft sich auf den Rücken, die Pfoten angewinkelt, um Streicheleinheiten bettelnd. Nach seinem Ausbildungsjahr wird Benny ein wichtiger – vielleicht sogar lebensrettender – Begleiter in Antons Alltag sein. Dann wird er Schwankungen bei den Blutzuckerwerten erschnüffeln und rechtzeitig Unter- und Überzuckerungen anzeigen können.

    Bis es soweit ist, trägt Anton noch einen Sensor am rechten Oberarm, der Antons Blutzuckerwerte rund um die Uhr überwacht. Dieser Sensor muss allerdings alle sechs Tage neu gestochen werden – und das ist schmerzhaft. „Das tut einer Mama wirklich weh, wenn sie ihr Kind so schreien sieht“, sagt Ina Haas.

    Sensor kostet 7000 Euro im Jahr

    Abgesehen davon, sei die Bereitstellung des Sensors ein ständiger Kampf mit der Krankenkasse. „Alle sechs Monate müssen wir einen neuen Bewilligungsantrag bei der Krankenkasse stellen. Ich verstehe nicht, warum.“ Die Kosten für den Sensor belaufen sich jährlich auf 7000 Euro. Viel Geld für die junge Familie. Wenn Benny erst mal zertifizierter Diabetiker-Warnhund ist, entfällt zumindest der bürokratische Spießrutenlauf mit der Krankenkasse.

    Auch interessant

    Benny soll aber kein Sensor-Ersatz auf vier Pfoten sein. Er ist ein Familienhund. „Emma könnte es nicht verstehen, dass wir Benny nur wegen Antons Krankheit angeschafft hätten. Sie ist so tierlieb, das hätte ihr das Herz gebrochen“, erzählt Ina Haas. Emma soll sich nicht hinten angestellt fühlen; wenn Anton morgens sein abgewogenes Müsli bekommt, wird auch Emmas Portion abgemessen.

    Wird Antons großer Wunsch bald erfüllt?

    Ina Haas wünscht sich für ihren Sohn Normalität. Dass er zu Freunden nach Hause eingeladen wird und wegen seiner Krankheit nicht zum Außenseiter wird. Zu seinem Geburtstag hatte Anton nur einen Wunsch: bei seinem guten Freund zu übernachten. Bisher wurde ihm dieser Wunsch noch nicht erfüllt. Die Mutter hat Angst, bei der Betreuung von Anton etwas falsch zu machen. Zu Antons vierten Geburtstag wird Benny fast fertig sein mit seiner Ausbildung zum Diabetiker-Warnhund. Vielleicht geht dann Antons Wunsch in Erfüllung.

    Hintergrund zu Diabetes Typ I

    Diabetes Typ I ist eine Autoimmunkrankheit, die häufig schon im Kinder- und Jugendalter auftritt. Dabei richtet sich das körpereigene Immunsystem gegen die Insulin produzierenden Zellen der Bauchspeicheldrüse und zerstört diese.

     

    Im Gegensatz zum Typ-1-Diabetes ist der Typ-2-Diabetes nicht Folge eines Insulinmangels, sondern einer Insulinresistenz. Das bedeutet: Die Zellen sprechen nicht mehr ausreichend auf Insulin an, so dass das Hormon den Zucker nicht in die Zellen schleusen kann. Das Resultat: Der Blutzuckerspiegel steigt. Um das auszugleichen, produziert die Bauchspeicheldrüse zunächst größere Mengen Insulin. Wenn auch das nicht mehr ausreicht, um die Insulinresistenz zu überwinden, dann entwickelt sich ein Typ-2-Diabetes.

     

    Die Hauptursachen eines Typ-2-Diabetes sind erbliche Veranlagung, Übergewicht und Bewegungsmangel. Während der Typ-1-Diabetes eher in jüngeren Jahren entsteht, entwickelt sich ein Typ-2-Diabetes oft erst im fortgeschrittenen Alter bei Patienten.

     

    Diabetes ist nicht heilbar, das bedeutet: Patienten mit Typ-1-Diabetes müssen ein Leben lang das fehlende Insulin ersetzen – in der Regel, indem sie es spritzen. Andernfalls schädigt der zu hohe Blutzuckerspiegel Organe, Nerven und Gefäße.

     

    1/4