Werthenbach. . Ullrich Georgi ist erst spät in den Wahlkampf für die Linke eingestiegen. Jetzt will der Hobby-Bergsteiger den Einzug in den Landtag schaffen.

Der Kandidat für das Direktmandat des Wahlkreises Siegen-Wittgenstein II mag keine Plakate. Grade ist er vom Wahlwerbung kleben aus Bad Berleburg zurückgekehrt, aber Ullrich Georgi bezweifelt, dass die „Verschandelung der Städte“, wie er schelmisch bemerkt, wirklich Sinn macht.

Aber er will das Gesicht sein, das die Menschen kennen, wegen dessen sie seine Partei vielleicht wählen, auch wenn die Linke keine Portraits plakatiert, sondern Inhalte. Dafür aber auf knalligem Rot. „Lesen kann man das im Vorbeifahren sowieso nicht.“

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Stände sind ihm lieber, in den Innenstädten, mit den Menschen ins Gespräch kommen. Das liegt dem ehemaligen Pressesprecher der Universität Siegen: das Kommunikative. Zwei Einladungen zu Podiumsdiskussionen mit seinen Mitbewerbern/Konkurrenten hat er erhalten, „bisschen wenig“, findet Georgi.

Als Ersatz-Kandidat eingesprungen

Eigentlich hatten sich die Linken für den Wahlkreis 127 einen anderen Kandidaten ausgeguckt. Aber als der aus persönlichen – und inhaltlichen – Gründen zurückzog, wurde die Zeit langsam knapp. „Es ist wichtig, einen Direktkandidaten vor Ort zu haben, damit die Wähler die Möglichkeit haben, einer Partei beide Stimmen zu geben“, findet Ullrich Georgi.

Er ist der, der in die Bresche sprang, obwohl er eigentlich seinen Ruhestand genießen wollte, sagt Georgi und lächelt. „Seit 2009 bin ich Chef der Kreistagsfraktion, das ist eigentlich Arbeit genug.“ Der Landtagswahlkampf wird zeitraubend, er ist spät in den Zug eingestiegen, in der vielbeschworenen „heißen Phase“ des Wahlkampfs ist er jeden Tag unterwegs.

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„Ich setze meine ganze Kraft für ein ordentliches Erst- und Zweitstimmenergebnis ein“, dass er den Wahlkreis gewinnt – „davon gehe ich eher nicht aus“, sagt Georgi und grinst erneut. Aber die Wähler sollen Alternativen haben, das gehört zur Demokratie, vermeintliche Aussichtslosigkeit ist kein Grund. „Wir wollen die Wähler von 2010 bei der Stange halten und die 2012er Piratenwähler zurückbekommen“, so das strategische Ziel der Linken.

Lieblingsthema: Eine Schule für alle

Zur Partei kam Georgi wie viele enttäuschte Sozialdemokraten: Die Agenda 2010. „Ich kann einfach nicht einsehen, dass die, die ein Leben lang eingezahlt haben nach einem Jahr Arbeitslosigkeit genauso behandelt werden wie die, die noch nie eingezahlt haben“, sagt er.

2004 drückte ihm jemand bei einer Großdemo einen Zettel in die Hand, in Köln war das, „Wahlalternative“ stand drauf. 1965 war er in die SPD eingetreten, ‘82 beim Nato-Doppelbeschluss wieder raus, war immer politisch aktiv, für alleinerziehende Väter, für Frieden, soziale Gerechtigkeit.

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Eine Schule für alle, von der ersten bis zur letzten Klasse. Das ist Georgis Lieblingsthema für den Landtag. Geld ins System Schule, keine Klassen mit 30 Schülern mehr, sanierte Gebäude, zusätzliche Lehrkräfte und Sozialbetreuer, kein Frontalunterricht und den Nachmittag frei. „Man muss nach 14 Uhr kein Mathe, Englisch oder Sonstwas mehr machen.“ Man werde sich dafür einsetzen, das Experiment G 8 zu beenden. „In Berlin West hatten wir immer eine sechsjährige Grundschule“, erinnert er sich.

Ausbildung, auch so ein Thema. „Es ist eine Sauerei, dass immer weniger Betriebe ausbilden.“ Wer das nicht tut soll eine Abgabe zahlen, um die, die es tun, darin zu unterstützen, es auch weiterhin zu tun

Hobbys: Wandern und Bergsteigen

Will er denn wirklich in den Landtag? Das Bergsteigen – Georgi war fünfmal im Himalaya, der höchste Berg hatte 6081 Meter – einschränken? Das Wandern? 2015 haben er und seine Lebensgefährtin begonnen, den Europäischen Fernwanderweg E1 abzulaufen, etappenweise. Der Rothaarsteig ist Teil davon und verläuft quasi hinterm gelben Häuschen mit dem gepflegten Vorgarten.

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Im Frühjahr und Herbst nehmen sie sich immer ein weiteres Stück vor, besichtigen die unterschiedlichen Landschaften, die man sonst immer nur beiläufig und eilig mit dem Auto durchquert, nach der Wahl soll es erstmal nach Heidelberg gehen, dort wartet die nächste Etappe. „Ich mache das ja nicht, um mich zu geißeln“, sagt er. Er ist im Wissen angetreten, dass er es nicht wird. Aber es geht auch um Wahrnehmung. Und da schadet es jedenfalls nicht, wenn man Personen hat, Köpfe statt Partei, auch ohne Portraitplakate.

Ob nun im Landtag oder nicht: Die Politik soll möglichst keinen Einfluss nehmen auf das Familienleben – freitags kommen die Enkel –, und sie soll auch nicht bei Opern, Konzerten der Philharmonie im Apollo und beim Lesen der Bücher stören, in denen es irgendwie immer um Mord und Totschlag geht.

Aber noch ist es nicht so weit. Die nächste Wahl kommt bestimmt, 2020 wird auch der Kreistag neu gewählt. „Ich bin dann 75“, sinniert Georgi, „ob ich dann meinen Hut nochmal in den Ring werfe...“ Irgendwann habe jeder sein Verfallsdatum erreicht. Ein hartes Wort, wenn es um ein politisches Ehrenamt geht.

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