Dudziak-Park im Geisweider Wenscht im Dornröschenschlaf
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Geisweid. . 690 000 Euro soll es kosten, das Gelände denkmalschutzgerecht instandzusetzen. Das Land hat einen Zuschuss von 70 Prozent bewilligt.
Der Charme des (noch) Verwitterten im Wenscht: Ein Rundgang mit Traute Fries
Denkmalgeschütztes Areal soll aus „Dornröschenschlaf“ erwachen
690 000 Euro soll es kosten, das Gelände instandzusetzen, das Land hat Zuschuss von 70 Prozent bewilligt
Die Sonne scheint, aber der kleine Schwanenteich ist ein trostloser Anblick. Blaues Eis bedeckt den kleinen See im Wenscht, die dünne Schicht ist abgesackt, weil das Wasser im Untergrund versickert. Der Boden ist durchlässig. Die geschwungene Brücke über den Teich führt fast nur noch über Morast; sie hat die fahlbeige Farbe des Röhrichts. Der Albich, der kleine Bach, windet sich durch seine enge Schlucht im Wenscht, er rinnt eher, als dass er fließt.
Dr.-Dudziak-Park ist in die Jahre gekommen
Der Dr.-Dudziak-Park ist in die Jahre gekommen, in die Jahrzehnte. Aber der trostlose Charme der Verwitterung lässt erahnen, wie akkurat hier geplant und entworfen wurde in einer Zeit des Booms, in einer Zeit des Aufbruchs, künstlerisch, gesellschaftlich, politisch. Die schweren Decken der Nachkriegszeit lüfteten sich, es ging voran und bergauf – und irgendwann legte sich der Mantel des Vergessens wieder über das Areal. Das alles sieht man ihm an.
Kunstwerke, überall im Park, verwittern. Letzte Betonsockel des Geländerfundaments in der überraschend tiefen und steilen Schlucht bröseln in den Bach. Malerisch bemooste Baumwurzeln drücken letzte Asphaltbrocken hoch zu Stolperfallen, durch lichte Baumgruppen fällt die Sonne und spiegelt sich in den kleinen Staustufen.
Der Dr.-Dudziak-Park ist in die Jahrzehnte gekommen, aber es ist ein Dornröschenschlaf. Einst siedelte hier die Arbeiterschaft der Geisweider Stahlwerke, deren erster Arbeitsdirektor Dr. Erich Dudziak dem Park seinen Namen gab, posthum. Daraus soll das denkmalgeschützte Areal erwachen. Lange passierte nichts, außer dass Siedlergemeinschaft und Fischereiverein den Unrat der Leute aus den patinierten Grünflächen holten. „Es wurde mal durchgeforstet“, sagt Traute Fries.
Brombeeren im Sommer
Unterholz und Bäume versperren die Sicht vom Rand der Schlucht auf die Ufer und den Teich. Im Sommer pflückt sie hier Brombeeren. 690 000 Euro soll es kosten, das Gelände denkmalschutzgerecht instandzusetzen, das Land hat einen Zuschuss von 70 Prozent bewilligt.
Wenn sich jemand auskennt im Wenscht, der alten Arbeitersiedlung, in der prämierten Gartenstadt, dann Fries. Die Ratsfrau hat selbst 40 Jahre im Stahlwerk gearbeitet, sie besitzt eine kleine Wohnung schräg gegenüber der Skulptur der spielenden Kinder. Gertrud Vogd schuf die Figuren, auf der einen Seite der Wiese blicken sie interessiert hinab in den Brunnen, auf der anderen lassen sie sich von der Fontäne unterm Kinn kitzeln. Brunnen und Fontäne führen kein Wasser.
Die Fontäne im kleinen Schwanenteich, gleich hinter den spielenden Bronzekindern, gibt es auch nicht mehr. 1993 war eine schwierige Zeit für die Stahlwerke und damit fürs Wenscht, im Bezirksausschuss wurde damals gefordert, dass man auch mal etwas Schönes verdient habe, erzählt Fries. Man schaffte die Fontäne an, aber sie zog zu viel Schlamm, funktionierte nicht richtig und wurde wieder abgebaut. Das Pumpenhäuschen am Westufer verwitterte, heute hat es das Unterholz fast verschluckt.
Rund ums Wenscht und den Dr. Dudziak-Park
Ehemaliger Hauberg
Das Gelände der heutigen Siedlung ist ein ehemaliger Hauberg. Die Besiedlung begann im hinteren Wenscht, die ersten Siedler errichteten die Reihenhäuschen in Eigenleistung – nach der Schicht –, über 3000 Stunden „Muskelkapital“ stecken in den Gebäuden. „Keiner wusste, ob er an seinem eigenen Haus baute“, erklärt Traute Fries, „das wurde nachher ausgelost.“ Im Lauf der Zeit wuchs die Siedlung den Hang herab.
Skulptur
Die Skulptur „Hütejunge mit Ziege“ von Hermann Kuhmichel ist symbolisch zu verstehen: „Dr. Dudziak zerrt die Klafelder zu ihrem Glück“, erklärt Traute Fries.
Namensgebung
Der lange namenlose Park erhielt erst 1996 den Namen des ersten Arbeitsdirektors der Stahlwerke Südwestfalen AG. Im Gegenzug verlangten die Nachkommen von Karl Barich, langjähriger Vorstandsvorsitzender der Stahlwerke, eine Straße nach ihrem Ahn zu benennen. Ein Teil der Wenschtstraße heißt heute Karl-Barich-Straße.
Mitbestimmungsrecht
„Nach dem Willen der Alliierten wurde der Arbeitsdirektor den Verwaltungs- und Technikdirektoren gleichgestellt – und von den Gewerkschaften bestimmt“, erklärt Traute Fries; Kapital und Arbeit sollten im Aufsichtsrat gleichgestellt sein, die Belegschaft Mitbestimmungsrecht haben.
Kulturelle Bildung
Die Stahlwerke hatten seit den 50er Jahren Interesse an der kulturellen Bildung der Beschäftigten. Zum Beispiel wurden Theaterkartenkontingente gekauft und zu günstigen Preisen an die Azubis weitergegeben. In diesem Geist entstanden auch die zahlreichen Skulpturen im Dr.-Dudziak-Park. „Die Künstler mussten nach 1945 ja auch existieren“, sagt Traute Fries.
Künstler
Neun Künstler haben für den Dr.-Dudziak-Park und das Wenscht Werke geschaffen: Reinhold Köhler (Dortmund), Adolf Sänger (Niederdielfen), Hermann Kuhmichel (Eiserfeld), Theo Meier-Lippe (Hohenhausen/Lippe), Gertrud Vogd (Siegen), Jupp Jost (Hattersheim/Main), Rudolf Fehling, Ruth Fey und Kurt Ising (Freudenberg).
Einwohner
12 000 Einwohner hatte die Gemeinde Klafeld-Geisweid im Jahr 1952, heute sind es 18 000. Davon leben 4000 in der Wenschtsiedlung in rund 1700 Wohnungen: 130 Siedlerhäusern, 169 Einfamilienhäusern, 59 Zweifamilienhäusern, 45 Eigentumswohnungen, 808 Mietwohnungen und weitere frei gebaute Wohnhäuser im mittleren Wenscht.
Freibad und Kirchen
1953 wurde das Freibad gebaut, 1958 die Ev. Wenschtkirche, die Kath. St. Marienkirche im Jahr 1959.
Denkmalschutz
2005 stellte das Westfälische Amt für Denkmalschutz die Siedlung Vorderes Wenscht unter Denkmalschutz.
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Die Farbe blättert ab vom Zaun, den die Auszubildenden der Stahlwerke einst schufen, von den Schwänen aus Metall. „Vandalismusschäden“, sagt Traute Fries im Vorbeigehen und stapft zwischen hohen Laubbäumen den holperigen Weg unterhalb der Wenschtstraße hoch, der in die kleine Schlucht führt. Der Zustand der Wege wird immer erbarmungswürdiger, Asphaltreste, Wurzelwerk, Matsch, Moos und Kies. Feste Schuhe in einem städtischen Park. „Die Mauern müssen auch in Ordnung gebracht werden“, sagt Traute Fries und meint die Staustufen längs des Bachs und die Sitznischen für Bänke, in denen keine Bänke mehr stehen.
Zwölf Gärtner pflegten früher die Anlagen
Zwölf Gärtner des Stahlwerks haben sich damals um die Anlagen gekümmert, erzählt Fries. In den 1980ern gingen die Grünflächen in städtischen Besitz über, in der Zeit, als die Werkskindergärten an die AWO verkauft wurden, weil man Kitas nicht brauchte zur Stahl- produktion.
Im Hochhaus an der Ostflanke der Albichschlucht, einst das Ledigenwohnheim, lebten alleinstehende Gastarbeiter. „Bullenkloster“, sagt Traute Fries und lacht. Anfangs vor allem Italiener und Spanier, ab Anfang der 60er Jahre viele Türken, zuletzt auch viele Jugoslawen. Gute Sicht auf den Park dürften sie nicht gehabt haben.
Dr. Dudziak-Park im Geisweider Wenscht
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Am oberen Ende der Schlucht tritt unvermittelt der Albichbach aus dem Untergrund, oben steht mit grüner Patina verschlossen der „Exklusive“. Hermann Kuhmichel aus Eiserfeld schuf die Skulptur mit den verschränkten Armen als Anspielung auf den in sich gekehrten Siegerländer, so wie er ihn sah.
Relikt der goldenen Jahre der Montanindustrie
Kontakt hat Traute Fries mit vielen der Wenscht-Künstler, auch mit der Tochter Hermann Kuhmichels. „Er konnte nichts mit lachenden Gesichtern machen“, sagte sie. Dafür lachen die Kinder auf dem nahen Bolz- und Spielplatz, der Park ist immer noch nicht zu Ende. Hans Böckler schaut stoisch von seinem Büstensockel zur Uni auf dem Haardter Berg hinüber und zum Monte Schlacko, auch so ein Relikt der goldenen Jahre der Montanindustrie im Siegerland.
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