Siegen. . Konjunkturklima steigt seit zwei Jahren stetig, aber in kleinen Schritten. Olpe vor Siegen-Wittgenstein. Unternehmen bei Investitionen zögerlich.

  • Wirtschaft in Siegen-Wittgenstein und Olpe durch Trump-Politik verunsichert
  • 500 befragte Betriebe beurteilen ihre Lage etwas besser als im Herbst 2016
  • Bei Gießereien, Maschinen- und Anlagenbauern ist die Stimmung im Keller

In weiten Teilen der Wirtschaft in Siegen-Wittgenstein und dem Kreis Olpe, insbesondere in der Industrie, nimmt die Verunsicherung durch die Politik des US-Präsidenten Donald Trump weiter zu. „Es ist vollkommen unverständlich, wie Trump auch mit seiner Mannschaft umspringt“, schwant IHK-Präsident Felix G. Hensel Unheil.

Immerhin zeigte sich in dieser Woche, dass Trump nicht schalten und walten kann, wie er will. „Hier sehe ich eine gewisse Hoffnung“, sagt IHK-Hauptgeschäftsführer Klaus Gräbener. Eigentlich, das zeigen die Daten der aktuellen Umfrage, hat sich das schon gute Konjunkturklima bei den meisten Branchen im Kammerbezirk weiter verbessert.

IHK-Präsident Hensel kritisiert VW-Manager

Der Präsident der Industrie- und Handelskammer Siegen, Felix G. Hensel, äußerte sich bei der Jahresveranstaltung in der Siegerlandhalle vor rund 1600 Gästen aus Wirtschaft, Gesellschaft und Politik, darunter als Gastrednerin Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen, höchst besorgt hinsichtlich des Wirtschaftsklimas. Hensel zielte dabei keineswegs allein auf internationale Entwicklungen mit Trump, Türkei und Brexit ab, sondern auf Fehlentwicklungen in der deutschen Wirtschaft. Der Präsident kritisierte das Management des Volkswagenkonzerns scharf: „Wer es wie VW am Fingerspitzengefühl für Recht und Gesetz mangeln lässt, ist ein schlechtes Beispiel für die Wirtschaft.“

Straftaten zu begehen, die damit verbundenen Milliardenverluste zu Lasten der Beschäftigten, Zulieferer und Kunden zu konsolidieren und in einer solchen Lage dann auf Bonuszahlungen in zweistelliger Millionenhöhe zu pochen, trage zu einer Missstimmung im Land bei, die letztlich der gesamten Wirtschaft schade, nicht zuletzt mit Blick auf die Wahlen in Nordrhein-Westfalen im Mai und im Bund im September dieses Jahres. „Wähler entscheiden nicht immer so rational, wie wir uns das wünschen. Dadurch wird die Lage für unsere Unternehmen nicht einfacher“, mahnte Hensel. Verteidigungsministerin von der Leyen sprang Hensel bei seiner Kritik an Maßlosigkeit von Managern zur Seite. „.Es braucht nicht unbedingt Millionengehälter im Vorstand, um gute Arbeit zu leisten“, erklärte von der Leyen am Beispiel der Bundeswehr. Die sei ein großartiges Logistikunternehmen, bewege viermal soviel Tonnage wie VW - aber selbst ein Bundesministergehalt ist im Vergleich zu einem Dax-Vorstandssalär höchst überschaubar.

NRW wächst in Südwestfalen

Hensels besorgter Blick gilt aber in erster Linie der Region. In NRW und auch in Südwestfalen gehe es keineswegs allen Betrieben gut. „Nordrhein-Westfalen hat es vermutlich erneut nicht geschafft, mit Wachstum das Jahr 2016 zu beschließen“, traut der IHK- Präsident dem Ergebnis der ersten Vorjahreshälfte offenbar kein bisschen. Wie in der Vorwoche bekannt wurde, bedeuteten 2,1 Prozent Wachstum immerhin den Sprung vom letzten auf den 8. Platz im Bundesländervergleich. Dass am Ende für 2016 erneut ein Nullwachstum wie im Jahr 2015 zu Buche stehen wird, scheint eher unwahrscheinlich zu sein.

Dennoch: Im Vergleich zum Wachstum im Bundesdurchschnitt, der für 2016 aktuell mit plus 1,9 Prozent und beim Industrieumsatz sogar mit plus 3,5 Prozent beziffert wird, sieht Hensel im Bereich Verarbeitendes Gewerbe ein Minus von 1,1 Prozent für NRW. Die Industrie im Kammerbezirk habe immerhin ein leichtes Wachstum von 1,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr verzeichnet, im Kreis Olpe sogar 1,9 Prozent. „Diese Daten zeigen, wo NRW überhaupt noch wächst“, erklärte Hensel. Allerdings nicht in allen Branchen: Vor allem im „Kernraum Siegen haben insbesondere die Walzen- und Röhrenindustrie sowie die Stahlerzeugung und -verarbeitung schwer zu kämpfen“. Sie hätten nach Erkenntnissen der Kammer 2016 im Vergleich zum Vorjahr zweistellige Umsatzverluste zu verzeichnen gehabt.

Achtung Akademisierungsfalle

Felix Hensel brach noch einmal eine Lanze der Vernunft für die duale Ausbildung. Seiner Ansicht nach sind junge Leute und deren Eltern in Südwestfalen gut beraten, nicht in die Akademisierungsfalle zu tappen. „Im IHK-Bezirk werden nur zehn Prozent der zukünftigen Stellen für Fachkräfte mit einem akademischen Abschluss nachgefragt.“ Demgegenüber würden weit mehr als die Hälfte eines Schulabgängerjahrgangs in Deutschland ein Hochschulstudium beginnen - und jeder Fünfte dabei auf der Strecke bleiben, also keinen Abschluss erzielen.

Wirtschaft, überlasteten Hochschulen und vermutlich auch vielen Jugendlichen selbst wäre geholfen, wenn sich wieder mehr Schulabgänger für eine berufliche Ausbildung entschieden, glaubt Hensel.

Die 500 befragten Betriebe beurteilen ihre Lage noch etwas besser als im Herbst 2016: Fast 40 Prozent schätzen sie zu Jahresbeginn als „gut“ ein, nur zwölf Prozent als „schlecht“. Knapp ein Viertel erwartet in den kommenden Monaten auch bessere Geschäfte, nur 10 Prozent schlechtere. Nach wie vor sind die Werte im Kreis Olpe etwas besser als in Siegen-Wittgenstein. Allerdings haben sich die Werte in den letzten Monaten angenähert.

Gießereien in der Krise

Der Konjunkturklimaindex als Zusammenfassung von Lagebeurteilungen und Erwartungen stieg gegenüber September 2016 von 118 auf nun 120 Punkte an. „Damit verbessert sich das Konjunkturklima seit zwei Jahren stetig, aber in sehr kleinen Schritten“, bemerkt IHK-Präsident Hensel. Ein Wermutstropfen sei die zunehmende Zurückhaltung bei Investitionen. „Viele Unternehmen investieren zögerlich, wenn überhaupt. Trotz guter Stimmung ist dies auch Ausdruck von vorhandenen Unsicherheiten“, resümiert Präsident Hensel.

Im Keller sei die Stimmung bei vielen Gießereien. Denen gehe es „hundsmiserabel“, wie IHK-Chef Gräbener berichtet. Dies ist nicht nur im Raum Siegen-Wittgenstein so, wo die Gießereikrise vier große Unternehmen mit rund 1200 Beschäftigten betrifft. Ein Gießereisterben erwartet Hensel nicht.

Einbußen in der Metallerzeugung

Alles andere als blendend geht es auch Maschinen- und Anlagenbauern in der Region. Als „Seitwärtsbewegungen“ bezeichneten die meisten Betriebe die Situation bei den Auftragseingängen – mit positiven Ausnahmen. Rückblickend meldet der Maschinenbau im IHK-Bezirk sogar ein Umsatzwachstum von 11,5 Prozent im Jahr 2016. Ganz anders sieht es in der Metallerzeugung aus. Über 15 Prozent Einbuße sieht die Kammer mit größter Sorge.

Die Baubranche äußerte sich in der Umfrage durchaus zufrieden, trotz witterungsbedingter Stillstände in den Wintermonaten. Dies spiegelt sich auch in der Einschätzung zur Beschäftigtenentwicklung wider. Zeigte der Daumen im September 2016 beim Thema Einstellungen noch nach oben, ist die aktuelle Erwartungslage beim Personal im Minus. Alle anderen befragten Branchen – also Industrie, Einzelhandel, Großhandel und nicht zuletzt der Dienstleistungssektor erwarten Beschäftigungsaufbau in diesem Jahr.