Netphen/Siegen. . 22 Kinder in Netphen-Salchendorf wurden aus einem Heim in privater Trägerschaft geholt. Das Jugendamt des Kreises Siegen-Wittgenstein schaltet die Staatsanwaltschaft ein.
Das Jugendamt des Kreises Siegen-Wittgenstein schweigt. Keine Einzelheiten. Sicher ist: Die Vorwürfe, die gegen die Betreuer in einem Heim für schwer erziehbare Jugendliche in Netphen-Salchendorf erhoben werden, verdichten sich.
„Bei uns sind etliche Telefonate eingegangen, in denen Ehemalige von ähnlichen schlimmen Erfahrungen berichten“, sagt Torsten Manges der Westfelanepost. „Wir fangen nun an, die Vorkommnisse in ihrer ganzen Tiefe und Dimension aufzuarbeiten. Jeder, der sich gemeldet hat und sich namentlich bekennt, ist aus unserer Sicht ein glaubwürdiger Zeuge.“
Kinder gedemütigt
Um was es im Detail geht? „Es ist nicht unsere Aufgabe“, so der Sprecher der Siegener Kreisverwaltung, „die Schicksale der Kinder auszubreiten. Unsere Aufgabe ist es, sie zu schützen.“ Aus diesem Grund seien die Kinder im Alter von 7 bis 17 Jahren vom Jugendamt aus der Einrichtung in privater Trägerschaft am Montagnachmittag geholt und in Pflegefamilien untergebracht worden.
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Wer nachfragt, warum dieser außergewöhnliche Schritt notwendig war, erntet eisiges Schweigen. Im Laufe des Tages sickern erste Vorfälle durch. Die Jugendlichen mit sozialem und emotionalem Förderbedarf sollen gedemütigt, gepeinigt und mit disziplinarischen Maßnahmen bloßgestellt worden sein, die nicht mehr der Zeit entsprechen.
Die Staatsanwaltschaft Siegen ist eingeschaltet. Sie will prüfen, ob Straftaten vorliegen. „Wir haben den Kreis Siegen-Wittgenstein gebeten, uns die Vorfälle darzustellen“, sagt Oberstaatsanwalt Johannes Daheim der Westfalenpost „So lange wir hier nichts vorliegen haben, können wir nichts bewerten.“ Gegenwärtig bestehe kein dringender Handlungsbedarf, „weil die Kinder aus der Gefahrenzone sind, wenn es denn eine war“.
Die Betriebserlaubnis für die Einrichtung in Salchendorf hat das Landesjugendamt des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) erteilt. Hier warten die Verantwortlichen auf die schriftlichen Protokolle der Aussagen der betroffenen Jugendlichen. „Dringend“, sagt Pressesprecher Karl Donath.
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„Auch benötigen wir umgehend die Liste der Jugendämter, die dieses Haus mit Kindern belegt haben.“ Es handelt sich nach Angaben des Kreises Siegen-Wittgenstein um neun Jugendämter aus Nordrhein-Westfalen, Hessen und Rheinland-Pfalz. Ihnen obliege auch grundsätzlich die Aufsicht über das Heim, so Sprecher Manges: „Aus dem Kreis Siegen-Wittgenstein kommt kein Kind ins Heim in Salchendorf.“
Heftige Kritik an Überbelegung
Ob und wie es mit dem Heim weiter geht, liegt auch in den Händen des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe. „Die Belegung ist ein wichtiger Bestandteil der Betriebserlaubnis. Wenn dagegen verstoßen wird, ist dies ein gravierendes Vergehen.“ Das Haus ist nach seinen Angaben für 16 Jugendliche zugelassen. Donath: „Danach war es überbelegt.“ Eine gründliche Überprüfung sei erst nach Eingang der Unterlagen in Münster möglich: „Wir werden sehr genau hinsehen.“ Die Heimleitung könne sich nicht hinter einem Anwalt verstecken, im Zuge der fachlichen Überprüfung müsse sie reden. „Noch ist alles völlig offen.“