Südwestfalen. . Die südwestfälischen Pils-Brauer beobachten die Trends der in Mikro-Brauerein handwerklich hergestellten “Craft“-Biere - sehen sie aber nicht als mehrheitsfähig. Ein Mitbewerber aus der Eifel sieht das etwas anders.

Es ist eine Bier-Revolution. Wo nur Größe zählte, mischen Mikro-Brauereien die Szene auf. Wo Pils, Kölsch, Alt und Weizen unter sich blieben, breiten sich Exoten aus. Die Welle der „Craft“-Biere, englisch für: handwerklich hergestellt, hat das Land des Reinheitsgebots erreicht.

Rund 100 kleine Braustätten fertigen vor allem in Großstädten wie Berlin Spezialitäten, die häufig extrem gehopft sind, viel Alkohol enthalten und Preise von drei bis 20 Euro pro Flasche erzielen.

Ein Medienthema?

Kann das nicht eine Hoffnung sein für die vom sinkendem Pro-Kopf-Verbrauch und harten Preiskampf gebeutelten deutschen Brauereien? Die südwestfälischen Pils-Spezialisten sind da skeptisch. „Mir scheint das in erster Linie ein Medienthema“, sagt Veltins-Sprecher Ulrich Biene.

„Seit 15 Monaten lese ich jede Woche etwas darüber.“ Er kann es verstehen: „Da lassen sich schöne Geschichten erzählen von jungen Wilden, die Neues wagen.“ Nur für den Markt habe das keine Bedeutung: „Der Verbraucher kennt nicht einmal das Wort Craft-Bier.“

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Dennoch schaut Biene mit Sympathie auf die Bewegung: „Es ist immer erfreulich, wenn über Bier gesprochen wird.“ Und man werde genau beobachten, ob sich Trends abzeichneten, die ein größeres Potenzial hätten.

Spezialitäten an sich seien durchaus einer. Die Rückkehr des Traditionellen, die neue Landlust oder Oktoberfestbiere. Aber da müsse sich Veltins auch fragen, was zur Marke passe. Weshalb man eben auch kein eigenes Weizen produziere.

Spezialbiere in der Gastronomie und im Internet

Bei Warsteiner betrachtet Stefan Leppin die Lage ähnlich: „Wir begrüßen die neuen Entwicklung. Das tut dem Bier gut.“ Aber noch sieht er nur eine sehr kleine Nische. Die könne durchaus größer werden: „Die großen Pilsmarken sind nah beieinander. Nationale Marken sprechen breite Zielgruppen an. Klar, dass da Räume entstehen für exotische Produkte.“

Er stellt sich das vor wie bei der Schokolade: Da gibt es große Marken mit verlässlicher Qualität und kleine Chocolatiers, die zu höheren Preisen das Besondere bieten. Die neuen Spezialbiere sieht er allerdings nur in der Gastronomie oder im Internet: „Im Handel ist dafür kein Platz.“

Bei Krombacher verweist Franz J. Weihrauch auf die unterschiedliche Ausgangslage zwischen Deutschland und den USA, wo der Craft-Bier-Trend vor gut 20 Jahren entstand: „Da war der gesamte Markt in der Hand von drei, vier Riesen.

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Gegen die extreme Geschmacksverarmung bildete sich eine Bewegung mit regionalen Brauereien, die inzwischen teilweise schon sehr groß sind.“ In Deutschland dagegen gebe es mehr als 5000 unterschiedliche Biersorten. Aber doch vornehmlich in Bayern, oder? „Gewiss“, meint Weihrauch, „aber unser Dunkles, das wir vor zwei Jahren ohne große Werbung auf den Markt gebracht haben, läuft auch gut.“

Für die Großen kommt es eben auf die Mengen an. Und von so einem Indian Pale Ale, der Modesorte der Mikros, nippt man vielleicht zwei Gläser zum Essen, aber trinkt es nicht täglich gegen den Durst. „Wir probieren und testen sehr viel, das nie auf den Markt kommt“, sagt Biene. „Unsere Biere müssen mehrheitsfähig sein.“

Das strebt Jan Niewodniczanski, Geschäftsführer Technik bei Bitburger, Mitinhaber und Braumeister, prinzipiell auch an. Aber nicht mehr für jedes Produkt. Deshalb gibt es seit Juli das Craftwerk. Unter diesem Namen sind - nur im Internet - drei Spezialbiere erhältlich, die in der kleinen Versuchsbrauerei entstehen, in der Bitburger in den vergangenen 20 Jahren Techniken und Rohstoffe erforscht hat. „Wir haben also die Möglichkeiten“, sagt Niewodniczanski, „wir haben die Kompetenz, und wollen einen Trend, den wir für sehr positiv halten, unterstützen.“

Neues lernen

Also mehr ein Hobby des Chefs? „Mit dem Wort würde man es nicht ernst genug nehmen. Das macht uns schon Spaß. Aber unser obergäriges Ale ‘Tangerine Dream’ etwa ist eine Hommage an die deutschen Hopfenzüchter und deren neue Sorte Mandarina Bavaria.“

Das Hop Head IPA kombiniere vier amerikanische und drei deutsche Hopfen, und das Holy Cowl sei ein belgisch inspiriertes Tripel - aber nach deutschem Reinheitsgebot. „Ich bin überzeugt, dass wir dabei noch etwas lernen können“, sagt Niewodniczanski, „auch über neue Marktmechanismen und Konsumentengruppen.“

Und vielleicht werde der Trend noch bedeutender, als alle vermuteten: „Mein Ururgroßvater hat 1909 für das Recht gekämpft, unser Bier „Pilsener“ nennen zu dürfen. Da war nicht vorauszusehen, was daraus werden würde. Man darf nicht immer nur kurzfristige Ziele sehen.“