Schmallenberg. Lenne hat in „Unser Dorf hat Zukunft“ gewonnen. Wie Kommissionsleiter und Tourismusexperte Thomas Weber den Wettbewerb sieht.

Im Oktober 2022 ging Thomas Weber als Geschäftsführer des Sauerland-Tourismus in den Ruhestand. Jetzt übernahm der Tourismus-Experte die Leitung der Schmallenberger Kommission für den Dorfwettbewerb „Unser Dorf hat Zukunft“. Im Interview erläutert er, warum Lenne aus dem Wettbewerb als Sieger hervorging, was andere Dörfer davon lernen können und warum es letztlich keine Verlierer gibt.

Lenne nimmt am Dorfwettbewerb „Unser Dorf hat Zukunft“ teil und vertritt Schmallenberg auf Kreisebene. Bei der Teilnahme zum Bundeswettbewerb 1997 ist Lenne auf Landesebene als Golddorf, und im Jahre 1998 auf Bundesebene als Silberdorf ausgezeichnet worden.
Lenne nimmt am Dorfwettbewerb „Unser Dorf hat Zukunft“ teil und vertritt Schmallenberg auf Kreisebene. Bei der Teilnahme zum Bundeswettbewerb 1997 ist Lenne auf Landesebene als Golddorf, und im Jahre 1998 auf Bundesebene als Silberdorf ausgezeichnet worden. © Funke Medien NRW | Schmallenberger Sauerland Tourismus

Was hat die Kommission an Lenne begeistert?

Uns hat gefallen, dass wir dort ein kompaktes, ländliches Dorf gesehen haben, das vieles richtig gemacht hat - manches intuitiv, vieles geplant. Vor allem hatten wir den Eindruck, dass es dort eine gute Art gibt, miteinander zu sprechen. In der Präsentation dürfen die Lenner noch ein wenig selbstbewusster werden. Manches kam quasi nebenbei heraus, wie: „Wir haben auch noch Zuzug“, oder: „Hier leben bei rund 370 Einwohnern immerhin 70 Kinder.“ Auch gab es dort einen spannenden Mix aus Tradition und Fortschritt, wie die Pflege alter Bausubstanz und für alle eine WhatsApp-Gruppe, an der fast das ganze Dorf teilnimmt. Dabei hatten wir den Eindruck, dass Alt und Neu, Wirtschaft und Soziales, das Dorf nicht spaltet, sondern weiterbringt, wobei die Übergänge fließend sind. Das wirkt auf den Betrachter alles sehr harmonisch und zukunftsgewandt. Deshalb haben wir Lenne eine Runde weitergeschickt. Aber auch das Hawerland und Oberkirchen haben einen starken Auftritt geboten

Wichtig ist, dass man sich für das moderne Lebenskonzept Dorf ins Zeug legt.
Thomas Weber - Tourismusexperte

Inwiefern?

Das Hawerland hat ja mit sieben Dörfern einen Sonderpreis für Gewerbevielfalt und wirtschaftliche Entwicklung erhalten. Die Landwirte in der Region sind jeder für sich hoch spezialisiert, vom Mutterkuhhalter über den Kinderland-Betrieb bis zum Lohnunternehmer. Da gibt es auch jede Menge Arbeitsplätze, die man auf den ersten Blick gar nicht sieht, weil die Menschen ja morgens nicht in ein großes Werktor reinmarschieren. Und Oberkirchen erhielt einen Sonderpreis fürs Vereinsleben und das soziale Engagement. Das war schon toll zu sehen, wie da die Vereine miteinander arbeiten, um Alte und Junge zu integrieren. Alle drei Teilnehmer waren schwer miteinander zu vergleichen. Eigentlich sind alle Sieger.

Warum das?

Jedes Dorf, das sich auf den Weg macht, lernt eine Menge und wird besser. Ganz egal, ob man nun auf dem Siegertreppchen steht oder nicht.

Blick auf Lenne.
Blick auf Lenne. © Funke Medien NRW | Schmallenberger Sauerland Tourismus

Wenn man Sie heute bitten würde, ein Dorf in seiner Entwicklung zu coachen. Worauf würden Sie den Schwerpunkt legen?

Ganz klar: Auf Kommunikation, Absprachen und Zuversicht. Gerade Zuversicht ist in meinen Augen in einer Zeit allgemeiner Unsicherheit wichtiger denn je.

Kommunikation und Absprachen sind klar, aber wie zeigt man Zuversicht?

Schön ist es, wenn rüberkommt: Wir engagieren uns. Wir leben gern hier. Und das Gefühl hatte ich nach der Bereisung. Ich habe abends zu meiner Frau gesagt. „Hier geht die Welt nicht unter – hier geht´s weiter!“. Von Sauerländer Dörfern kann manche Stadt und mancher Politiker etwas lernen.

Was ist beim Dorfwettbewerb zweitrangig?

Geranien (lacht). Nein, im Ernst, all das Äußerliche, auf das früher so viel Wert gelegt wurde, bietet zwar ein schönes Ambiente, hilft dem Dorfleben aber letztlich nicht allein weiter. Das Miteinander hat einen viel höheren Wert.

Vertreterinnen und Vertreter der Dörfer (Lenne, Oberkirchen, Hawerland) mit Kommissionsleiter Thomas Weber (von rechts).
Vertreterinnen und Vertreter der Dörfer (Lenne, Oberkirchen, Hawerland) mit Kommissionsleiter Thomas Weber (von rechts). © WP | Katharina Kalejs

Kein Platz für Kritisches?

Doch natürlich. Ich will damit nicht sagen, dass man Probleme ausblenden sollte, sondern, dass man sie mit Mut angeht. Niemand möchte Museumsdörfer. Wir finden es gut , wenn man Kritisches auch anspricht. Nehmen Sie die Windkraft, die ja manches Dorf in unserer Region spaltet. Auch so ein Thema kann in den Wettbewerb gehören, wenn es vor Ort ein Thema ist. Man kann doch trotz unterschiedlicher Ansichten und Lebenswelten ein intaktes Dorf oder ein intakter Dorfverbund sein.

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Was würden Sie sich als Tourismus-Experte und Schmallenberger für Ihre Heimat wünschen?

Dass in Zukunft viel mehr Dörfer an dem Wettbewerb teilnehmen. Ganz egal, wie groß die Chancen sind, auf dem Treppchen zu stehen, ganz egal, welche Konflikte es im Ort gibt. Wichtig ist, dass man sich für das moderne Lebenskonzept Dorf ins Zeug legt. Ich könnte dabei gut ganz auf den Wettkampfcharakter verzichten. Für „Unser Dorf hat Zukunft“ muss man miteinander reden und sich einen Plan machen - innerhalb des Ortes und über Ortsgrenzen hinweg. So lernt man voneinander und kann gemeinsam in die Zukunft gehen. Dabei ist der Prozess viel wichtiger als die Plakette.

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