Meschede. Die 112 ist die Nummer der Rettungsleitstelle. Aufgeregte Anrufer machen Fehler. Welche das sind und was passiert, wenn Kinder anrufen.

Wer ein Feuer oder einen medizinischen Notfall melden will, wählt die 112 und landet bei der Rettungsleitstelle des Kreises in Enste. Was soll man jetzt sagen? Welche Fakten zur Hand haben? Anrufer werden zwar durch die moderne Leitstellenarbeit in nur etwa einer Minute vollständig durch den Notrufdialog geführt. Trotzdem machen sie Fehler. Welche das sind und wie man sie vermeidet, erklärt Michael Schlüter, Leiter des Sachgebiets operative Dienste, Leitstelle und Technik beim Hochsauerlandkreis.

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Anrufer werden heute professionell durch den Notruf geführt. Welche Fehler machen sie trotzdem?

Der größte Fehler ist, wenn sich ein Anrufer nicht die paar Sekunden - auch wenn er sich persönlich in einer Ausnahmesituation befindet - auf die routinierte Abfrage des Disponenten einlässt. Also ihn laufend im Gespräch unterbricht, anschreit oder gar einfach auflegt. Dies kostet wertvolle Zeit und bringt niemanden weiter.

Sitzbänke mit Rettungspunkten verraten dem Disponenten in der Leitstelle, wo sich der Anrufer befindet. Eine solche Information bietet schnellere Hilfe im Notfall.
Sitzbänke mit Rettungspunkten verraten dem Disponenten in der Leitstelle, wo sich der Anrufer befindet. Eine solche Information bietet schnellere Hilfe im Notfall. © WP

Leider hat sich bundesweit zunehmend eine ‚All-Inklusive-Mentalität‘ entwickelt, obwohl der Rettungsdienst eigentlich nur zur Versorgung von Notfallpatienten vorgesehen ist.
Michael Schlüter - Leiter des Sachgebiets operative Dienste Leitstelle und Technik beim Hochsauerlandkreis

Haben Sie Tipps, wie man sich auf den Anruf im möglichen Notfall vorbereiten sollte?

Die richtige Einsatzadresse zu kennen, ist das Allerwichtigste. Auch gerade als Gast sollte man möglichst immer wissen, wo man sich gerade aufhält, zum Beispiel auf der Bundesstraße zwischen Ort A und Ort B. In Zweifelsfällen kann die Leitstelle die Anrufer auch über ihr Mobiltelefon orten, falls eine Netzabdeckung vorhanden ist. Sobald der Rettungsdienst vor Ort eintrifft, sind oft Medikamentenlisten gefragt, diese kann man sich gerade als älterer Mensch schon einmal auf dem Küchentisch bereitlegen.

Ein Bild aus einer Leitstelle: Der Mitarbeiter nimmt die Notrufe an und entscheidet, welche Einsatzkräfte auf den Weg geschickt werden müssen.
Ein Bild aus einer Leitstelle: Der Mitarbeiter nimmt die Notrufe an und entscheidet, welche Einsatzkräfte auf den Weg geschickt werden müssen. © Ennepe-Ruhr-Kreis | UvK

Was waren skurrile, ärgerliche und unnötige Einsätze, an die Sie sich erinnern?

In Zeiten, in denen der Notruf 112 noch über jedes Mobiltelefon ohne SIM-Karte abgesetzt werden konnte, erreichten die Leitstelle HSK Hunderte von böswilligen Anrufen - jeden Tag! Das gehört inzwischen glücklicherweise der Vergangenheit an. Ob ein Einsatz tatsächlich notwendig oder unnötig war, stellt sich oft erst vor Ort heraus. Es gibt aber gerade für den Rettungsdienst zunehmend vermeidbare Einsätze, auch weil die Bevölkerung immer seltener in der Lage ist, sich bei einfachen Verletzungen, wie einem eingerissenen Fingernagel, „Husten“ oder „Kratzen im Hals“ selbst zu helfen. Leider hat sich bundesweit zunehmend eine ‚All-Inklusive-Mentalität‘ entwickelt, obwohl der Rettungsdienst eigentlich nur zur Versorgung von Notfallpatienten vorgesehen ist.

Ein Rettungswagen der Feuerwehr fährt mit Blaulicht zum Einsatz.
Ein Rettungswagen der Feuerwehr fährt mit Blaulicht zum Einsatz. © DPA Images | Monika Skolimowska

Gibt es Scherzanrufe – und wie reagieren Sie da?

Sogenannte Scherzanrufe gibt es. Sind diese augenscheinlich nicht böswillig gemeint, zum Beispiel weil der Ruf aus Versehen rausgegangen ist, werden die Anrufer nur freundlich darauf hingewiesen, dass sie gerade den Notruf 112 gewählt haben. Handelt es sich um einen böswilligen Notrufmissbrauch, zu dem im schlimmsten Fall auch noch Einsatzkräfte unnötig ausrücken, so wird jeder Fall sofort zur Anzeige gebracht und strafrechtlich verfolgt. Die Aufklärungsquote liegt heutzutage annähert bei 100 Prozent, weil die Leitstelle alle erforderlichen Informationen bereits mit dem Wählen des Notrufs hat.

Der SOS-Knopf am Dachhimmel - weil im Notfall jede Sekunde zählt, müssen seit 2018 gemäß einer EU-Verordnung alle neuen Fahrzeuge – sowohl Pkw als auch leichte Nutzfahrzeuge – serienmäßig mit einem eCall-Notrufsystem ausgestattet sein.  
Der SOS-Knopf am Dachhimmel - weil im Notfall jede Sekunde zählt, müssen seit 2018 gemäß einer EU-Verordnung alle neuen Fahrzeuge – sowohl Pkw als auch leichte Nutzfahrzeuge – serienmäßig mit einem eCall-Notrufsystem ausgestattet sein.   © Maria - stock.adobe.com | Dmitry Guldin

In den Autos gibt es ja mittlerweile Notrufknöpfe, wie oft kommt es vor, dass die aus Versehen gedrückt werden und wie reagieren Sie dann?

Der sogenannte eCall ist in neueren Fahrzeugen inzwischen verpflichtend verbaut. Pro Monat laufen etwa fünf solcher Anrufe auf. Anfangs war die Fehlalarmierungsquote noch recht hoch, inzwischen handelt es sich meist um reelle Einsätze, zu denen der Rettungsdienst und die Feuerwehr alarmiert werden. Wenn wir mit dem Gegenüber noch ganz normal sprechen können, ist schnell klar, dass nicht viel passiert ist und keine fremde Hilfe benötigt wird.

Die schnelle Aufklärung ist uns lieber, weil dann kein Rückruf erfolgen muss, ob auch nichts passiert ist. Das spart somit insgesamt Zeit.
Michael Schlüter - Leiter des Sachgebiets operative Dienste Leitstelle und Technik beim Hochsauerlandkreis

Eine Seniorin telefoniert mit ihrem Smartphone. Für den Notfall sollte man wichtige Informationen,  wie Medikamentenlisten bereitlegen.
Eine Seniorin telefoniert mit ihrem Smartphone. Für den Notfall sollte man wichtige Informationen, wie Medikamentenlisten bereitlegen. © DPA Images | Sebastian Gollnow

Wenn man sich vertan hat, ist es Ihnen dann lieber, wenn man eben kurz in der Leitung bleibt und sich erklärt oder entschuldigt, was ja mehr Zeit kostet, oder einfach auflegt?

Die schnelle Aufklärung ist uns lieber, weil dann kein Rückruf erfolgen muss, um zu klären, ob nicht doch etwas passiert ist. Das spart somit Zeit.

Was ist, wenn Kinder bei Ihnen anrufen. Sollten Eltern, wenn Sie das bemerken, auch erneut anrufen und Bescheid geben, dass es sich nicht um einen Notfall handelt?

Rufen Kinder scherzhaft an und die Eltern bemerken dies, sollten sie den Sachverhalt unverzüglich aufklären, um möglichen Ärger zu vermeiden. Sollte dies nicht geschehen, wird auch mit Unterstützung der Polizei der Aufenthaltsort der Kinder ermittelt und die Eltern werden informiert.

Wenn Sie kurz erklären müssten: Wer ist bei der Notrufnummer 112 auf jeden Fall richtig und wer nicht?

Grundsätzlich ist jeder beim Notruf 112 richtig, der einen medizinischen Notfall, ein Schadenfeuer oder einen Unfall melden möchte. Im Zweifel, ob es sich um einen Fall für den Rettungsdienst oder die Feuerwehr handelt, lautet mein Appell: Rufen Sie bitte immer an, die Leitstellendisponenten werden die Notwendigkeit schnell und mit gezielten Fragen klären. Am schlimmsten ist es, wenn durch eine unnötige Zurückhaltung schwere Erkrankungen zu spät erkannt werden. Denken Sie bei klaren, ganz eindeutigen Bagatelle-Ereignissen aber auch bitte immer daran, dass der Rettungswagen in diesem Moment an einer anderen Stelle vielleicht viel dringender gebraucht werden könnte, um dort ein Menschenleben zu retten!