Schmallenberg. Der neue Eigentümer einer Immobilie in Schmallenberg ist fassungslos: „Wie kann ein Mensch so leben? Warum wird ihm nicht geholfen?“
Ein Dreifamilienhaus in Schmallenberg steht am Amtsgericht in Meschede zur Zwangsversteigerung, es handelt sich um ein Messi-Haus. Der Käufer - ein junger Mann aus Schmallenberg - hatte das Gutachten gelesen, er hatte auch mit der Gutachterin telefoniert, um sich weitere Details einzuholen. Der Familienvater ist danach fest entschlossen und ersteigert die Immobilie für einen Betrag im unteren sechsstelligen Bereich. Dass viel Arbeit auf ihn zukommt, weiß er. Doch als er das Haus zum ersten Mal betritt und sieht, wie die Person dort bis zur Versteigerung der Immobilie gelebt hat, ist er erschüttert. Er wendet sich an unsere Redaktion und fragt: „Warum hat sich denn da niemand gekümmert? Der Mann steht unter Betreuung - das ist doch ein Versagen der Behörden.“
Fotos, die der Redaktion vorliegen, zeigen Müllberge, Schimmel und Ungeziefer - und noch schlimmer - hunderte Dosen Katzenfutter, die mit Urin gefüllt sind; tausende leere Flaschen Bier. „Das Haus muss schon seit mehreren Jahren ohne fließend Wasser gewesen sein. Auf insgesamt fünf Toiletten haben sich die Hinterlassenschaften getürmt“, mutmaßt der neue Eigentümer, der anonym bleiben möchte. Die Aufgabe sieht er als Herausforderung, er denkt pragmatisch: „Wir sind in Vollschutz-Anzügen in das Haus hereingegangen und haben Müll und Unrat Container-weise herausgeräumt.“ Die Immobilie will er komplett entkernen, sanieren und selbst dort einziehen.
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Der junge Mann weiß auch, dass ein Schicksal hinter dieser erschütternden Situation steckt. Er ist froh, dass der Mann, der zuvor in dem Messi-Haus lebte, eine neue Wohnung gefunden hat. Er befürchtet aber auch, dass dieser nicht viel mehr als eine Matratze besitzt, weil die komplette Einrichtung aus dem Haus und auch Kleidungsstücke nicht mehr zu gebrauchen waren. Schon seit Wochen versucht er, Kontakt zu dem Betreuer des Mannes aufzunehmen - auch um zu klären, was mit den Wertgegenständen passieren soll, die er in dem Haus geborgen hat. „Aus der Garage haben wir einen gut erhaltenen Oldtimer geholt, außerdem ein recht neuwertiges Quad“, erzählt er ganz offen. „Das kann ich ja nicht einfach behalten.“
Weil er weder den Betreuer erreichen kann, noch am Amtsgericht in Bad Fredeburg als zuständiges Betreuungsgericht weiterkommt, hat sich der Familienvater inzwischen einen Anwalt genommen, der die offenen Punkte klären soll.
„Das ist der richtige Weg“, sagt Ralf Fischer, der Direktor des Amtsgerichtes Bad Fredeburg, auf Anfrage unserer Zeitung. „Wer eine Immobilie bei einer Zwangsversteigerung ersteht, hat zwar alles gekauft, was fest verbaut ist - ein Auto, ein Quad oder andere Wertgegenstände gehören aber nicht dazu.“
Aus Erfahrung weiß der Richter auch, dass es erschütternd sein kann, zusehen zu müssen, dass sich Menschen zu Tode trinken oder ihr Leben aufgrund einer Drogenabhängigkeit zerstören. Er weiß aber auch: „Solange ein Psychiater einen freien Willen bescheinigt und man sich nicht helfen lassen will, darf man sowohl im Müll leben als auch sich zu Tode trinken“, bringt Fischer es auf den Punkt. Der freie Wille sei immer zu berücksichtigen. „Solange dieser vorhanden ist, darf der Staat niemanden zwangsweise beglücken. Hier hat Artikel 2 des Grundgesetzes Vorrang. Sonst dürfte es auch keine Stadtstreicher mehr geben.“
Problem sei in derartigen Fällen eine falsche Erwartungshaltung, erklärt der Richter weiter in Hinblick auf die Kritik zum Thema Behörden-Versagen: „Betreuer müssen die Interessen der Betreuten wahrnehmen, auch wenn diese im Dreck leben und sich jeden Tag betrinken wollen.“
Auch gebe es unterschiedliche Formen der Betreuung, die für Gesundheitsfürsorge, für Vermögensangelegenheiten, für den Umgang mit Behörden etc. In dem geschilderten Fall des Mannes, der nun aus dem vermüllten Haus in eine neue Wohnung gezogen ist, müsse „eventuell geprüft werden, ob die Betreuung erweitert werden muss“, erklärte Fischer. „Dafür muss das Gericht dann ein Gutachten einholen.“ Voraussetzung sei aber auch da wieder, dass der zu Betreuende zustimmt. Solange ein Rest freier Wille vorhanden sei, müsse dieser akzeptiert werden. Je nach Lebenssituation der zu betreuenden Personen könne das „extrem unbefriedigend sein“.