Schmallenberg. 2022 fuhr Hannah Neise in Peking zur Goldmedaille im Skeleton. Warum sie von ganzem Herzen Botschafterin für Schmallenberg ist.
Direkt nach dem Olympia-Gold im Skeleton ging es los: Viele Orte reklamierten die junge Frau für sich. Arnsberg - dort wurde sie im Krankenhaus geboren. Freienohl - dort lebte sie bis zur zweiten Klasse. Winterberg - dort besuchte sie das Sport-Internat. Oder ist sie Bad Endorferin? Am Chiemsee lebt sie heute und besucht die Bundespolizeischule. Wenn man die 23-jährige Hannah Neise fragt, kommt die Antwort klar und schnell: „Meine Heimat ist Schmallenberg!“
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In die Sichtungsgruppe gemogelt
In Schmallenberg besuchte sie die katholische Grundschule, wechselte zur Erich-Kästner-Realschule und mogelte sich dann mit 12 Jahren in die Auswahlgruppe fürs Winterberger Skeleton-Training. Mogelte? „Ja“, gesteht sie mit einem Lachen. „Ich wollte gern die fünfte und sechste Stunde Englisch freihaben, dabei hatte ich die Sichtungs-Übungen gar nicht bestanden.“ Doch die ersten Fahrten im Eiskanal schreckten sie fast ab - zu kalt, entschied die Teenagerin damals. Doch bald hatte sie der Sport gepackt. „Ich liebe den Wettbewerb.“
Skeleton statt Turnen und Reiten
Bis dahin hatte Hannah Neise geturnt und war geritten. Beides gab sie für den Wintersport auf. „Danach war ich ein bisschen die Außenseiterin“, gesteht sie. Sie nimmt es ihren Klassenkameraden nicht übel. „Skeleton ist halt ein ziemlich abseitiger Sport“, der schon bald viel Freizeit kostete. Nachmittags fuhr sie mit dem Bus nach Winterberg zum Training, wechselte nach der Mittleren Reife ins Sport-Internat. Freunde blieben ihr dadurch wenige. Lennart Kersting aus Oberkirchen gehört noch dazu. Der Nordische Kombinierer war mit ihr im Internat.
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„Da ist auch schon Neid dabei, wenn man so heraussticht. Der Sport hat mich geprägt, aber ich habe auch viel dadurch gelernt“, sagt sie ohne Reue. Ihre Eltern hätten sie unterstützt, aber zu nichts gezwungen, betont sie. „Das Einzige, was sie von mir verlangt haben, war, dass ich das Abi mache.“ Da hätte sie sich sonst vielleicht auch rausgemogelt, gesteht sie mit einem Schmunzeln, „auch wenn es im Rückblick sicher richtig war.“
Mit 145 km/h im Eiskanal
Mit dem Kopf voran stürzt sie sich seitdem in den Eiskanal, der Schlitten wird dann bis zu 145 km/h schnell. Tatsächlich gehöre das Skeleton-Fahren zu den ungefährlichsten Sportarten, versichert die Sportlerin. Sich von einer Skischanze zu stürzen, wie es ihr Freund Luca macht, - die junge Frau mit den langen blonden Haaren schüttelt sich: „Auf keinen Fall. Ich kann ja nicht mal Skifahren“, sagt sie und lacht.
Regelmäßig in Schmallenberg
Auch wenn es seltener wird, ist sie noch regelmäßig bei ihrer Familie in Schmallenberg, oft trainiert sie dann in Winterberg. Beide Eltern leben in der Weststraße. „Und ich bin total gern im Baccio. Ich mag Schmallenberg und finde die Stadt auch schöner als Winterberg“, gesteht sie. Wenn sie am Chiemsee jemandem erklären muss, wo sie herkommt, sagt sie gern, dass Schmallenberg „eine hübsche Kleinstadt im Herzen des Hochsauerlandkreises“ ist. „Hier kann man sich wohlfühlen und gut ´runterkommen, aber auch gut shoppen.“
Ob sie einmal zurückkommt? „Das wird schwierig“, gesteht sie. Im August schließt sie ihre Ausbildung bei der Bundespolizei ab. Erstmal bleibt sie dann in Bad Endorf. Es folgen im besten Fall noch einige Jahre im Skeleton-Sport. Dann kann sie sich als Sportlerin zwar einen Einsatzort aussuchen - „wir haben eine Freikarte“ - aber der liegt als Bundespolizistin eher in einer Großstadt.
Markenbotschafterin für Schmallenberg
Hannah Neise ist seit ihrem Olympia-Gold im Jahr 2022 Markenbotschafterin für ihren Heimatort. Marcus Schulte-Glade, Vorsitzender der Werbegemeinschaft, ist immer noch begeistert von seinem Coup: „Hannah ist ein Aushängeschild für ganz Schmallenberg. Grüße nach Schmallenberg versucht sie immer unterzubringen und die Werbung auf ihrem Rennanzug trägt ebenfalls dazu bei, den Ort bekannter zu machen.“ Dazu komme die junge Frau total sympathisch und natürlich rüber.
Aber auch Hannah Neise ist froh über diese Partnerschaft. „Es ist gar nicht einfach, Sponsoren zu finden“, erzählt sie. Gerade nach Corona und dann durch den Ukraine-Krieg seien die Firmen sehr zögerlich. Sie ist deshalb froh, dass sie auch von Falke unterstützt wird. „Und die Schmallenberger halten zu mir.“
100 Menschen auf dem Schützenplatz
Das entscheidende Rennen für die Goldmedaille in Peking verfolgten damals rund hundert Menschen auf dem Schützenplatz. Bei dem sich anschließenden Empfang trug sie sich ins Goldene Buch der Stadt ein, wieder gab es viele Gratulanten. „Das berührt mich schon sehr“, sagt sie bescheiden. „Das ist mir total wichtig.“
Und was wäre, wenn Hannah Neise jetzt, statt Schmallenbergerin zu sein, tatsächlich in Freienohl oder Arnsberg aufgewachsen wäre? „Es hätte wahrscheinlich kaum eine Sichtung in meiner Schule stattgefunden“, sagt sie und überlegt weiter: „Skeleton würde ich also nicht fahren, vielleicht noch reiten, aber sicher hätte ich da keine Aussicht auf eine Olympia-Medaille.“
HINTERGRUND
Die Bob- und Skeleton-Weltmeisterschaften 2024 (offizieller Name: BMW IBSF Bob & Skeleton Weltmeisterschaften) sollen vom 19. Februar bis zum 3. März in der Veltins-Eisarena in Winterberg stattfinden.
Die Werbegemeinschaft Schmallenberg plant am 23. Februar eine Fahrt dorthin, um Hannah Neise anzufeuern. Weitere Infos folgen.
Zu den Weltcups, die auch im Ausland stattfinden, will man die Rennen live im TV verfolgen und von Schmallenberg die Daumen drücken.