Meschede. Es gibt Verdachtsfälle, dass ein Wolf bei Meschede Tiere gerissen haben könnte. Was bislang bekannt ist - und wie der Fall gelöst wird.

War es ein umherstreifender Wolf? Es gibt neue Verdachtsfälle. Experten prüfen jetzt, ob ein Wolf bei Meschede Schafe gerissen haben könnte.

Die Verdachtsfälle wurden sowohl dem Hochsauerlandkreis gemeldet als auch dem zuständigen Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz. Beide Behörden bestätigen sie. Betroffen ist der Raum Blüggelscheidt. Dort hatte Heinz Pütz aus Berlar seine toten Tiere entdeckt. Er hat an seinen Fischteichen seit Jahren in der Nähe eine kleine Herde aus vier Schafen stehen: „Es ist dort noch nie etwas passiert.“ Das Gelände ist von einem zwei Meter hohen Zaun geschützt.

An drei Tagen nacheinander Vorfälle

Die Vorfälle jetzt ereigneten sich an mehreren Tagen nacheinander – am 28., 29. und am 30. November. Zwei tote Schafe entdeckte Pütz, ein drittes gilt als verschwunden, Pütz ist aber sicher, dass es gerissen und dann fortgezogen wurde. Nur ein Tier überlebte, es sei völlig verschreckt gewesen. Ob es ein Wolf war, darüber möchte er nicht spekulieren. Er befragte Jäger, die ihn dann an einen Wolfsberater verwiesen – so kam das offizielle Verfahren in Gang.

Es ist eine Dokumentation angefertigt worden, mögliche DNA-Proben werden in einem Labor untersucht. Haare, Kot, Blut oder Speichelreste, die ein Wolf hinterlässt, eignen sich für die genetische Analyse. Bei frischen und umfangreichen Proben lassen sich neben der sicheren Bestimmung des Wolfes auch das Geschlecht und verwandtschaftliche Beziehungen zu anderen bereits registrierten Tieren feststellen.

Die Zahl der Wölfe in Deutschland hat zugenommen: Die Karte zeigt die Verbreitung der Wolfsvorkommen.
Die Zahl der Wölfe in Deutschland hat zugenommen: Die Karte zeigt die Verbreitung der Wolfsvorkommen. © dpa Grafik | dpa-infografik GmbH

Bis die Ergebnisse aus Blüggelscheidt vorliegen, können einige Wochen vergehen. Alle in NRW gefundenen Spuren werden im Senckenberg Forschungsinstitut Gelnhausen analysiert. Dort können sie mit anderen, schon vorher gefundenen genetischen Wolfsspuren aus Deutschland und Europa verglichen. Das Senckenberg Forschungsinstitut Gelnhausen ist das von allen Bundesländern ausgewählte nationale Referenzlabor für Wolfsgenetik: Es unterhält die größte Datenbank zur Genetik der Wölfe in Deutschland.

Die Spurensuche

Als möglicher Verdachtsfall im Hochsauerlandkreis wird auch der Riss eines weiteren Schafes zuvor, am 24. November, in Marsberg geführt – auch dieser Fall ist in der Prüfung. Mitte November hatte das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz, das auch für das Wolfsmanagement in NRW zuständig ist, einen Wolfsriss offiziell als „eindeutig“ bestätigt, der sich am 23. September bei Hallenberg ereignet hatte – hier sei „genetisches Material eines Wolfs“ an dem getöteten Lamm nachgewiesen worden. Eine Individualisierung, also welcher Wolf dafür verantwortlich war, ist in diesem Fall nicht möglich gewesen.

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Bei anderen Fällen gelingt eine engere Eingrenzung durch die DNA-Spuren durchaus: Zum Beispiel im bisher einzigen bestätigten Riss im Mescheder Stadtgebiet, als im April 2020 bei Calle ein gerissenes Reh entdeckt wurde. Es stellte sich anhand der genetischen Spuren heraus, dass es ein Männchen aus einem Herkunftsrudel in Ost- oder Südosteuropa war.

Unterschieden wird zwischen Rissen von Nutztieren und von Wildtieren. So sind Kadaverfunde von Sikawild am 6. August in einem Waldgebiet bei Arnsberg einer Wolfsfähe mit der Abkürzung GW3199f zugeordnet worden – „GW“ steht dabei für „Genetik Wolf“. Der Riss wurde auch gefilmt. Das Weibchen stammt ursprünglich aus dem grenzübergreifenden Territorium „Gohrischheide“ in Sachsen/Brandenburg. Im Mai 2023 war diese Wölfin erstmals in NRW in Warstein nachgewiesen worden. Ein weiterer Wolfsnachweis gelang, wieder über totes Sikawild, am 28. Juli bei Möhnesee.

Wann ist ein Wolf standorttreu?

Zuletzt hatte es im Juni 2023 bei Freienohl einen Verdachtsfall gegeben, wonach ein Wolf ein Rind gerissen haben könnte. Hier kam das Landesamt zu keiner Bewertung, da die Meldung verspätet gekommen sei und die Wunden des Kalbes bereits versorgt waren. Bei einem Nutztierriss wird ein Wolfsberater informiert, der innerhalb von 24 Stunden die Tierhalter kontaktiert und die Probenahme sowie eine Dokumentation der Fundstelle anfertigt. Dokumentiert wird dabei auch der vorhandene Herdenschutz. Wenn es in einem Gebiet mehrfache Hinweise über einen Zeitraum von mehr als sechs Monaten auf Wölfe gibt, dann geht das Landesamt davon aus, dass dieses „standorttreu“ geworden ist – dann wird dieses Gebiet ein offizielles Wolfsfördergebiet. Wenn dort ein Nutztier gerissen wird, und der notwendige Herdenschutz vorhanden war, dann wird eine Entschädigung für das gerissene Tier ausgezahlt. Das nächste offizielle Wolfsfördergebiet liegt im Märkischen Kreis, das angrenzende Sundern gilt als Teil der „Pufferzone“ – dort würde auch eine Entschädigung gezahlt.

Marsberg und Meschede gehören nicht zum Fördergebiet, daher würden bei Nachweis eines Wolfes als Verursacher Entschädigungen ausgezahlt. Ein Wolf gilt als territorial, wenn innerhalb von sechs Monaten innerhalb eines klar abgrenzbaren Gebietes mehrere individuelle Nachweise vorliegen. Solange dies nicht der Fall ist, handelt es sich in der Regel um wandernde Tiere, auf der Suche nach einem eigenen Territorium oder einem Partner, so das Landesamt. Ein Wolf kann bis zu 70 Kilometer am Tag zurücklegen, so dass bei einem Nachweis ein wanderndes Tier bereits viele Kilometer weitergezogen ist. Das Beispiel der Förderkulisse Märkisches Sauerland zeige, dass im Sauerland bereits ein Territorium besetzt wurde. „Ob oder wann dies im HSK der Fall sein könnte, lässt sich von unserer Seite aus nicht vorhersagen“, so LANUV-Sprecher Wilhelm Deitermann.