Ostwig. Dramatische Szenen an der Flüchtlingsunterkunft in Ostwig, doch die Polizei gibt keine Meldung heraus. Was steckt dahinter?
Flackernde Blaulichter, schreiende Polizeibeamte, die befehlen aus der Schussbahn zu gehen und ein wild um sich schlagender Mann, der völlig außer sich mit zwei Leuchtstoffröhren auf einen Streifenwagen eindrischt. Es sind dramatische Szenen, die sich mitten in der Nacht an der Flüchtlingsunterkunft in der Ostwiger Mallinckrodtstraße abgespielt haben.
Zurück liegt dieser Fall bereits einige Wochen: Es war der 24. September, als die Beamten um 1.45 Uhr mit drei Streifenwagen und einem Diensthund zu diesem Einsatz nach Ostwig ausgerückt sind. Öffentlich bekannt gemacht hat die Polizei den Vorfall bis heute nicht. Und genau das sorgt im Ort für Ärger und Verwunderung. Die Behörde verschweige den Vorfall ganz bewusst, weil es sich eben mal wieder um einen Einsatz an einer Flüchtlingsunterkunft gehandelt hat, heißt es. Die Zurückhaltung der Polizei nährt außerdem die Gerüchteküche im Ort. Demnach soll der Randalierer mit einem Baseballschläger einen Streifenwagen völlig zertrümmert haben.
Auch ein Diensthund im Einsatz
Michael Schemme, Sprecher der Kreispolizeibehörde in Meschede, weist den Vorwurf, diesen Einsatz bewusst unter den Teppich kehren zu wollen, entschieden zurück. Es sei richtig, dass die Polizei in jener Nacht mit drei Streifenwagen vor Ort gewesen sei. Und auch ein Diensthund sei eingesetzt gewesen. Allerdings sei der Vorfall nicht annähernd so dramatisch gewesen wie vermutet. Auch, wenn in einem Video, das Augenzeugen gedreht haben, deutlich zu hören ist, wie ein Beamter zweimal schreiend dazu auffordert, aus der Schussbahn zu gehen.
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Gegen 1.45 Uhr seien die Beamten in jener Nacht zur Unterkunft in der Mallinckrodtstraße gerufen worden. Wegen der Randale des Mannes hatten Zeugen die Polizei alarmiert. „Beim Eintreffen der Beamten lief der Mann mit zwei Leuchtröhren in den Händen vor dem Gebäude umher und schlug um sich“, so die Pressestelle der Polizei. Hierbei sei tatsächlich auch ein Streifenwagen beschädigt worden. Allerdings habe es sich lediglich um einen beschädigten Türgriff gehandelt, dessen Reparatur noch nicht einmal Kosten verursacht habe. „Die Kollegen mussten den Griff später lediglich wieder hereindrücken“, sagt Schemme. Weil der Randalierer massiven Widerstand geleistet habe und den Anweisungen nicht gefolgt sei, habe er fixiert werden müssen. Anschließend sei es für ihn ins Polizeigewahrsam und von dort aus in ärztliche Behandlung gegangen.
„Dann hätte das sicher eine andere Qualität“
„Die Kriminalpolizei ermittelt aktuell wegen der Sachbeschädigung an einem Streifenwagen sowie Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte“, erklärt Michael Schemme und ergänzt: „Diese Einsatzanlässe werden unabhängig von den beteiligten Personen in der Regel nicht veröffentlicht.“ Zumal jener Einsatz zur Nachtzeit stattgefunden und daher keine Außenwirkung gehabt habe.
Sicherlich werde der ein oder andere Nachbar diesen Einsatz mitbekommen haben. Das reiche aber nicht als Begründung für eine öffentliche Mitteilung aus. „Wenn sich der Vorfall tagsüber in einer belebten Fußgängerzone ereignet hätte, hätte das sicherlich eine andere Qualität“, sagt Schemme. Irgendwo müsse bei den Veröffentlichungen eine Grenze gezogen werden, betont der Polizeisprecher und verweist noch einmal darauf, dass es sich aus polizeilicher Sicht „lediglich“ um Sachbeschädigung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte handele.
Eine Schusswaffe sei in jener Nacht nicht eingesetzt worden. „Die Beamten vor Ort sind sehr besonnen vorgegangen“, sagt Schemme. „Schusswaffengebrauch gegen Personen ist äußerst selten und in den letzten Jahren im HSK nicht vorgekommen.“ Möglicherweise aber hätten die Beamten vor Ort den Gebrauch von Pfefferspray in Erwägung gezogen, das mit polizeilichen Mitteln auch über eine größere Distanz angewendet werden könne. „Niemand würde in einem solchen Fall rufen: Gehen Sie aus der Sprühbahn“.
Psychische Ausnahmesituation
Bei dem 24-jährigen Randalierer handelt es sich um einen Mann aus Guinea, der laut Schemme bereits mehrfach polizeilich in Erscheinung getreten ist - wegen Körperverletzungsdelikten und wegen des Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte. Anlass für den Ausraster am 24. September soll laut Schemme eine psychische Ausnahmesituation gewesen sein. Darauf, dass der Mann unter Drogen gestanden habe, gebe es keine Hinweise, sagt Michael Schemme. Ein Drogentest sei nicht erfolgt, weil es dazu keinen Anlass gegeben habe. Ob der 24-Jährige, wie es im Ort heißt, inzwischen wieder in der Unterkunft lebt, konnte Schemme mit dem Verweis auf den Datenschutz nicht bestätigen.
15 Einsätze in 12 Monaten
Insgesamt 15 Polizeieinsätze hat es in den vergangenen 12 Monaten an der Unterkunft in der Mallinckrodtstraße in Ostwig gegeben, teilt Polizeisprecher Michael Schemme auf Nachfrage mit. Überwiegend wegen allgemeiner Streitigkeiten und Körperverletzungsdelikten.
Ist die Unterkunft damit aus Sicht der Polizei ein Brennpunkt? „Unter Berücksichtigung der Situation, dass in Flüchtlingsunterkünften oftmals eine Vielzahl von Personen auf engem Raum zusammenleben, die in der Regel aus unterschiedlichen Kulturkreisen stammen, ist die Wahrscheinlichkeit von Streitigkeiten und Auseinandersetzungen erhöht“, sagt Schemme. Umgerechnet sei die Polizei etwa einmal pro Monat tätig geworden, wenn man berücksichtige, dass einzelne Einsatzanlässe auch anschließende Ermittlungstätigkeiten zur Folge haben. „Diese Ermittlungen vor Ort sind in den Zahlen enthalten“, erklärt Schemme. Von einem Brennpunkt könne man daher nicht sprechen.
Regelmäßig von der Polizei aufgesucht
Wie viele andere Ort würden Flüchtlingsunterkünfte regelmäßig von der Polizei aufgesucht. „Das heißt nicht, dass wir ständig auch in dem Gebäude unterwegs sind. Die Unterkünfte werden in die allgemeine Streifentätigkeit mit einbezogen“, so Schemme. Das könne stellenweise in der öffentlichen Wahrnehmung ganz anders verstanden werden, weil man mit der polizeilichen Präsenz sofort einen offiziellen Einsatz kombiniere. Soll heißen: „Nicht jedes Mal, wenn wir vor Ort sind, ist auch etwas passiert“, betont der Polizeisprecher.