Meschede. Vor 16 Monate eröffnete Iris Schürmann die Brasserie und Cafébar „Herz über Kopf“. Wie die Meschederin heute auf die Neugründung blickt.

Es ist das Herzensprojekt einer leidenschaftlichen Gastgeberin: Iris Schürmann eröffnete zusammen mit ihrem Mann Stephan vor 16 Monaten die Brasserie und Cafébar „Herz über Kopf“ in der Mescheder Ruhrstraße. „Ich wollte mir nicht irgendwann vorwerfen müssen, dass ich es nicht versucht habe“, sagt die 49-Jährige im Seegespräch ein wenig schmunzelnd, aber voller Elan, während es an der Talsperre immer mal regnet und stürmt.

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Seegespräch mit Iris Schürmann. 
Seegespräch mit Iris Schürmann.  © WP | Ute Tolksdorf

Heute ist es sehr windig am See - haben Sie negative Erinnerungen an die Talsperre?

Ich bin hier am Damm schon einmal ungewollt baden gegangen. Meine sechs Jahre ältere Schwester war und ist eine sehr gute Ruderin, und ihr Trainer meinte, die kleine Schwester habe doch sicher auch Potenzial. Er setze mich dann in einen Einer, in dem ich es bis zum Damm geschafft habe. Da bin ich gekentert und meine Ruder-Karriere war beendet.

Trotzdem sind Sie bis heute regelmäßig am See?

Ja, ich habe dann später angefangen Tennis zu spielen und bin im Sommer auch oft zum Schwimmen hier. Das ganze Jahr über ist die Talsperre für uns als Familie ein Ausflugsziel, um hier mit dem Hund spazieren zu gehen. Es gibt viele schöne Wege direkt am See oder auch auf den Höhen, mit Blick aufs Wasser. Das ist unglaublich entspannend.

Zieht es Sie nie in die Ferne?

Ich bin schon sehr heimatverbunden. Ich reise sehr gerne, freue mich aber immer, wenn wir zurückkommen und ich bekannte Gesichter auf der Straße entdecke.

Es war stürmisch: Redakteurin Ute Tolksdorf beim Seegespräch mit Iris Schürmann. 
Es war stürmisch: Redakteurin Ute Tolksdorf beim Seegespräch mit Iris Schürmann.  © WP | Ute Tolksdorf

Das letzte Jahr war wahrscheinlich ziemlich aufregend für Sie?

Ja, im April haben wir das Café eröffnet. Wir hatten natürlich einen Plan, haben uns aber auch immer wieder hinterfragt, manches Angebot gestrichen und anderes hinzugenommen. So haben wir den Mittagstisch erweitert. Es gibt jetzt bei uns zweimal im Monat das Frühstücks-Büfett am Samstag, am Abend vorher öffnen wir freitags bis 23 Uhr, und wir bieten jetzt auch frisch gezapftes Bier an. Hier hatten wir viele Nachfragen in den letzten Monaten, da die Gäste Flaschenbier doch eher zu Hause trinken.

Sie sind gelernte Groß- und Außenhandelskauffrau und haben zuletzt in der Buchhaltung von zwei Reisebüros gearbeitet. Sind Sie jetzt nach 16 Monaten in der Gastronomie desillusioniert?

Nein, keinesfalls, es überwiegen die schönen Momente: Gäste, die sich über unser tolles Angebot freuen, den Service loben und das schöne Ambiente wertschätzen. Natürlich gibt es ab und an mal Gäste, die ihren Frust bei uns abladen - aber das gehört einfach dazu. Und ich muss auch immer noch lernen, Dinge abzugeben. Das Herausfordernste an der Selbstständigkeit ist für mich, dass eigentlich immer etwas zu tun ist und man nie richtig Feierabend hat. Wenn ich zwischendurch mal für eine Stunde nach Hause möchte, fallen mir vorher bestimmt noch drei Sachen ein, die ich „eben“ noch erledigen kann.

Wie schaffen Sie das alles?

Ich habe sehr gute Mitarbeiter mit langjähriger Erfahrung und auch unsere Tochter hilft uns an den Wochenenden. Sie hat lange neben der Schule und ihrer Ausbildung in der Gastronomie gearbeitet und unterstützt uns neben ihrem Job und Studium, wo sie kann. Zudem haben wir das Glück, dass auch gute Aushilfen unser Team vervollständigen.

Ihr Sohn Luis hat das Down-Syndrom - er ist auch oft im Café. Hat er Spaß daran zu helfen und was halten Sie von Projekten, in denen Menschen mit geistiger Behinderung in der Gastronomie mitarbeiten?

Für Luis und mich ist das nicht so einfach. Das hängt vor allem damit zusammen, dass ich ihm als Mutter dann sagen muss, was er tun soll. Das findet er natürlich nicht so gut. Es gibt Projekte, wie das von Tim Mälzer, der ein Restaurant mit Menschen mit Downsyndrom aufgebaut hat. Aber auch diese Männer und Frauen sind nicht alle gleich fit und brauchen Unterstützung. Was nicht heißt, dass ich mir nicht vorstellen kann, das Thema eines Tages mal in den Blick zu nehmen.

Was sagen Sie einem Gast, der sich über zu teure Preise in Ihrem „Herz über Kopf“ beschwert?

Dass man natürlich den Kaffee billiger anbieten könnte, er aber auch dafür zahlt, dass er bei uns in einem schönen Ambiente im Warmen sitzt, er freundlich am Tisch bedient wird, die Porzellantasse hinterher gespült wird, die Leute anständig entlohnt werden und er die Toilette nutzen kann. Dazu kommen die Kosten für Miete, Strom, Steuern, Versicherungen etc. Das muss ich aber Gott sei Dank nur sehr selten machen.

Um Ihr Café herum entstehen aktuell Leerstände - von Apollo bis Gerry Weber. Macht sich das auch auf Ihr Geschäft bemerkbar ?

Im Moment ist noch Ferienzeit, es kommen viele Urlauber aus Holland, viele Radler. Aber ich mag mir gar nicht vorstellen, wie es ist, an einem tristen Novembernachmittag auf die dunklen Fensterscheiben zu schauen. Ich bleibe optimistisch und hoffe, dass sich Vermieter, Interessenten und die Stadt ganz schnell zu dem Thema Gedanken machen und wir bald wieder unsere tolle, neu gestaltete Fußgängerzone mit mehr Leben füllen werden.

Und im Rückblick: Was braucht man für eine Neugründung?

Geduld, starke Nerven und Durchhaltevermögen, einen guten Businessplan und die Flexibilität, davon abweichend, Neues auszuprobieren. Nette Kunden natürlich und immer wieder neue Ideen, um die Gäste zu begeistern.